810. Das heitere HochgerichtZwischen Ochsenfurt a.M. und Kitzingen lag die Herrschaft Brauneck, die umfaßte das heutige Marktsteft und fünf Maindörfer und kam im Jahr 1448 an das burggräfliche Haus. Da wurde nicht nur in Marktsteft, sondern auch in den Dörfern alljährlich dreimal Hochgericht gehalten, und zwar im Februar, im Mai und im Herbst, etwa zur Weinlesezeit; das war etwas anders eingerichtet als die heutigen Schwurgerichte. Die Beisitzer sotanen Hochgerichts waren Beamte, Frauenzimmer, Jäger und Spielleute, und die Jäger brachten ihre Hunde auch mit, denn ein wackerer Weidmann hält auf den Spruch: Wo mein Hund nicht hin darf, da will ich auch nicht sein. Da wurde eine große offene Mahlzeit gehalten, selbige war das Hochgericht; es wurde eine weite Kufe voll Wein auf die Gasse gestellt und ein Schöpfstutz oder Kelle hineingelegt, da konnte jeder kommen und schöpfen, wer da wollte, und trinken, so viel er wollte. Die Atzung, so nannte man die Kosten, die bei sotanem Hochgericht aufliefen, trug die Würzburger Dompropstei, die hatte einen großen Säckel. Das hat gewährt gerade zweihundert Jahre minder zwei, und hernach sind zwei andere Jahrhunderte gekommen, in denen hat die Hungerleiderei und die Töpfeguckerei und die Sparsucht überhandgenommen, und die Staatsweisheit ist bis zu den Bäuerlein gedrungen, und wird gespart dem Teufel ein Ohr ab von Ministern und Volksvertretern, kommt aber keiner Seele zugute und läuft immer nur auf den Spruch hinaus: Wir wollen alle Tage sparen,
811. Das Kitzinger KätterleÜber den Namen der guten Stadt Kitzingen am Main, Geburtsort des berühmten Theologen Eber, Melanchthons rechte Hand, haben die Sprachdiftler so viel Abgeschmacktes zusammenetymologisiert und ihren Kohl hernach als Sage ausgegeben, daß einem übel und weh von solcher losen Speise werden mag. Am Rathause daselbst wird ein Mädchenbild in Flammen erblickt, vielleicht eine arme Seele im Fegefeuer oder eine unkenntlich gewordene Madonna in der Glorie ihres fliegenden Goldhaars; davon geht diese Sage. Vor langer Zeit lebte in Kitzingen ein durch seine Schönheit berühmtes Mädchen, welchem ein eigentümliches Unglück widerfuhr. Einstmals hatte Kätterle (Kätchen) sich schon ausgekleidet und stellte sich im Hemd nah an den heißen Ofen; auf einmal begann dieses zu brennen, und das Mädchen konnte die Flammen nicht löschen; in voller Angst lief die Arme auf die Straßen, doch je ärger sie lief, desto stärker brannte das Feuer, und das Kätterle mußte eines jämmerlichen Todes sterben. Zum Andenken an das schöne Kätterle ist dasselbe brennend am Rathaus zu Kitzingen abgebildet, und im Volk lebt noch ein Sprüchwort von ihm, denn wenn ein Kind zu nah an den Ofen tritt, so sagt man warnend: Hüte dich, daß es dir nicht ergehe wie dem Kätterle von Kitzingen. 812. Die BilseicheBei Albertshofen im Forst, zwischen Kitzingen und Dettelbach, ist ein verrufener und unheimlicher Platz von ziemlicher Ausdehnung, den man insgemein die Bilseiche nennt. In der Mitte dieses Platzes standen drei große uralte Eichen, von denen in neuerer Zeit zwei gefällt sein sollen, eine davon steht aber noch, und man nennt sie die Bils- oder Bildseiche. In der alten Heidenzeit sollen auf jenem Platze große Versammlungen gehalten und Opfer errichtet worden sein. Jetzt lärmt und pfeift es dort oft, als wenn der wilde Jäger an der Stätte hausete, und niemand betritt, ohne Schauer zu empfinden, diesen Platz. Nicht weit davon ist ein Brunnen, welcher der Weihbrunnen heißt, da sollen in uralten Zeiten besondere Weihungen vorgenommen worden sein. Dieses Wasser rühmt das Volk als sehr gut und heilkräftig gegen Fieber. 