10. Der Pilatus und die HerdmanndliIn der ganzen Schweiz, im Berner und Luberner Land, im Haslithal, und fast allenthalben gehen Sagen von Zwergen und und den Zwergen, die sonst in seinem Geklüft wohnten, die heißen Herdmanndli. Der Pilatus das ist der rechte und wahre Broch- oder Brockenberg der Schweiz, auf wälsch Frarmont (mons fractus) geheißen, auf lateinisch aber mons pileatus, Hut-Berg, weil im Land die bekannte Rede geht: Hat der Pilatus einen Hut Aber es geht die Sage, daß nach Christi unseres Herrn Leiden, Tod und Auferstehung der römische Landpfleger Pilatus in dieses Land gezogen sei, oder gar, daß der Satan seinen Leichnam hergetragen, und da habe er am Berge den ungeheuerlichen See gefunden, der hat weder Zu- noch Abfluß, und ist wegen der unergründlichen Tiefe schwarz und gräßlich anzusehen, ein unheimlicher Moorgrund. Lange hat die Sage gelebt, daß wer etwas in den See werfe, alsbald ein heftiges Unwetter mit Hagel und Wolkenbrüchen errege, wie auch das Gewässer den Krienser Boden und Luzern, die Stadt, in den Jahren 1332 und 1475 in große Noth gebracht, darum hat man Fremde nicht gern hinzugelassen, und das Hineinwerfen von Steinen oder Holz bei Leib- und Lebensstrafe verboten. In diesen See habe sich der römische Lamdpfleger gestürzt, weil sein Gewissen ihn fort und fort gepeinigt, andere sagen, der Teufel habe ihn hinein gesteckt. Die Herdmanndli, die wohnten vielfach in der Pilatus-Höhle, die hoch oben liegt, tief und schaurig. Sie waren den Menschen gar gut und hülfreich, gar "gespässige Lüeth" wie die Hirten sagen, sie verrichteten Nachts der Menschen Arbeit; kamen vom Berg auch herunter in die Thäler, schafften und ackerten redlich, und ein Herdmanndli konnte mehr verrichten, als zehn Meister mit allen Knechten. Aber sehen ließen sich die Manndli wunderselten, und auch da hatten sie lange graue Kutten an, die bis auf die Erde reichten, daß man nimmer ihre Füße sah. einem Hirten begegnete es, daß er einen reichtragenden Kirschbaum oben am Berge hatte, dem pflückten die geschäftigen Zweiglein die Kirschen ab und brachten sie zum Trocknen auf die Hürten, daß hernach gutes Kirschwasser gebrannt werden konnte, der Hirt war daber neugierig, zumal mocht' er gern die Füße der Herdmanndli sehen, war her und streute Asche rings um den Baum, als die Früchte im nächsten Jahre wieder reiften. Die Herdmanndli kamen, pflückten redlich die Kirschen ab, und am Morgen sah der Hirt ihrer Füßlein Spur in der Asche. Es waren eitel kleine Gänsefüße. Der Hirte lachte, und sagt' es freudig seinen Genossen an, daß er nun wisse was für Füße die Herdmanndli haben. Die Zwerge ergrimmten, zerbrachen des Hirten Dach und Fach, versprengten seine Heerde, zerknickten dem Kirschbaum Ast um Ast, und ihrer keines kam jemals wieder herunter, den Menschen hülfreich zu sein. Sie blieben droben in ihrer tiefen Höhle und in ihrem Geklüft wohnen. Der Hirte aber wurde ganz tiefsinnig, schlich bleich umher, und hat nicht lange gelebt.
