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Till Eulenspiegel
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Wie Eulenspiegel in Leipzig den Kürschnern eine lebende Katze in ein Hasenfell nähte und sie in einem Sack als lebendigen Hasen verkaufte

EULENSPIEGEL konnte sich schnell einen guten Streich ausdenken, was er den Kürschnern in Leipzig am Fastnachtsabend bewies, als sie zusammen ihr Zechgelage abhielten. Diesmal hätten sie gern Wildbret dazu gehabt. Das vernahm Eulenspiegel und dachte in seinem Sinn: der Kürschner in Berlin hat dir nichts für deine Arbeit gegeben; das sollen dir diese Kürschner bezahlen. Also ging er in seine Herberge. Dort hatte sein Wirt eine schöne, fette Katze. Diese nahm Eulenspiegel unter seinen Rock und bat den Koch um ein Hasenfell, er wolle damit einen hübschen Schelmenstreich ausführen.

Der Koch gab ihm ein Hasenfell, darin nähte Eulenspiegel die Katze ein. Dann zog er Bauernkleider an, stellte sich vor das Rathaus und hielt sein Wildbret so lange unter der Joppe verborgen, bis einer der Kürschner daherkam. Den fragte Eulenspiegel, ob er nicht einen guten Hasen kaufen wolle und ließ ihn den Hasen unter der Joppe sehen. Da einigten sie sich, daß er ihm vier Silbergroschen für den Hasen gab und sechs Pfennige für den alten Sack, in dem der Hase steckte. Den trug der Kürschner in seines Zunftmeisters Haus, wo sie beieinander waren mit großem Lärmen und viel Fröhlichkeit, und sagte, daß er den schönsten lebendigen Hasen gekauft habe, den er seit Jahren gesehen habe. Alle betasteten ihn der Reihe nach.

Da sie nun den Hasen erst zur Fastnacht haben wollten, ließen sie ihn in einem eingezäunten Grasgarten umherlaufen, holten Jagdhunde und wollten Kurzweil bei der Hasenjagd haben.

Als nun die Kürschner zusammenkamen, ließen sie den Hasen los und die Hunde dem Hasen nachlaufen. Da der Hase nicht schnell laufen konnte, sprang er auf einen Baum, rief: "Miau!" und wäre gern wieder zu Hause gewesen. Als das die Kürschner vernahmen, riefen sie ungestüm: "Kommt, kommt! Lauft schnell, ihr lieben, guten Zunftgenossen! Der uns mit der Katze geäfft hat: schlagt ihn tot!"

Dabei blieb es aber. Denn Eulenspiegel hatte seine Kleider ausgezogen und sich so verändert, daß sie ihn nicht erkannten.

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Wie Eulenspiegel in Braunschweig auf dem Damme einem Ledergerber Leder sott mit Stühlen und Bänken

ALS EULENSPIEGEL von Leipzig wegreiste, kam er nach Braunschweig zu einem Gerber, der Leder für die Schuhmacher gerbte. Es war Winterszeit, und Eulenspiegel dachte: du sollst es bei diesem Gerber diesen Winter aushalten. Und er verdingte sich bei dem Gerber als Geselle. Als er nun acht Tage bei dem Gerber gewesen war, da fügte es sich, daß der Gerber als Gast essen wollte. Eulenspiegel sollte an diesem Tag Leder gar machen. Da sagte der Gerber zu Eulenspiegel: "Siede den Zuber voll Leder gar!" Eulenspiegel sprach: "Ja, was soll ich für Holz dazu nehmen?" Der Gerber sagte: "Was soll diese Frage? Wenn ich kein Holz in den Holzstapeln hätte, so hätte ich wohl noch so viele Stühle und Bänke, womit du das Leder gar machen könntest." Eulenspiegel sagte ja, es sei gut.

Der Gerber ging zu Gast. Eulenspiegel hängte einen Kessel übers Feuer, steckte das Leder hinein, eine Haut nach der andern, und sott das Leder so gar, daß es unter den Fingern zerfiel. Während Eulenspiegel das Leder gar sott, zerschlug er alle Stühle und Bänke, die im Hause waren, steckte sie unter den Kessel und sott das Leder noch mehr. Als das geschehen war, nahm er das Leder aus dem Kessel und legte es auf einen Haufen. Dann ging er aus dem Hause vor die Stadt und wanderte hinweg.