813. Casteller SageAuf der alten Burg Castell in Franken, dem Stammhaus eines noch blühenden Reichsgrafengeschlechtes, haben die Geister keine Bewohner geduldet. Die Herrschaft hat sich's vieles Geld kosten lassen und hat Leute droben schlafen lassen, aber niemand hat vermocht, es auszuhalten, und so ist die alte Stammburg verlassen worden und verfallen. In dieser Burg Castell ist ein Brunnen, des Tiefe reicht von der Bergeshöhe bis zum Grunde und hat Zusammenhang mit dem Gründlersloch. Eine Ente, welche in den Casteller Schloßbrunnen gelassen ward, kam im Gründlersloch wieder zum Vorschein, eine halbe Stunde weit von dem Schlosse. Dieses Loch duldet keine Leichname, obschon sich viele darin ersäuft haben, es läßt auch keinen Stein in sich niedersinken, sondern wirft ihn aus. Dabei ist's unergründlich. Bei Gereuth oder Greuth, ganz nahe bei Castell, ruht im Schoß der Erde ein versunkenes Dorf. Auch dessen Glocke, wie die so vieler andern, wühlten Schweine aus. 814. Eule legt DukatenZu Prichsenstadt in Franken hat vordessen ein Mann gewohnt, der hatte in seiner Oberstube, wie allgemein die Rede ging, eine Ohreule, die legte ihm alle Tage, wie ein Huhn sein Ei legt, einen Dukaten. Das war hübsch von der Eule, aber umsonst geschieht dergleichen Wunder nicht, und mochte wohl ein Aber mit selbem Nachtvogel haben. Der Mann hatte nun Geldes vollauf, denn die fleißige Eule hatte jahrelang gelegt und starb nicht, und der Mann hatte endlich Gründe, zu wünschen, die Eule los zu sein, denn es war die Zeit bald um. Und da dachte er, du willst die Eule wegschenken, und als einstmals eine Frau zu ihm kam, die einen Tragkorb auf dem Rücken hatte, so setzte er ihr die Eule heimlich in den Korb. Aber siehe da, plötzlich sank die Frau in die Kniee und schrie: Ach was Schweres liegt denn in meinem Korbe? und riß den Korb von der Schulter und schaute in die tückischen feurigen Augen des Ungetüms und schrie: Jesus, Maria, Joseph! Da fauchte die Eule, gleich einer Katze, und flog aus dem Korbe, und die Frau raffte ihren Korb an sich und entwich. Nachher hat der Mann die Eule behalten müssen und konnte sie nimmermehr loswerden, nicht verschenken, nicht verkaufen, nicht töten, und als eines Morgens die Türe seines Schlafgemachs lange verschlossen blieb und er nicht zum Vorschein kam, so ward die Türe erbrochen, und da lag er tot auf seinem Lager, und die Eule saß auf seinem blutigen Kopfe und hatte ihm die Augen ausgehackt, als welches gar schrecklich anzusehen war, und war so groß wie der größte Steinadler und flog durch die geöffnete Türe alsbald fauchend von dannen. Für solche Eule lobt sich doch wohl mancher die Dukatenmännchen, die sie zu Nürnberg und Sonneberg machen, die fügen keinem ein Leid zu und bringen auch die Seele in keine Gefahr, dafür legen sie auch keine Dukaten, sondern tun nur so. 815. Die Zollner von der HallburgÜber Volkach am Main stand eine Ritterfeste, die Hallburg geheißen, und deren Besitzer nannten sich die Zollner. Wahrscheinlich zöllnerten sie ein wenig bezüglich der Mainschiffahrt, daher der unadelige Name. Ohnweit der Burg steht auf dem Kirchberge noch eine sehr alte gut erhaltene Kirche. Einst zogen zwei Zollner von der Hallburg, Brüder, in das Heilige Land, der eine war vermählt, der andere unvermählt, und kämpften tapfer gegen die Sarazenen, unterlagen aber in einer Schlacht der Übermacht und wurden gefangen. Lange trugen sie im dunkeln Kerker schwere Ketten, und endlich wurden sie, da sie Christum nicht abschwören wollten, zum Tode verurteilt. Ein türkisches Mädchen, des Kerkermeisters Tochter, war heimlich dem Christenglauben zugeneigt und vergoß viele Tränen über der armen Ritter nahen Tod; ja sie bat dieselben, sie in ihr letztes Gebet mit einzuschließen. Darauf haben die Ritter noch einmal recht inbrünstig im Kerker gebetet, und zwar zur wundertätigen Maria auf ihrem Kirchberge in der fernen Heimat, und