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Till Eulenspiegel
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Wie sich Eulenspiegel bei einem Pfarrer verdingte und wie er ihm die gebratenen Hühner vom Spieß aß

IN DEM Lande Braunschweig liegt im Stift Magdeburg das Dorf Büddenstedt. Dort kam Eulenspiegel in des Pfaffen Haus. Der Pfaffe dingte ihn als Knecht, kannte ihn aber nicht. Und er sprach zu ihm, er solle gute Tage und einen guten Dienst bei ihm haben; essen und solle er das Beste, ebensogut wie seine Haushälterin. Alles, was er tun rnüsse, könne er mit halber Arbeit tun. Eulenspiegel sagte ja dazu, er wolle sich danach richten. Und er sah, daß des Paffen Köchin nur ein Auge hatte. Die Haushälterin schlachtete gleich zwei Hühner, steckte sie zum Braten an den Spieß und hieß Eulenspiegel, sich zum Herd zu setzen und die Hühner umzuwenden. Eulenspiegel war dazu bereit und wendete die zwei Hühner am Feuer um.

Und als sie gar gebraten waren, dachte er: Als der Pfaffe mich dingte, sagte er doch, ich solle so gut essen und trinken wie er und seine Köchin; das könnte bei diesen Hühnern nicht in Erfüllung gehen; und dann würden des Pfaffen Worte nicht wahr sein, und ich äße auch von den gebratenen Hühnern nicht; ich will so klug sein und davon essen, damit seine Worte wahr bleiben. Und er nahm das eine Huhn vom Spieß und aß es ohne Brot.

Als es Essenszeit werden wollte, kam des Pfaffen einäugige Haushälterin zum Feuer und wollte die Hühner beträufeln. Da sah sie, daß nur ein Huhn am Spieß steckte, und sagte zu Eulenspiegel: "Der Hühner waren doch zwei! Wo ist das eine hingekommen?" Eulenspiegel sprach: "Frau, tut Euer anderes Auge auch auf, dann seht Ihr alle beide Hühner." Als er so über die Köchin wegen ihres einen Auges herzog, wurde sie unwillig und zürnte Eulenspiegel. Sie lief zum Pfaffen und erzählte ihm, wie sein feiner Knecht sie verspottet habe wegen ihres einen Auges. Sie habe zwei Hühner an den Spieß gesteckt, aber nicht mehr als ein Huhn vorgefunden, als sie nachsah, wie er briet.

Der Pfaffe ging in die Küche zum Feuer und sprach zu Eulenspiegel: "Was spottest du über meine Magd? Ich sehe sehr gut, daß nur ein Huhn am Spieß steckt, und es sind ihrer doch zwei gewesen." Eulenspiegel sagte: "Ja, es sind ihrer zwei gewesen." Der Pfaffe sprach: "Wo ist denn das andere geblieben?" Eulenspiegel sagte: "Das steckt doch da! Tut Eure beiden Augen auf, so seht Ihr, daß ein Huhn am Spieß steckt! Das sagte ich auch zu Eurer Köchin; da wurde sie zornig." Da fing der Pfaffe an zu lachen und sprach: "Meine Magd kann nicht beide Augen aufmachen, denn sie hat nur eins." Da sprach Eulenspiegel: "Herr, das sagt Ihr, nicht ich." Der Pfaffe meinte: "Das ist geschehen, und dabei bleibt es; aber das eine Huhn ist dennoch weg." Eulenspiegel sprach: "Nun ja, das eine ist weg und das andere steckt noch. Ich habe das eine gegessen, da Ihr gesagt hattet, ich sollte ebenso gut essen und trinken wie Ihr und Eure Magd. Es tat mir leid, daß Ihr gelogen haben würdet, wenn Ihr die beiden Hühner miteinander gegessen hättet und ich nichts davon bekommen hätte. Damit Ihr an Euren Worten nicht zum Lügner würdet, aß ich das eine Huhn auf." Der Pfaffe war damit zufrieden und sprach: "Mein lieber Knecht, es ist mir nicht um einen Braten zu tun; aber künftig tue nach dem Willen meiner Haushälterin, wie sie es gern sieht." Eulenspiegel sagte: "ja, lieber Herr, gewiß, wie Ihr mich heißet."

Was danach die Haushälterin Eulenspiegel tun hieß, das tat er nur zur Hälfte. Wenn er einen Eimer mit Wasser holen sollte, so brachte er ihn halb voll, und wenn er zwei Stücke Holz fürs Feuer holen sollte, so brachte er ein Stück. Sollte er dem Stier zwei Bunde Heu geben, so gab er ihm nur eins, sollte er ein Maß Wein aus dem Wirtshaus bringen, so brachte er ein halbes. Dergleichen tat er in vielen Dingen. Die Köchin merkte wohl, daß er ihr das zum Verdruß tat. Aber sie wollte ihm selbst nichts sagen, sondern beklagte sich über ihn bei dem Pfaffen. Da sagte der Pfaffe zu Eulenspiegel: "Lieber Knecht, meine Magd klagt über dich, und ich bat dich doch, alles zu tun, was sie gern sieht." Eulenspiegel sprach: "Ja, Herr, ich habe auch nichts anderes getan, als was Ihr mich geheißen habt. Ihr sagtet mir, ich könne Euren Dienst mit halber Arbeit tun. Und Eure Magd sähe gern mit beiden Augen, aber sie sieht doch nur mit einem Auge. Sie sieht nur halb, also tue ich halbe Arbeit." Der Pfaffe lachte, aber die Haushälterin wurde zornig und sprach: "Herr, wenn Ihr diesen nichtsnutzigen Schalk länger als Knecht behalten wollt, so gehe ich von Euch fort." So mußte der Pfaffe seinem Knecht Eulenspiegel gegen seinen Willen den Abschied geben.

