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Ludwig Bechstein: Märchen
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Die drei Hochzeitsgäste

ES WAREN in einem Dorfe drei Hofhunde, die hielten gute Nachbarschaft miteinander. Da sollte eine große Bauernhochzeit sein; dazu war alt und jung geladen, und es wurde gekocht und gebacken, gesotten und gebraten, daß der Geruch durchs ganze Dorf zog. Auch die drei Hunde rochen den feinen Dunst und beratschlagten, wie sie auch hin zur Hochzeit gehen konnten, und ob nichts für sie abfallen werde. Aber um unnützes Aufsehen zu vermeiden, beschlossen sie, nicht alle drei auf einmal hinzulaufen, sondern einzeln, einer nach dem andern. Der erste ging, machte sich in das Schlachthaus, schnappte rasch ein großes Stück Fleisch und wollte damit seiner Wege gehen. Aber er wurde erwischt und bekam eine fürchterliche Tracht Prügel, außerdem riß man ihm das Stück Fleisch aus den Zähnen.

So kam er hungrig und übelgelaunt zurück auf den Hof. Seine Nachbarsgesellen hungerten schon nach guter Nachricht und fragten: "Nun, wie ist es dir ergangen?" Nun schämte sich der Hund, die Wahrheit zu gestehen, daß sein Hochzeitsmahl in einer scharfgesalzenen Prügelsuppe bestanden hatte und sagte: "Ganz gut! Aber es geht dort scharf her, und einer muß hart und weich vertragen können!"

Die Kameraden, als sie das hörten, vermeinten, er werde über alle Maßen gegessen und getrunken auf der Hochzeit, und es fallen viele gute Bröcklein ab, harte und weiche, Fleisch und Bein, und alsbald rannte der zweite Hund in großen Sprüngen nach dem Hochzeitshaus, direkt in die Küche und nahm, was er fand. Aber ehe er noch den Rückweg fand, war er schon bemerkt, und es wurde ihm ein Topf voll siedend heißen Wassers über den Rücken gegossen, daß es nur so dampfte, als er davonschoß wie ein Pudel, der aus dem Wasser kommt; doch obwohl es ihn auch schrecklich brannte, er verbiß seinen Schmerz.

Als er nun auf den Hof kam, wo die beiden Kamcraden seiner harrten, fragten die gleich: "Nun, wie hat es dir gefallen?" -"Ganz gut!" antwortete der Hund, "aber es geht dort heiß her, und da muß einer kalt und warm vertragen können!"

Da dachte der dritte Hund: Die Hochzeitsgäste sind beim Schmaus in voller Arbeit, und kalte und warme Speisen wechseln ab. Er wollte daher nichts versäumen und wenigstens zum Nachtisch da sein, wenn der mürbe Kuchen aufgetragen wurde. Kaum aber war er im Hause, so erwischte ihn einer, klemmte ihm den Schwanz zwischen die Stubentür, gerbte ihm das Fell windelweich, bis sich die Haut vom Schwanz ablöste und der Hund jaulend davonkam.

"Nun, wie hat es dir auf der Hochzeit gefallen?" fragten die Freunde, jeder mit etwas Spott im Herzen. Der Übelzugerichtete zog seinen geschundenen Schwanz, so gut es gehen wollte, zwischen die Beine, daß man ihn nicht sah, und sprach: "Ganz wohl, es ging recht toll her und es gab viel Mürbes, aber Haare lassen muß einer können."

Und da dachten die drei Hunde noch lange daran, wie wohl ihnen die Hochzeitssuppe, die Hochzeitsbrühe und der Hochzeitskuchen geschmeckt hatte, und vom Braten hat jeder genug gerochen.