haben nicht vergessen, auch die junge Türkin in ihr Gebet mit einzuschließen. Dann sind sie beide ruhig entschlummert, und es erschien ihnen die Maria vom Kirchberg im Traume und winkte ihnen. In derselben Nacht träumte auch der verlassenen Herrin auf der Hallburg, die Madonna ihrer Kirche winke sie zu sich. Und da machte die Frau sich am andern Morgen auf, einen stillen Bittgang zur Kapelle zu tun. Und wie sie hinkam, da fand sie vor der Türe zwei Männer in Sklaventracht und in Ketten und ein jung Mägdlein in des Morgenlandes Tracht in Schlummer sitzen, und der eine war ihr Mann. Ihr lauter Freudenruf erweckte die Schläfer, die blickten staunend umher und wußten nicht, wo sie waren, bis die Männer die Gegend und der eine in der Edelfrau sein Weib wiedererkannte, und alle warfen sich vor dem wundertätigen Bilde voll frommgläubigen Dankes anbetend nieder. Dann wurde die junge Türkin des jüngern Zollners von der Hallburg Hausfrau, nachdem sie feierlich in derselben Kirche zur Christin geweiht worden, und zum ewigen Gedächtnis ward für die Kirche ein Bildwerk verfertigt, das schnitzte ein kunstvoller Hirte derselben Gegend, welches noch vorhanden. Darauf erblickt man alle Personen, die jenes hohe Wunder berührt, in halber Größe; die Antlitze der Ritter sind leidensvoll, und dieselben Ketten und Fußblöcke, die sie im Kerker getragen, und die bei ihrer wunderbaren Entrückung nach der fernen abendländischen Heimat noch an ihnen hingen, dann aber abfielen, sind den Bildern der Ritter angelegt. Fragte nun ein Ungläubiger spöttelnd nach solchen Wunders Möglichkeit, so erwidert ihm der Mund der Sage: Konnte der Teufel Christum selbst auf einen hohen Berggipfel führen sowie den Herzog Heinrich den Löwen in einer Fahrt übers Meer tragen, warum sollte nicht die heilige Jungfrau ein noch höheres Wunder zu üben vermocht haben? 816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze LollusIn den alten Zeiten lag die Stadt Schweinfurt nicht da, wo sie jetzt liegt, sondern eine Strecke weiter aufwärts am Main, da, wo man noch eine Anzahl Gärten und Weinberge die alte Stadt nennt. Viele der Weinbergslagen haben noch bis heute die einstigen Benennungen, welche die Straßen führten, als da Häuser standen, wo jetzt Reben- und Obstbaumpflanzungen grünen. So die Herdgasse, vielleicht von den Viehherden, die langen Schranken, wo der ehemalige Turnierplatz sich befunden haben soll. Dort steht auch im Tannengarten die grüne Tanne, welche genau den Platz bezeichnet, wo vorzeiten das Wirtshaus zum Tannenbaum stand, ein Baum, der stets neu gepflanzt wird, wenn der alte abstirbt, damit das Andenken nicht erlösche. Unter der alten Stadt sollen noch große Schätze und Kostbarkeiten liegen; wer sie zu finden und zu heben wüßte, könnte sehr glücklich werden. Bei den langen Schranken kam auch einst ein Wasserfräulein zum Turnei und Tanz; ein Ritter kämpfte für sie, entzündet vom Reiz ihrer Schönheit. Da lächelte sie mit rotem Mund ihrem Ritter minneseligen Dank, aber da hatte sie grüne Zähne, und jener schrak von ihr hinweg. Lachend rutschte die Wasserminne zum nahen Main und tauchte lustig in die Flut hinab. Im Bereich der alten Stadt, und zwar nicht weit von den langen Schranken, liegt ein Platz, den nennt das Volk den Lollus. Dort war ein heiliger Hain, darin soll in einer Umzäunung ein ehern Götzenbild gestanden haben, welches die Einwohner mit unblutigen Opfern, Trauben und Früchten des Feldes, ehrten. Das Bildnis hieß Lollus und soll gestaltet gewesen sein als ein nackter geschürzter Jüngling, im vollen Lockenhaar, einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und einen über die Brust. Es hob die rechte Hand zum Munde, faßte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Zunge und hielt in der linken einen