11. Die Bergmanndli schützen Heerden und FischeDie Bergzwerge schätzen und lieben die Gemsen, sie wollen nicht, daß die Jäger sie tödten, und manchem Alpenjäger ist es deshalb schon gar schlecht ergangen. Guten Jägern, denen sie wohl wollten, haben sie wohl auch das eine und das andre Stück z'weg gestellt, der durft' aber denn bei Leib und Leben nit mehr schießen, als mit den Bergmanndli veraccordirt war, sonst schmissen sie ihn die Felsen hinunter und bließen ihm das Lebenslicht aus elendiglich. Da war einmal ein Gemsjäger, der verstieg sich hoch in die Felsen, auf einmal stand ein eisgraues Bergmanndli vor ihm da, und sprach ihn zornig an: was verfolgst du meine Heerde? – Der Jäger war ganz erschrocken und sprach: hab' ich doch nit gewußt, daß die Gemsen dein sind. – Sprach der Berggeist: du sollst jede Woche vor deiner Hütte ein Gratthier finden, aber du hütest dich und schießest mir kein andres. – So geschah's, der Jäger fand alle Wochen den frischen Braten, der macht' ihm aber gar keine Freud', er konnte die Jagdluft nicht bezwingen, stieg wieder hinauf zu Berg und Holz, ward auch bald eines Gemsen-Leitbocks ansichtig, auf den legte er rasch an, zielte und schoß – aber wie er losdrückte, hob sich hinter ihm der Berggeist aus dem Boden, und zog ihm die Haren unterm Leib weg, daß er niederstürzte, und in den Abgrund hinunter schmetterte. In Malters saß ein Untervogt, der hieß Hans Bucher, der wollt auch gern einmal ein Herdmanndli sehen; war gar ein eifriger Fischer und Jäger, aber sonst ein frommer Mann, stieg eines Tages hinauf am Pilatus, folgte dem Rümligbach und wollte gern Forellen fangen, da sprang ihm jählings ein Herdmanndli hinterwärts auf den Rücken und drückte ihn mit solcher Gewalt mit dem Gesicht in den Bach nieder, daß er schier vermeinte, er müsse versaufen. Dabei sagte das Herdmanndli zürnend: ich will dir wohl lehren, meine Thierlein fangen und jagen. – Als der Untervogt nach Hause kam, war er halb todt und sah im Gesicht aus, wie der Tod von Ypern; war auch auf der einen Seite erlahmt, und kam nimmermehr auf den Berg zu jagen oder zu fischen. In Obwalden war ein alter Landammann, der hieß Heinrich Immlin, der hat selbst erzählt, wie er einmal zum Pilatus hinangestiegen auf die Gemsjagd, da begegnete ihm ein Zwegmanndli, und heischte, er solle flugs umkehren. Nun ist der Landammann ein starker stattlicher Mann gewesen, der spottete des Zwergs und sagte: He, du wirst wohl große Macht haben, mir was zu wehren! – Kaum gesagt, so sprang ihn der Zwerg an, drückt' ihn an einen Felsen, schwer wie ein Pferd, daß ihm schier die Seele ausfuhr, und die Sinne ihm vergingen. Lag da eine halbe Stunde für todt, bis die Seinen ihn fanden, erquickten und heimführten.