Die drei Hunde

EIN SCHÄFER hinterließ seinen beiden Kindern, einem Sohn und einer Tochter, nichts als drei Schafe und ein Häuschen, und sprach auf seinem Totenbett: "Teilt euch geschwisterlich darein, daß nicht Hader und Zank zwischen euch entstehe." Als der Schäfer nun gestorben war, fragte der Bruder die Schwester, welches sie lieber wollte, die Schafe oder das Häuschen? Und als sie das Häuschen wählte, sagte er: "So nehm' ich die Schafe und gehe in die weite Welt: es hat schon mancher sein Glück gefunden, und ich bin ein Sonntagskind." Er ging darauf mit seinem Erbteil fort; das Glück wollte ihm jedoch lange nicht begegnen. Einst saß er recht verdrießlich an einem Kreuzweg, ungewiß, wohin er sich wenden wollte; auf einmal sah er einen Mann neben sich, der hatte drei schwarze Hunde, von denen der eine immer größer als der andere war. "Ei, junger Gesell", sagte der Mann, "Ihr habt da drei schöne Schafe. Wißt Ihr was, gebt mir die Schafe, ich wie Euch meine Hunde dafür geben." Trotz seiner Traurigkeit mußte jener lachen. "Was soll ich mit Euren Hunden tun?" fragte er; "meine Schafe ernähren sich selbst, die Hunde aber wollen gefüttert sein." - "Meine Hunde sind von absonderlicher Art", antwortete der Fremde; "sie ernähren Euch, statt Ihr sie, und werden Euer Glück machen. Der Kleinere da heißt: 'Bring Speisen', der zweite 'zerreiß'n', und der große Starke 'brich Stahl und Eisen'." Der Schäfer ließ sich endlich beschwatzen und gab seine Schafe hin. Um die Eigenschaft seiner Hunde zu prüfen, sprach er: "Bring Speisen!" und alsbald lief der eine Hund fort und kam zurück mit einem großen Korb voll der herrlichsten Speisen. Den Schäfer gereute nun der Tausch nicht; er ließ sich's wohl sein und zog lange im Lande umher.

Einst begegnete ihm ein Wagen mit zwei Pferden bespannt und ganz mit schwarzen Decken bekleidet und auch der Kutscher war schwarz angetan. In dem Wagen saß ein wunderschönes Mädchen in einem schwarzen Gewande, das weinte bitterlich. Die Pferde trabten traurig und langsam und hingen die Köpfe. "Kutscher, was bedeutet das?" fragte der Schäfer. Der Kutscher antwortete unwirsch, jener aber ließ nicht nach zu fragen, bis der Kutscher erzählte, es hause ein großer Drache in der Gegend, dem habe man, um sich vor seinen Verwüstungen zu sichern, eine Jungfrau als jährlichen Tribut versprechen müssen, die er mit Haut und Haar verschlingt. Das Los entscheide allemal unter den vierzehnjährigen Jungfrauen und diesmal habe es die Königstochter betroffen. Darüber sei der König und das ganze Land in tiefster Betrübnis und doch müsse der Drache sein Opfer erhalten. Der Schäfer fühlte Mitleid mit dem schönen jungen Mädchen und folgte dem Wagen. Dieser hielt endlich an einem hohen Berge. Die Jungfrau stieg aus und schritt langsam ihrem schrecklichen Schicksal entgegen. Der Kutscher sah nun, daß der fremde Mann ihr folgen wollte, und warnte ihn, der Schäfer ließ sich jedoch nicht abwendig machen. Als sie die Hälfte des Berges erstiegen hatten, kam vom Gipfel herab ein schreckliches Untier mit einem Schuppenleib, Flügel und ungeheuren Krallen an den Füßen; aus seinem Rachen loderte ein glühender Schwefelstrom und schon wollte es sich auf seine Beute stürzen, da rief der Schäfer: "Zerreiß'n!" und der zweite seiner Hunde stürzte sich auf den Drachen, biß sich in der Weiche desselben fest und setzte ihm so zu, daß das Ungeheuer endlich niedersank und sein giftiges Leben aushauchte; der Hund aber fraß ihn völlig auf, daß nichts übrigblieb als ein Paar Zähne, die steckte der Schäfer zu sich. Die Königstochter war ganz ohnmächtig vor Schreck und vor Freude, der Schäfer erweckte sie wieder zum Leben, und nun sank sie ihrem Retter zu Füßen und bat ihn flehentlich, mit zu ihrem Vater zu kommen, der ihn reich belohnen werde. Der Jüngling antwortete, er wolle sich erst in der Welt umsehen, nach drei Jahren aber wiederkommen. Und bei diesem Entschluß blieb er. Die Jungfrau setzte sich wieder in den Wagen, und der Schäfer ging eines anderen Weges fort.