Der Gerber dachte an nichts Böses, trank den ganzen Tag und ging des Abends trunken zu Bett. Am Morgen verlangte ihn zu wissen, wie sein Geselle das Leder gegerbt hatte. Er stand auf und ging in das Gerbhaus. Da fand er das Leder übergar gesotten und in Haus und Hof weder Bänke noch Stühle. Er wurde ganz verzweifelt, ging in die Kammer zu seiner Frau und sprach: "Frau, hier ist Schlimmes zu sehen! Ich glaube, unser Geselle ist Eulenspiegel gewesen, denn er pflegt alles das zu tun, was man ihn heißet. Er ist hinweg, hat aber alle unsere Stühle und Bänke ins Feuer geworfen und das Leder damit zersotten." Die Frau fing an zu weinen und sagte: "Folge ihm geschwind und eilig nach und hole ihn wieder zurück!" Der Gerber sprach: "Nein, ich begehre seiner nicht wieder. Er bleibe nur aus, bis ich nach ihm schicke."

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Wie Eulenspiegel in Lübeck den Weinzäpfer betrog, als er ihm eine Kanne Wasser für eine Kanne Wein gab

EULENSPIEGEL sah sich klüglich vor, als er nach Lübeck kam, und verhielt sich gebührlich, damit er dort niemandem einen Streich spielte, denn es herrschte in Lübeck ein strenges Recht. Nun war zu der Zeit im Ratskeller in Lübeck ein Weinzäpfer, der war ein sehr hochmütiger und stolzer Mann. Ihn dünkte, niemand sei so klug wie er. Er war dreist genug, von sich selber zu sagen und von sich sagen zu lassen: ihn gelüste es, den Mann zu sehen, der ihn betrügen und in seiner Klugheit überlisten könne. Darum war er bei vielen Bürgern unbeliebt.

Als nun Eulenspiegel von diesem Übermut des Weinzäpfers hörte, konnte er den Schalk nicht länger verbergen und dachte: das mußt du versuchen, was er kann. Und er nahm zwei Kannen, die beide gleich waren, und goß in eine Kanne Wasser und ließ die andere Kanne leer. Die Kanne, in der das Wasser war, trug er unter dem Rock verborgen, die leere trug er offen. Mit den Kannen ging er in den Weinkeller und ließ sich ein Maß Wein einmessen. Die Kanne mit dem Wein nahm er unter den Rock, zog die Kanne mit dem Wasser hervor und setzte sie auf die Zapfbank, ohne daß es der Weinzäpfer sah. Dann sprach er: "Weinzäpfer, was kostet das Maß Wein?" Der Weinzäpfer sagte: "Zehn Pfennige." Eulenspiegel sprach: "Der Wein ist mir zu teuer, ich habe nicht mehr als sechs Pfennige, kann ich ihn dafür haben?" Der Weinzäpfer wurde zornig und sagte: "Willst du meinen Ratsherren den Weinpreis vorschreiben? Das ist hier ein Kauf nach festgesetzten Preisen. Wem das nicht gefällt, der lasse den Wein im Ratskeller." Eulenspiegel sprach: "Das muß ich wohl lernen. Ich habe sechs Pfennige, wollt Ihr die nicht, so gießt den Wein wieder aus!"

Da nahm der Weinzäpfer in seinem Zorn die Kanne und meinte, es sei der Wein. Aber es war das Wasser, und er goß es oben zum Spundloch wieder hinein und sprach: "Was bist du für ein Tor! Lässest dir Wein einmessen und kannst ihn nicht bezahlen!" Eulenspiegel nahm die Kanne, ging hinaus und sagte: "Ich sehe wohl, daß du ein Tor bist. Es ist niemand so klug, daß er nicht von Toren betrogen würde, auch wenn er ein Weinzäpfer ist." Und damit ging er hinweg. Die Kanne mit dem Wein trug er unter dem Mantel, und die leere Kanne, in der das Wasser gewesen war, trug er offen.