Becher empor, aus welchem Kornähren sproßten. Über diesen Lollus haben die Gelehrten mancherlei von alledem geschrieben, was sie so eigentlich nicht von ihm wußten. Hernach, als der heilige Kilian in das Frankenland gekommen und das Heidentum allda ausgerottet hat, ist das Bild hinweggekommen und in den Main versenkt worden. Viele Einwohner wurden Christen, und diese waren es, welche das Bild des Loll in das Mainbette versenkten. Als aber einige Jahre später der fromme Glaubensapostel zu Würzburg seinen Martyrertod gefunden, fielen die meisten Bewohner der Gegend wieder ab, ließen sich ein neues Götzenbild des Loll aus Erz gießen und stellten es an dem Orte zur Verehrung auf, den man jetzt das kleine Löllein nennt. Später jedoch ward auch dieses Bild vernichtet. Eigentümlich ist es, daß vom Götzen Lollus nur an einem einzigen Ort noch im Bayerlande die Sage wiederkehrt, und zwar zu Großlellen- oder -löllenfeld im Eichstättischen. 817. Die PetersstirneBei Schweinfurt war ein hoher Hügel, da wo das rechte Maingelände von Mainberg her mit seinen reichen Rebenpflanzungen endet, die Petersstirne genannt; darauf hatte vor alters eine Burg und später dann ein Kloster gestanden. Jetzt durchschneidet sie die Eisenbahn, bei deren Bau sich viele Menschenknochen gefunden haben. Von dieser Petersstirn gehen mancherlei Sagen im Munde des Volkes um. Viele haben schon zu verschiedener Zeit und Stunde drei Jungfrauen in schneeweißen Kleidern auf diesen Mauertrümmern sitzen sehen. Einer Frau aus Schweinfurt erschienen einst diese drei Jungfrauen im Traume und sagten ihr an, sie möge auf die Petersstirn gehen und dort einen Schatz heben. Sehr frühzeitig erwachte die Frau, kleidete sich an und ward von einer wahren Sehnsucht nach jenem Orte erfüllt, dem sie unverweilt zueilte. Schon stand sie am Fuße des Berges, als die ersten Strahlen der Morgensonne jene Mauertrümmer und das kleine Häuschen vergoldeten, welches daneben für die Weinbergshüter erbaut stand; da erblickte sie droben die drei Jungfrauen gerade so, wie sie ihr im Traume erschienen waren, freundlich winkend. Aber der wunderbare Anblick dieser geisterhaften Wesen erschreckte die Frau auf den Tod, so daß sie bewußtlos niedersank. Andere Weinbergsleute fanden sie und brachten sie wieder zum Bewußtsein. Hastig blickte sie nach den drei Jungfrauen, doch diese waren verschwunden. Als die Frau zu ihrem Mann zurückgeführt wurde, schmälte dieser sie aus, daß sie nicht mehr Mut an den Tag gelegt, sie würde ihr und sein Glück gemacht haben. Auch einem Bürger aus Schweinfurt sind auf der Mainleite, dicht über der Petersstirn, da er auf der alten Straße fuhr, in einer stürmischen Novembernacht die drei Jungfrauen, schleierweiß auf der Mauer stehend, erschienen. Und es schauerte ihn, daß er eilend vorüberfuhr. Auf der Petersstirn ist schon oftmals eine Schlange erblickt worden, die trägt auf ihrem Haupte ein goldenes Krönlein. Einst ging ein Hecker (Weinbergsmann) den Berg hinauf, wo noch die geringen Mauerschädel des alten Klosters liegen; da rauschte mit raschem Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die glitzerten und klingelten wie Silber. Der Hecker entsetzte sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmütig an und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die Schlange in die Erde und war ihm aus den Augen und hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu sehen, die Tränen aber, so die Schlange geweint, sind große köstliche Perlen gewesen und haben den Hecker reich gemacht. 