Doch verhandelte er mit den Bauern, denn der Küster des Dorfes war kürzlich gestorben. Und da die Bauern einen Küster nicht entbehren konnten, beriet und einigte sich der Pfaffe mit ihnen, daß sie Eulenspiegel zum Küster machten.

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Wie Eulenspiegel in dem Dorf Büddenstedt Küster wurde und wie der Pfarrer in die Kirche schiß, so daß Eulenspiegel eine Tonne Bier damit gewann

ALS EULENSPIEGEL in dem Dorf Küster geworden war, konnte er laut singen, wie es sich für einen Mesner gehört. Nachdem der Pfaffe mit Eulenspiegel wieder einen Küster hatte, stand er einmal vor dem Altar, zog sich an und wollte die Messe halten. Eulenspiegel stand hinter ihm und ordnete ihm sein Meßgewand. Da ließ der Pfaffe einen großen Furz, so daß es durch die ganze Kirche schallte. Da sprach Eulenspiegel: "Herr, wie ist das? Opfert Ihr dies unserm Herrn statt Weihrauch hier vor dem Altar?" Der Pfaffe sagte: "Was fragst du danach? Das ist meine Kirche. Ich habe die Macht, mitten in die Kirche zu scheißen." Eulenspiegel sprach: "Das soll Euch und mir eine Tonne Bier gelten, ob Ihr das tun könnt." Der Pfaffe sagte: "ja, das soll gelten." Sie wetteten miteinander und der Pfaffe sprach: "Meinst du, daß ich nicht so keck bin?" Und er kehrte sich um, machte einen großen Haufen in die Kirche und sprach: "Sieh, Herr Küster, ich habe die Tonne Bier gewonnen." Eulenspiegel sagte: "Nein, Herr, erst wollen wir messen, ob es mitten in der Kirche ist, wie Ihr sagtet." Eulenspiegel maß es aus: da fehlte wohl ein Viertel bis zu Mitte der Kirche. Also gewann Eulenspiegel die Tonne Bier.

Da wurde die Haushälterin des Pfaffen wiederum zornig und sprach: "Ihr wollt von dem schalkhaftigen Knecht nicht lassen, bis daß er Euch durchaus in Schande bringt."

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Wie Eulenspiegel in der Ostermesse ein Spiel machte, daß sich der Pfarrer und seine Haushälterin mit den Bauern rauften und schlugen

ALS OSTERN nahte, sagte der Pfarrer zu seinem Küster Eulenspiegel: "Es ist hier Sitte, daß die Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe aufersteht." Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten. Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er sprach zu dem Pfarrer: "Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd dazu leihen. Die kann schreiben und lesen." Der Pfarrer sagte: "Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen." Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch dazu auswendig. Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.

Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam - sie waren als Marien angezogen -, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: "Quem quaeritis? Wen suchet Ihr hier?" Da sprach der eine Bauer - die vorderste Marie -, wie ihn Eulenspiegel gelehrt hatte: "Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure." Als die Magd hörte, daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll. Als das der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm vor dem Grabe. Als das die anderen Bauern sahen, liefen sie hinzu, und es entstand ein großes Geschrei. Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten, lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.

Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht. Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie einen anderen Küster hernahmen!

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Wie Eulenspiegel in Magdeburg verkündete, vom Rathauserker fliegen zu wollen, und wie er die Zuschauer mit Spottreden zurückwies

BALD NACH dieser Zeit, als Eulenspiegel ein Küster gewesen war, kam er in die Stadt Magdeburg und vollführte dort viele Streiche. Davon wurde sein Name so bekannt, daß man von Eulenspiegel allerhand zu erzählen wußte. Die angesehensten Bürger der Stadt baten ihn, er solle etwas Abenteuerliches und Gauklerisches treiben. Da sagte er, er wolle das tun und auf das Rathaus steigen und vom Erker herabfliegen. Nun erhob sich ein Geschrei in der ganzen Stadt. jung und alt versammelten sich auf dem Markt und wollten sehen, wie er flog.

Eulenspiegel stand auf dem Erker des Rathauses, bewegte die Arme und gebärdete sich, als ob er fliegen wolle. Die Leute standen, rissen Augen und Mäuler auf und meinten tatsächlich, daß er fliegen würde. Da begann Eulenspiegel zu lachen und rief: "Ich meinte, es gäbe keinen Toren oder Narren in der Welt außer mir. Nun sehe ich aber, daß hier die ganze Stadt voller Toren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, daß ihr fliegen wolltet, ich glaubte es nicht. Aber ihr glaubt mir, einem Toren! Wie sollte ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel! Auch habe ich keine Fittiche, und ohne Fittiche oder Federn kann niemand fliegen. Nun seht ihr wohl, daß es erlogen ist."

Damit kehrte er sich um, lief vom Erker und ließ das Volk stehen. Die einen fluchten, die anderen lachten und sagten: "Ist er auch ein Schalksnarr, so hat er dennoch wahr gesprochen!"

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