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Wie man Eulenspiegel in Lübeck henken wollte und wie er mit behender Schalkheit davonkam

LAMBRECHT, der Weinzäpfer, dachte über die Worte nach, die Eulenspiegel sagte, als er den Keller verließ. Er ging hin, nahm sich einen Stadtwächter, lief Eulenspiegel nach und holte ihn auf der Straße ein. Der Büttel griff ihn an, und sie fanden die zwei Kannen bei ihm, die leere Kanne und die Kanne, worin der Wein war. Da klagten sie ihn als einen Dieb an und führten ihn in das Gefängnis.

Etliche meinten, er habe den Galgen verdient; etliche sprachen, es sei nicht mehr als ein ausgeklügelter Streich, und sie meinten, der Weinzäpfer hätte sich vorsehen sollen, denn er habe ja gesagt, daß ihn niemand betrügen könne. Eulenspiegel habe das nur getan wegen der großen Vermessenheit des Weinzäpfers. Aber diejenigen, die Eulenspiegel nicht leiden konnten, sprachen, es sei Diebstahl, er müsse deshalb hängen. So wurde über ihn das Urteil gesprochen: Tod durch den Galgen.

Als der Tag der Urteilsvollstreckung kam und man Eulenspiegel vor die Stadt führen und henken sollte, da entstand eine lärmende Unruhe über die ganze Stadt. Jedermann war zu Roß oder zu Fuß auf der Straße. Der Rat von Lübeck befürchtete, daß er um Freigabe des Gefangenen gebeten und veranlaßt werde, Eulenspiegel nicht henken zu lassen. Etliche wollten sehen, was für ein Ende er nähme, nachdem er ein so abenteuerlicher Mensch gewesen war. Andere meinten, er verstünde etwas von der schwarzen Kunst und würde sich damit befreien. Aber der größte Teil gönnte ihm, daß er frei würde.

Während der Ausfahrt vor die Stadt war Eulenspiegel ganz still und sprach kein Wort, so daß sich jedermann über ihn wunderte und meinte, er sei verzweifelt. Das dauerte bis an den Galgen. Da tat er den Mund auf, rief den ganzen Rat zu sich und bat ihn demütig, ihm eine Bitte zu gewähren. Er wolle weder um Leib noch um Leben bitten noch um Geld oder Gut; weder um sonst eine Wohltat, noch um ewige Messen, ewige Spenden oder ewiges Gedenken; sondern nur um eine geringe Sache, die ohne Schaden zu tun sei und die der ehrbare Rat von Lübeck leichtlich tun könne ohne einen Pfennig Kosten. Die Ratsherren traten zusammen und gingen zur Seite, um darüber Rat zu halten. Und sie einigten sich, ihm seine Bitte zu gewähren, nachdem er vorher ausdrücklich gesagt hatte, worum er nicht bitten wolle. Manche von ihnen verlangte es sehr zu erfahren, um was er bitten würde. Sie sprachen zu ihm: seine Bitte solle erfüllt werden, sofern er nichts von den Dingen erbäte, die er ausgenommen habe. Wenn er damit einverstanden sei, so wollten sie ihm seine Bitte gewähren.

Eulenspiegel sprach: "Um die Dinge, die ich vorhin aufgezählt habe, will ich Euch nicht bitten. Wollt Ihr mir aber das halten, worum ich Euch bitte, so bestätigt mir das durch Handschlag!" Das taten sie alle zusammen und gelobten ihm das mit Hand und Mund.

Da sprach Eulenspiegel: "Ihr ehrbaren Herren von Lübeck! Ihr habt es mir gelobt, und ich bitte um dies: Wenn ich gehenkt worden bin, sollen der Weinzäpfer und der Henker drei Tage lang jeden Morgen kommen, und zwar der Weinschenk zuerst und der Henker danach, und mich nüchtern küssen mit dem Mund in den Arsch." Da spuckten sie aus und sagten, das sei keine geziemende Bitte. Eulenspiegel sprach: "Ich halte den ehrbaren Rat von Lübeck für so redlich, daß er hält, was er mir zugesagt hat mit Hand und Mund." Sie gingen alle darüber nochmals zu Rat, und aus Gnade und aus anderen zu seinen Gunsten sprechenden Gründen wurde beschlossen, ihn laufen zu lassen.

Also reiste Eulenspiegel von dannen nach Helmstedt, und man sah ihn nicht wieder in Lübeck.

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