818. Die auferstandene FrauAuf dem Schweinfurter Gottesacker ist ein alter Grabstein mit dem lebensgroßen Bildnis einer vornehmen Frau zu sehen, welche ein eingewickeltes Kind zu ihren Füßen liegen hat. Diese war die Frau eines Syndikus Albert. Man sagt von ihr, daß sie sehr schnell und plötzlich gestorben sei, und als ihr Tod erfolgt war, wurde sie unter einem Schwibbogen, in welchem sich ihr Familienbegräbnis befand, beigesetzt. Ihr zurückgelassener Gatte betrauerte sie sehr aufrichtig. Es ging ihm aber wie dem Herrn Richmuth von Andocht zu Köln. Der Totengräber, ein habgieriger Mann, hatte an dem Finger der Leiche einen kostbaren Ring bemerkt, den er der Toten nicht lassen wollte; er machte sich daher des Nachts heimlich auf, hob den Sargdeckel ab und wollte der Leiche den Ring vom Finger ziehen; da richtete sich diese plötzlich auf. Entsetzt lief der Totengräber davon; die Frau im weißen Totengewande entstieg ihrem Sarg, wandelte von hinnen und kam ruhigen Ganges vor ihr Haus, wo sie anläutete. Eine Magd sieht zum Fenster hinaus: Wer da? Ich bin's, die Frau! Öffne! Schreiend stürzt die Dienerin zu ihrem Herrn: Die Frau ist unten an der Türe, ich habe sie an der Stimme erkannt! Der Herr schüttelt ungläubig den Kopf und läßt seinen Diener hinaussehen. Öffne mir um Gottes willen! Ich komme um vor Kälte! Da eilt auch der Diener rasch zum Herrn: Es ist die Frau, ich erkenne sie an ihrer Stimme! Der Herr aber sagte: Ihr seid Toren und dümmer wie das Vieh! Wenn meine Pferde zum Fenster hinaussähen, würden sie gescheiter antworten als ihr! Kaum ist das Wort gesprochen, so kommt es mit Gelärm und Gepolter die Treppe herauf und stampft und trappt und wiehert die Pferde sind's zur Stube herein, und sie stecken die Köpfe durch die Fenster, daß die Scheiben klirren und die Flügelbänder brechen, und beide sehen vom Vorsaal hinab zum Fenster hinaus und wiehern. Nun läßt der Herr, erschrocken, schleunig öffnen, und die halberstarrte Frau wird zu Bette gebracht und geneset bald darauf eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten nicht lange mehr, und die erste wurde zum zweiten Male begraben und beiden dieser Grabstein zum Andenken gesetzt. Alle Jahre am ersten Ostertage ist eine wahre Wallfahrt nach dem Gottesacker, der dann prächtig mit herrlichen Blumen geschmückt ist, aber das erste, was man den Kindern zeigt und was sie alle gerne sehen wollen, ist die wiedererstandene Frau mit ihrem Kinde. 819. Die heilige Jungfrau schützt MünnerstadtIm Dreißigjährigen Kriege, und zwar im Jahre 1641, wurde Münnerstadt, zwischen Schweinfurt und Neustadt unter der Salzburg gelegen, von den Schweden unter Anführung des weimarischen Generals Rosa hart bedrängt und belagert. Der Feind hatte auf dem Karlsberg seine Verschanzungen und begann von ihm aus die Stadt zu beschießen. In dieser war eine fromme Brüderschaft zum heiligen Rosenkranz, die in solcher Bedrängnis heiße Gebete um Rettung zum Himmel sandte. Als nun die Kanonade vom Karlsberge herab am heftigsten wurde, offenbarte sich ein göttliches Wunder; denn die heilige Jungfrau erschien in ihrer Glorie, umschwebt von Engeln, im langen weißen Gewande und himmelblauen Mantel auf den Mauern und fing die feindlichen Kugeln auf. Darüber verwunderten und entsetzten sich die Schweden, hoben die Belagerung auf und zogen von dannen. Zum Gedächtnis dieser wunderbaren Rettung feiert Münnerstadt bis heute noch ein Dankfest mit feierlichem Gottesdienst und einer Prozession, während welcher die Stadttore geschlossen werden. Und am Marienaltar in der überaus schönen Pfarrkirche künden wohlklingende lateinische Distichen der Nachwelt dieses Ereignis, welche mit dem heiligen Rosenkranz, der Himmelsrose Maria und dem Namen des feindlichen Feldherrn, Rosa, anmutig wortspielen. Auch in das städtische Wappen und in das Siegel der Marienrosenkranzbrüderschaft zu Münnerstadt ward der Madonna Bild mit dem göttlichen Sohne über der getürmten Torpforte aufgenommen. |
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