12. Die Herdmanndli ziehen wegEs ist schon viel gesagt, wie gut gegen die guten Menschen die Berglütlenen des Pilatus waren; kleine, zwei Fuß hohe Männlein mit grünen oder grauen Röckchen, mit Füßen, die man nicht sah, langem Silberbart bis zur Erde herunter, die hüteten das edle Gestein im Berge, waren den Menschen hülfreich, kamen wohl auch und begehrten Speise, liebten insonderheit das Schweinefleisch, und wer ihnen gab, hatte es gut und erfreute sich ihrer Gunst. Wenn ihnen die Sennerinnen etwas Milch bei Seite stellten, so molken und fütterten sie, und waren ganz heimisch bei den Mägden; sie konnten auch wahrsagen aus Karten und Händen, und waren geschickt zu allen Dingen, aber erzürnen durfte man sie nicht. Wem sie im Sommer beim Heuen halfen, der konnte zufrieden sein, sie mehreten das Heu wunderbar. Manchmal sahen sie auch dem Heuen zu und halfen nicht. Einstmals verdroß das einem Heuer, der machte mit noch einem Kameraden, bevor die Arbeit anging, ein Feuer auf den Felsstein, darauf die Herdmanndli zu sitzen und zuzusehn pflegten, und kehrten dann geschwind Asche und Kohlen vom heißen Steine weg. Als die Manndli kamen und den Stein betraten, verbrannten sie sich ihre Füße. Da schrien sie überlaut. O böse Welt! O böse Welt! – und kamen nimmermehr wieder. So auch kamen Bergmanndli vom Pilatus ins Haslithal von der Flüh herunter, den Heuern zuzuschauen; die waren gewohnt sich auf die Aeste und Zweige eines schattigen Ahornbaumes zu setzen. Das merkten Schälke und sägten die Aeste knapp durch, daß die armen Manndli herunterfielen. Da erhuben sie ein jämmerlich Geschrei und riefen: O wie ist der Himmel so hoch! Und nachher hat sich im Haslithal niemals wieder eins sehen lassen.
13. Der DürstUm den moorigen See auf dem Pilatus und im ganzen Berggehege tobt der Dürst, das ist der Wilde Nachtjäger, wie in Thüringen, im Voigtland und am Harz, der hat zur Gesellschaft auch ein gespenstig Weib, wie der Hackelberg die Tutosel, der wilde Jäger Thüringens die Frau Holle, und der Voigtlands die Frau Berchta, die heißen sie drunten im Entlibuch, hart an des Bergstocks Westwand: das Posterli, und in Luzern kennen sie die Sträggele, die, wie die Hollefrau und die wilde Berchta den faulen Mägden die Rocken wirrt. Mit gar wildem Saus und Braus führt der Dürst über die Almen daher, reißt und rüttelt an den Sennhütten, bricht mächtige Baumstämme, wirft Felsen in die Gründe, und führt wohl auch Kühe mit sich hoch in die Luft, die nimmer wieder herunter kommen oder halbtodt und ausgemolken etwa erst am dritten Tag. Wenn ein Hirte das gewahr wurde, konnt' er noch Einhalt thun durch den Alpsegen, wenn er den zeitig durch einen Milchtrichter rief, daß der Dürst ihn noch hören konnte, so sank die entführte Kuh ganz sanft wieder auf die Matte nieder. Auf der Bründler Alp über Eigenthal kann man wohl noch heute den Alpsegen im Abendruf der Sennhirten vernehmen, der lautet gar wunderbar durch die Feierstille der Natur, wie Orgeltöne und Glockenklang, und wiederhallt aus allen klüften die Flichbanden nieder, wie Geistermusik. Das ist der Ruf und der Segen: Ho – ho – ho – öh – ho! – ho – hi – ho – ho! Ho lebe! ho lobe! – Nehmet alle Tritt in Gottes Namen, in unsrer lieben Frauen Namen! Lobi Jesus, Jesus, Jesus Christ! Ave Maria! Ave Maria! Ave Maria! Ach lieber Herr Jesus Christ, behüt gott aller Leib, Seel, Ehr' und Gut, was in die Alp gehören thut. Das walt' Gott und unsre herzliebe Frau, das walt' Gott und der heilige Sankt Wendel! Das walt' Gott und der heilige Sankt Asntoni! Das walt' Gott und der heilige Sankt Loy! – (Aloysius.)
