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Deutsche Sagen
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Frau Hollen Teich

Auf dem hessischen Gebirg Meißner weisen mancherlei Dinge schon mit ihren bloßen Namen das Altertum aus, wie die Teufelslöcher, der Schlachtrasen und sonderlich der Frau Hollen Teich. Dieser, an der Ecke einer Moorwiese gelegen, hat gegenwärtig nur vierzig bis fünfzig Fuß Durchmesser; die ganze Wiese ist mit einem halb untergegangenen Steindamm eingefaßt, und nicht selten sind auf ihr Pferde versunken.

Von dieser Holle erzählt das Volk vielerlei, Gutes und Böses. Weiber, die zu ihr in den Brunnen steigen, macht sie gesund und fruchtbar; die neugeborenen Kinder stammen aus ihrem Brunnen, und sie trägt sie daraus hervor. Blumen, Obst, Kuchen, das sie unten im Teiche hat und was in ihrem unvergleichlichen Garten wächst, teilt sie denen aus, die ihr begegnen und zu gefallen wissen. Sie ist sehr ordentlich und hält auf guten Haushalt; wann es bei den Menschen schneit, klopft sie ihre Betten aus, davon die Flocken in der Luft fliegen. Faule Spinnerinnen straft sie, indem sie ihnen den Rocken besudelt, das Garn wirrt oder den Flachs anzündet; Jungfrauen hingegen, die fleißig abspannen, schenkt sie Spindeln und spinnt selber für sie über Nacht, daß die Spulen des Morgens voll sind. Faulenzerinnen zieht sie die Bettdecken ab und legt sie nackend aufs Steinpflaster; Fleißige, die schon frühmorgens Wasser zur Küche tragen in reingescheuerten Eimern, finden Silbergroschen darin. Gern zieht sie Kinder in ihren Teich, die guten macht sie zu Glückskindern, die bösen zu Wechselbälgen. Jährlich geht sie im Land um und verleiht den Äckern Fruchtbarkeit, aber auch erschreckt sie die Leute, wenn sie durch den Wald fährt, an der Spitze des wütenden Heers. Bald zeigt sie sich als eine schöne weiße Frau in oder auf der Mitte des Teiches, bald ist sie unsichtbar, und man hört bloß aus der Tiefe ein Glockengeläut und finsteres Rauschen.

Frau Holla und der treue Eckart

In Thüringen liegt ein Dorf namens Schwarza, da zog Weihnachten Frau Holla vorüber, und vorn im Haufen ging der treue Eckart und warnte die begegneten Leute, aus dem Wege zu weichen, daß ihnen kein Leid widerfahre. Ein paar Bauernknaben hatten gerade Bier in der Schenke geholt, das sie nach Haus tragen wollten, als der Zug erschien, dem sie zusahen. Die Gespenster nahmen aber die ganze breite Straße ein, da wichen die Dorfjungen mit ihren Kannen abseits in eine Ecke; bald nahten sich unterschiedene Weiber aus der Rotte, nahmen die Kannen und tranken. Die Knaben schwiegen aus Furcht stille, wußten doch nicht, wie sie ihnen zu Haus tun sollten, wenn sie mit leeren Krügen kommen würden. Endlich trat der treue Eckart herbei und sagte: "Das riet euch Gott, daß ihr kein Wörtchen gesprochen habt, sonst wären euch eure Hälse umgedreht worden; gehet nun flugs heim und sagt keinem Menschen etwas von der Geschichte, so werden eure Kannen immer voll Bier sein und wird ihnen nie gebrechen." Dieses taten die Knaben, und es war so, die Kannen wurden niemals leer, und drei Tage nahmen sie das Wort in acht. Endlich aber konnten sie's nicht länger bergen, sondern erzählten ihren Eltern von der Sache, da war es aus, und die Krüglein versiegten. Andere sagten, es sei dies nicht eben zu Weihnacht geschehen, sondern auf eine andere Zeit.

Das schwere Kind

Im Jahr 1686, am 8. Juni, erblickten zwei Edelleute auf dem Wege nach Chur in der Schweiz an einem Busch ein kleines Kind liegen, das in Linnen eingewickelt war. Der eine hatte Mitleiden, ließ seinen Diener absteigen und das Kind aufheben, damit man es ins nächste Dorf mitnehmen und Sorge für es tragen könnte. Als dieser abgestiegen war, das Kind angefaßt hatte und aufheben wollte, war er es nicht vermögend. Die zwei Edelleute verwunderten sich hierüber und befahlen dem andern Diener, auch abzusitzen und zu helfen. Aber beide mit gesamter Hand waren nicht so mächtig, es nur von der Stelle zu rücken. Nachdem sie es lange versucht, hin und her gehoben und gezogen, hat das Kind anfangen zu sprechen und gesagt: "Lasset mich liegen, denn ihr könnt mich doch nicht von der Erde wegbringen. Das aber will ich euch sagen, daß dies ein köstliches fruchtbares Jahr sein wird, aber wenig Menschen werden es erleben." Sobald es diese Worte ausgeredet hatte, verschwand es. Die beiden Edelleute legten nebst ihren Dienern ihre Aussagen bei dem Rat zu Chur nieder.