Der Kutscher aber war auf böse Gedanken gekommen. Als sie über eine Brücke fuhren, unter der ein großer Strom floß, hielt er still, wandte sich zur Königstochter und sprach: "Euer Retter ist fort und begehrt Eures Dankes nicht. Es wäre schön von Euch, wenn Ihr einen armen Menschen glücklich machtet. Saget deshalb Eurem Vater, daß ich den Drachen umgebracht habe; wollt Ihr aber das nicht, so werf' ich Euch hier in den Strom und niemand wird nach Euch fragen, denn es heißt, der Drache habe Euch verschlungen." Die Jungfrau wehklagte und flehte, aber vergeblich; sie mußte endlich schwören, den Kutscher für ihren Retter auszugeben und keiner Seele das Geheimnis verraten. So fuhren sie in die Stadt zurück, wo alles außer sich vor Entzücken war; die schwarzen Fahnen wurden von den Türmen genommen und bunte daraufgesteckt, und der König umarmte mit Freudentränen seine Tochter und ihren vermeintlichen Retter. "Du hast nicht nur mein Kind, sondern das ganze Land von einer großen Plage errettet", sprach er. "Darum ist es auch billig, daß ich dich belohne. Meine Tochter soll deine Gemahlin werden; da sie aber noch allzu jung ist, so soll die Hochzeit erst in einem Jahr sein." Der Kutscher dankte, ward prächtig gekleidet, zum Edelmann gemacht und in allen feinen Sitten, die sein nunmehriger Stand erforderte, unterwiesen. Die Königstochter aber erschrak heftig und weinte bitterlich, als sie dies vernahm, und wagte doch nicht, ihren Schwur zu brechen. Als das Jahr um war, konnte sie nichts erreichen, als die Frist noch eines Jahres. Auch dies ging zu Ende und sie warf sich dem Vater zu Füßen und bat um noch ein Jahr, denn sie dachte an das Versprechen ihres wirklichen Erretters. Der König konnte ihrem Flehen nicht widerstehen und gewährte ihr die Bitte, mit dem Zusatz jedoch, daß dies die letzte Frist sei, die er ihr gestattete. Wie schnell verrann die Zeit! Der Trauungstag war nun festgesetzt, auf den Türmen wehten rote Fahnen, und das Volk war im Jubel.

An demselben geschah es, daß ein Fremder mit drei Hunden in die Stadt kam. Der fragte nach der Ursache der allgemeinen Freude und erfuhr, daß die Königstochter eben mit dem Manne vermählt werde, der den schrecklichen Drachen erschlagen. Der Fremde schalt diesen Mann einen Betrüger, der sich mit fremden Federn schmücke. Aber er wurde von der Wache ergriffen und in ein enges Gefängnis mit eisernen Türen geworfen. Als er nun so auf seinem Strohbündel lag und sein trauriges Geschick überdachte, glaubte er plötzlich draußen das Winseln seiner Hunde zu hören; da dämmerte ein Lichter Gedanke in ihm auf. "Brich Stahl und Eisen!" rief er so laut er konnte, und alsbald sah er die Tatzen seines größten Hundes an dem Gitterfenster, durch welches das Tageslicht spärlich in seine Zelle fiel. Das Gitter brach, und der Hund sprang in die Zelle und zerbiß die Ketten, mit denen sein Herr gefesselt war; darauf sprang er wieder hinaus, und sein Herr folgte ihm. Nun war er zwar frei, aber der Gedanke schmerzte ihn sehr, daß ein anderer seinen Lohn ernten solle. Es hungerte ihn auch und er rief seinen Hund an: "Bring Speisen!" Bald darauf kam der Hund mit einer Serviette voll köstlicher Speisen zurück; in die Serviette war eine Königskrone gestickt.

Der König hatte eben mit seinem ganzen Hofstaat an der Tafel gesessen, als der Hund erschienen war und der bräutlichen Jungfrau bittend die Hand geleckt hatte. Mit freudigem Schreck hatte sie den Hund erkannt und ihm die eigene Serviette umgebunden. Sie sah dies als einen Wink des Himmels an, bat den Vater um einige Worte und vertraute ihm das ganze Geheimnis. Der König sandte einen Boten dem Hunde nach, der bald darauf den Fremden in des Königs Kabinett brachte. Der König führte ihn an der Hand in den Saal; der ehemalige Kutscher erblaßte bei seinem Anblick und bat kniend um Gnade. Die Königstochter erkannte den Fremdling als ihren Retter, der sich noch überdies durch die Drachenzähne, die er noch bei sich trug, auswies. Der Kutscher ward in einen tiefen Kerker geworfen, und der Schäfer nahm seine Stelle an der Seite der Königstochter ein. Diesmal bat sie nicht um Aufschub der Trauung. Das junge Ehepaar lebte schon eine geraume Zeit in wonniglichem Glück, da gedachte der ehemalige Schäfer seiner armen Schwester und sprach den Wunsch aus, ihr von seinem Glück mitzuteilen. Er sandte auch einen Wagen fort, sie zu holen, und es dauerte nicht lange, so lag sie an der Brust ihres Bruders. Da begann einer der Hunde zu sprechen und sagte: "Unsere Zeit ist nun um; du bedarfst unser nicht mehr. Wir blieben nur so lange bei dir, um zu sehen, ob du auch im Glück deine Schwester nicht vergessen würdest." Darauf verwandelten sich die Hunde in drei Vögel und verschwanden in den Lüften.

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Ludwig Bechstein Märchen, Literatur  

Bechstein, Ludwig. Sämtliche Märchen. Düsseldorf: Patmos/Albatross Verlag, 1999.

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