14. Von Drachen und LindwürmenAuf dem hohen Pilatus hat es Drachen und Lindwürmer vollauf gegeben, die haus'ten in unzugänglichen Höhlen und Schluchten des gewaltigen Alpenbergstocks. Oft haben Schiffer auf den Seen sie mit feurigen Rachen und langen Feuerschweifen vom Pilatus herüber nach dem Rigi fliegen sehen. Solch ein Drache flog einstmals in der Nacht vom Rigi zurück nach dem Pilatus; ein Bauer, der von Horn bürtig, die Heerden hüthete, sah ihn, und da ließ der Drache einen Stein herunterfallen, der war wie eine Kugel geformt und glühend heiß; der war gut gegen allerlei Krankheit, wenn man davon eine Messerspitze voll abschabte und dem Kranken eingab. Zu andrer Zeit hat man einen grauslichgroßen Drachen aus dem Luzerner See die Reuß hinaufschwimmen sehen. Einstmals ging ein Binder oder Küfer aus Luzern auf den Pilatus, Reisholz und Holz zu Faßdauben zu suchen; er verrirrte sich, und die Nacht überfiel ihn, mit einem Male fiel er in eine tiefe Schlucht hinab. Drunten war es schlammig, und als es Tag wurde, sah er zwei Eingänge in der Tiefe zu großen Höhlen, und in jeder dieser Höhlen saß ein gräulicher Lindwurm. Diese Würmer flös'ten ihm viel Furcht ein, aber sie thaten ihm kein Leid; sie leckten bisweilen an den feuchten salzigen Felsen, und das mußte der Küfer auch thun, damit fristete er sein Leben und das dauerte einen ganzen Winter lang. als der Frühling ins Land kam, machte sich der größte Lindwurm auf, und flog aus dem feuchten Loche heraus mit großem Rauschen; der andre kleinere kroch immer um den Küfer herum, liebkoste ihn gleichsam, als wolle er ihm zu verstehen geben, daß er doch auch mit heraus sollte. Der arme Mann gelobte Gott und dem heiligen Leodager in die Stiftskirche im Hof zu Luzern ein schönes Meßgewand, wenn er der Drachengrube entrinne, und als der zweite Drache sich anschickte, aufzufliegen, hing er sich ihm an den Schweif und fuhr mit auf, kam also wieder an das Licht, ließ sich oben los und fand sich wieder zu den Seinen. Doch lebte er nicht lange mehr, weil er der Nahrung ganz entwöhnt war, hielt aber Wort und sein Gelübde, ließ ein prächtiges Meßgewand fertigen, darauf die ganze Begebenheit sticken und alles in das Kirchenbuch einzeichnen. Es soll diese Wundergeschichte sich ereignet haben 1410 oder 1420, und vom 6. November des einen Jahres bis zum 10. April des folgenden hauste der Küfer bei den Lindwürmern.
15. Winkelried und der LindwurmZu Wylen, einem Dorfe, nicht weit vom Pilatus, saß ein Mann, der hieß Winkelried, und in der Nähe droben am Berge hauste ein schädlicher Lindwurm, der fraß Menschen und Vieh, und verödete den ganzen Landstrich, so daß ihn die Umwohner Deb-Wyler nannten. Nun hatte der Einwohner Winkelried ob einer Mordthat Leib und Leben verwirkt, und war flüchtig worden, der sandte Botschaft, daß er, wenn man ihn wieder annehmen wolle, Muth habe, den Lindwurm zu bestehen. Diesen Kampf vergönnte man ihm gern, er bewahrte sich gut mit scharfem Schwert, und statt des Schildes hielt er in der linken Hand eine Dornwelle. Diese stieß er dem Drachen, so wie der auf ihn losfuhr, in den weitaufgesperrten Rachen hinein. Das waren dem Lindwurm zu viele Zahnstocher auf einmal; er wand und krümmte sich, und so wie Winkelried eine Blöße sah, stieß er ihm mit sichrer Hand das Schwert in den Leib. Der Lindwurm sank todt nieder, von seinem Blute troff Winkelrieds Schwert, der schwang es hoch und freudig als Sieger und hatte sein Leben gewonnen, aber nur um es alsbald zu verlieren. Denn vom Schwert ab floß das Drachenblut und rann ihm über die Hand und den Arm, das brannte alsbald, wie Feuer der Hölle, und der Held starb an diesem Brand. Da Land hatte er befreit, das Drachenloch wird noch heute gezeigt. Ein andres Drachenloch zeigt man bei Burgdorf mitten im Berner Lande. Es zogen zwei Herzoge von Lenzburg aus zu jagen, die waren Brüder und hießen Syntram und Bertram, oder nach andern Guntram und Waltram, und kamen in einem wilden Wald an ein wüstes Geklüft, darin lag ein ungeheurer Drache, der ebenfalls die Landschaft umher zur Einöde machte. Als der die jungen Jäger gewahrte, fuhr er alsbald auf sie los und schlang den Bertram, den jüngsten, mit Haut und Haar durch seinen weiten Schlund hinab, Syntram aber fiel voll Muth den Drachen an, hieb ihm den Kopf ab, schnitt ihm den Leib auf, und half seinen Bruder, der noch lebendig war, heraus. Danach ließen die Brüder der heiligen Margaretha zu Ehren eine Kapelle an dem Orte erbauen und die That durch ein Bild verewigen.