Hünenspiel

Bei Höxter, zwischen Godelheim und Amelunxen, liegen der Brunsberg und Wiltberg, auf welchen die Sachsen im Kampf mit Karl dem Großen sollen ihre Burgen gehabt haben. Nach der Sage des Godelsheimer Volks wohnten dort ehedem Hünen, die so groß waren, daß sie sich morgens, wenn sie aufstanden, aus ihren Fenstern grüßend die Hände herüber- und hinüberreichten. Sie warfen sich auch, als Ballspiel, Kugeln zu und ließen sie hin und her fliegen. Einmal fiel eine solche Kugel mitten ins Tal herab und schlug ein gewaltiges Loch in den Erdboden, das man noch heute sieht. Die Vertiefung heißt die Knäuelwiese. -

Die Riesen herrschten da zu Land, bis ein mächtiges, kriegerisches Volk kam und mit ihnen stritt. Da gab es eine ungeheuere Schlacht, daß das Blut durchs Tal strömte und die Weser rot färbte; alle Hünen wurden erschlagen, ihre Burgen erobert, und das neuangekommene Volk schaltete von nun an in der Gegend.

Nach einer andern Erzählung sandte der Riese von Brunsberg dem von Wiltberg täglich einen Brief, der in ein großes Knäuel Garn gewunden, und so warfen sie es hinüber und herüber. Eines Tages fiel das Knäuel im Lauh, einem Holz unter dem Braunberge, nieder, und da ist ein großer Teich geworden, wo lauter weiße Lilien aufwachsen und wo noch zu dieser Stunde alle Jahr am Ostermontag die weiße Frau kommt und sich wäscht. [16]

Riese Einheer

Zu Zeiten Karls des Großen lebt ein Ries' und Recke, hieß Einheer, war ein Schwab, bürtig aus Thurgau, jetzt Schweiz, der wuthe (watete) über alle Wasser, dorft (braucht) über keine Brücke gehen, zoge sein Pferd bei dem Schwanz hernach, sagt allzeit: "Nun Gesell, du mußt auch hernach!" Dieser reiset auch in diesen Kaiser Karls Kriegen wider die Winden (Wenden) und Haunen (Hunnen); er mähet die Leut, gleichwie das Gras mit einer Sensen, alle nieder, hängt sie an den Spieß, trug's über die Achseln wie Hasen oder Füchs, und da er wieder heimkam und ihn seine guten Gesellen und Nachbarn fragten, was er ausgerichtet hätte, wie es im Kriege gegangen wäre, sagt er aus Unmut und Zorn: "Was soll ich viel von diesen Fröschlein sagen! Ich trug ihr sieben oder acht am Spieß über die Achsel, weiß nicht, was sie quaken, ist der Mühe nicht wert, daß der Kaiser soviel Volks wider solche Kröten und Würmlein zusammenbracht, ich wollt's viel leichter zuwegen gebracht haben!" - Diesen Riesen nennt man Einheer, daß (weil) er sich in Kriegen schier einem Heer vergleicht und alsoviel ausrichtet. Es flohen ihm die Feinde, Winden und Haunen, meinten, es wär der leidige Teufel. [18]

Der Köterberg

Der Köterberg (an der Grenze des Paderbornschen, Lippeschen und Korveischen) war sonst der Götzenberg genannt, weil die Götter der Heiden da angebetet wurden. Er ist innen voll Gold und Schätze, die einen armen Mann wohl reich machen könnten, wenn er dazu gelangte. Auf der nördlichen Seite sind Höhlen, da fand einmal ein Schäfer den Eingang und die Türe zu den Schätzen, aber wie er eingehen wollte, in demselben Augenblick kam ein ganz blutiger, entsetzlicher Mann übers Feld dahergelaufen und erschreckte und verscheuchte ihn. Südlich auf einem waldbewachsenen Hügel am Fuße des Berges stand die Harzburg, wovon die Mauern noch zu sehen und noch vor kurzem Schlüssel gefunden sind. Darin wohnten Hünen, und gegenüber, auf dem zwei Stunden fernen Zierenberg, stand eine andere Hünenburg! Da warfen die Riesen sich oft Hämmer herüber und hinüber. [20]

Kaiser Karl zu Nürnberg

Die Sage geht, daß Karl der Große sich zu Nürnberg auf der Burg in den tiefen Brunnen verflucht habe und daselbst aufhalte. Sein Bart ist durch den Steintisch gewachsen, vor welchem er sitzt.

Friedrich Rotbart auf dem Kyffhäuser

Von diesem Kaiser gehen viele Sagen im Schwange. Er soll noch nicht tot sein, sondern bis zum jüngsten Tage leben, auch kein rechter Kaiser nach ihm mehr aufgekommen. Bis dahin sitzt er verhohlen in dem Berg Kyffhausen, und wann er hervorkommt, wird er seinen Schild hängen an einen dürren Baum, davon wird der Baum grünen und eine bessere Zeit werden. Zuweilen redet er mit den Leuten, die in den Berg kommen, zuweilen läßt er sich auswärts sehen. Gewöhnlich sitzt er auf der Bank an dem runden steinernen Tisch, hält den Kopf in die Hand und schläft, mit dem Haupt nickt er stetig und zwinkert mit den Augen. Der Bart ist ihm groß gewachsen, nach einigen durch den steinernen Tisch, nach andern um den Tisch herum, dergestalt, daß er dreimal um die Rundung reichen muß bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal darum.

Ein Bauer, der 1669 aus dem Dorf Reblingen Korn nach Nordhausen fahren wollte, wurde von einem kleinen Männchen in den Berg geführt, mußte sein Korn ausschütten und sich dafür die Säcke mit Gold füllen. Dieser sah nun den Kaiser sitzen, aber ganz unbeweglich.

Auch einen Schäfer, der einstmals ein Lied gepfiffen, das dem Kaiser wohlgefallen, führte ein Zwerg hinein, da stand der Kaiser auf und fragte: "Fliegen die Raben noch um den Berg?" Und auf die Bejahung des Schäfers rief er: "Nun muß ich noch hundert Jahre länger schlafen."

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