16. Kastelen AlpeAuf der Kastelen Alpe wohnte ein reicher Bauer, der hatte viele Heerden und Matten, und drunten in Kriens hatte er eine arme Muhme, die war Wittwe, hatte nur eine einzige Tochter und nährte sich mit dieser gar kümmerlich, lag auch schwer an der Gicht darnieder. Da entschloß sich das Meidli hinauf auf die Alp zum reichen Vetter zu gehen, und ihn um eine Unterstützung anzusprechen. Da stieg ein schrecklich Gewitter am Himmel auf, als sie auf der Alpe ankam, ihr aber ward kein Trost und keine Gabe, nur Hohn und Scheltworte, und sie ließen droben auch trotz des drohenden Wetters das Mägdlein wieder fort gehen. Das kam tüchtig in das Wetter und erreichte mit Noth die Hütte eines Sennen, das war ihr Bube Aloys, der hatte noch einen kleinen Käs, den gab er ihr für sie und ihre Mutter. Raschen Schrittes eilte die Dirne abwärts, da glitt sie auf der glatten Trifft, fiel hin, und der Käs wollte in die Tiefe, unaufhaltbar in unzugängliche Felsklüfte. Weinend und kummervoll schaute die arme Dirne dem entrollten Käse nach, da faßte etwas ihre Hand, und sie erschrak zum Tode, und bei ihr stand so ein klein winziges graues Herdmanndli, das hatte auf seiner Schulter das verloren gegangene Stückchen Alpenkäse, etwa so groß wie ein Viertelsmühlstein, und in der Hand ein Büschel Kräuter, und sprach: magst den Käs' mit heim nehmen, und deiner Mutter von den Kräutern einen Thee kochen, sollst nicht mehr hülflos weinen. – hoch droben im Gebirg aber tobte das Unwetter noch fort, über alle Maaßen grülich, und war ein Donnern, Tosen und Krachen, als ginge die Welt unter. Wie das Maidli zu Mutter kam, war der Käs ein Stück so schweres Gold geworden, und vom Kräuter-Thee wurde die Mutter ganz gesund. Ueber die Kastelen Alp aber hatte sich im Gewitter ein Bergsturz geschüttet, bis Matten verwüstet, die Heerden erschlagen und ein Stein, etwa so groß wie ein Alpenkäs hatte dem geizigen Vetter einen Fuß abgeschlagen. Später ist er noch zu seiner Muhme Hause gehinkt gekommen und hat gebettelt.
17. Blümelis-AlpeIm Berner Oberland liegt ein Bergzug, die Klariden geheißen, darauf waren herrliche Weiden, alle voll der kräftigsten Alpenkräuter und Blumen, so daß jede Kuh des Tages dreimal gemolken werden konnte und jedes Melken dritthalb Maas in den Milcheimer gab. Da war auch eine Alp, die war absonderlich schön, triftreich, und ganz voll Blumen, deswegen hieß mn sie auch die Blümelis-Alp. Darauf hatte ein reicher Hirte sein Haus, das war ihm weit nicht schön genug, wollt's schöner haben, baut' ein großes neues, baute eine Treppe von eitel Käsen, darüber ging er mit seiner liebsten Sennerin, seinem Hund und seiner Kuh, und wenn die Käsetreppe schmutzig geworden war, so ließ er sie mit Milch abwaschen. Im Thale wohnte des Hirten fromme Mutter, die wußte nichts von ihres Sohnes Frevel und gottlosem Thun, ging einmal eines Sonntags hinauf auf die Blümelis-Alpe, wollte die Sennerei besuchen, und erdürstete sehr, bat deshalb, als sie kam, um einen Labetrank. Die Sennerin sah die Alte gar ungern kommen, und der Sohn desgleichen, und beide fürchteten deren Vorwürfe, und wollten sie gern bald wieder hinab haben. Und als die Alte trank, fand sie, daß eine ruchlose Hand auf die Milch gestreut hatte. Da wandte sich die Alte alsbald von hinnen, schritt die Alpe hinunter, stand drunten still, hob die Hände empor und verwünschte die Gottlosen. Alsbald brach ein Wetter los, wie wenn der jüngste Tag käme und der kam auch für die Blümelis-Alp und für Alles, was auf ihr lebte, Hirt und Sennerin, Kuh und Hund – Haus und Gehöft – Alles fand seinen Untergang, und über die Alpe lagerten sich Gletschereis und Felsentrümmern. Auf diesem öden Gefild spukte nachher der Geist des Hirten umher und klagte: "Ich und mein Kathryn, Es geht die Sage, diese umirrenden Geister wären zu erlösen, wenn einmal an einem Charfreitag eine frommer Senne die gespenstige Kuh ganz stillschweigend ausmelke, der Dornen an den Handschuhen habe. Einstmal wagt' es einer, ob die Kuh sich wegen der Dornen noch so wild stellte, und hatte schon den Eimer halb voll. Da klopft' ihn ein Mann auf die Schulter, und fragte: schäumt's auch wacker? – Der Senn vergaß des Schweigens Bedingung und sagte: o ja, es schäumt wohl. – Da riß mit einem Ruck die Kuh sich los, trat den Eimer um, und verschwand, und die Geister der Blümelis-Alp blieben unerlöst. 18. Der ewige Jude auf dem MatterhornHoch im Alpengebirge, ohnweit Wälschlands Grenzen und dem hohen Monte Rosa, des Name schon italienisch genannt wird, hebt sich ein mächtiger Bergstock, das Matterhorn geheißen, darunter liegt der Matterberg mit einem Gletscher, dessen ablaufendes Gewässer die Visper bildet, welche noch ihre Wellen nach deutschem Boden herabrollt. Da droben, wo jetzt nur das Schweigen der Oede lagert, oder das Eis der Gletscher donnernd kracht, habe voreinst, so geht die Sage, eine blühende Stadt gelegen. Dahin sei auf seiner ewig rastlosen Wanderung auch der ewige, oder, wie man in der Schweiz sagt, der laufende Jude gekommen, da haben die Leute ihm angesehen, daß er der laufende Jude war, und kein Mensch habe ihn in sein Haus aufnehmen wollen. So habe der laufende Jude gesagt, indem er bekümmert über der Menschen Härte hinweggegangen: jetzt finde ich hier eine Stadt, und wenn ich werde wieder kommen, wird hier doch wachsen Gras und werden stehen Bäume, und werden liegen große Felsen, und wird nichts mehr zu sehen sein von Häusern und Gassen, Mauern und Thürmen. Und wenn ich nochmal werde kommen wieder, wird hier doch nichts mehr zu sehen sein von Gras und Kräutern, Bäumen und Steinen, sondern als nur Schnee und Eis, und wird liegen, als so lang ich noch muß wandern. – Und alles ist so in Erfüllung gegangen wie der laufende Jude gesagt hat, der wandern muß bis an der Welt Ende, weil er unsern Heiland auf seinem Todtes/gange nicht Ruhe vor seiner Hausthüre vergönnt hat, und wird allemal, wenn er hundert Jahre alt geworden, wieder so jung, wie unser Heiland war, da er nach Golgatha wanderte. Tiefer drunten im Visperthale, wo man von oben herein in das Nicolaithal eingeht, liegt ein Dorf unterm Weißhorn, das heißt Täsch, und über Täsch rechter Hand lag auf sonniger Matte noch ein Dorf gleichen Namens, da stand einmal eine reiche Bäuerin, die hatte überm Feuer einen Kessel mit Anke (Rahm) den sott sie, und sollte gute Butter geben. Da kam ein armer alter Mann herein und bat, sie smöge ihm doch ein Weniges von ihrer Anke zur Speise geben, ihn hungere gar sehr. Geh weg, du Lump! sagte die Frau: hier ist nichts übrig für solche Strohmer. – O Bäuerin! sprach der Mann: hättest du mir etwas gegeben, so hätt' ich deinen Kessel segnen wollen, daß er nimmermehr leer geworden, so aber sei verflucht mit dem ganzen Dorfe! – Und da krachten alsbald droben der Cimagipfel und das Mittaghorn zusammen, und schütteten Fels auf Fels herunter, und der ganze Ort wurde unter Trümmern begraben, und blieb nichts mehr sichtbar, als die Fläche des Kirchenaltars, und über diesen fließt jetzt ein Bächlein aus dem Praborgne-Gletscher, der das Dorf überdeckt, herunter nach Täsch durch die Felsenschluchten in die Visp. 19. Mutter Gottes am FelsenUnterhalb Täsch, wo das Dorf St. Nicolaus das Nicolaital beschließt oder dem, der im Gebirg von unten heraufkommt, eröffnet, hebt sich hoch über St. Nicolaus der Räti mit einer schroffen Felswand gegen das Tal; an dieser Wand steht ein kleines Muttergottesbild von Stein. Früher stand es unten am Weg, da flehte einer zu ihm, blieb aber unerhört, da griff er, als er wiederkam, hin und warf das Bild mit Unrat, und da weinte das Bild. Dennoch warf er's noch einmal, da hob sich das Bild hoch hinauf an die Felswand, dort stand's nun, und niemand konnt' es erlangen. Den Talleuten jammerte das, sie hatten das Bildchen lieb gehabt und es sehr verehrt und mochten's gar zu gern wieder herunter haben. Aber der Felsen an jener Wand war gar zu steil, keiner vermochte daran emporzuklimmen, und keine Leiter reichte zu solcher Höhe. Darauf wurden sie in St. Nicolaus Rates einig, sie wollten's von oben versuchen, und eine Schar erkletterte den Rätigipfel, und sie hatten sich Merkzeichen gemacht, und gerade über dem Bilde wurde nun an starken Seilen ein Mann hinabgelassen, der sollte es heraufholen. Schon war der Mann fast am Bilde, er sah es schon stehen, da sah er, wie das Seil immer dünner wurde, wie ein Bindfaden, und dachte, daß es nicht halten werde und er jämmerlich in den tiefen Abgrund stürzen, und schrie: Zieht auf, zieht auf, der Strick wird dünne! – Sie ließen ihn aber noch immer weiter herab, jetzt war er am Bilde, jetzt hätt' er's nehmen können, aber da war das Seil dünn geworden wie ein Haar, und er schrie nochmals: Um Gottes willen, zieht auf, sonst bin ich verloren! – Da zogen die Männer ihn hinauf, und je weiter er aufwärts kam, je dicker und stärker wurde wieder der Strick. Da nahmen die Leute von St. Nicolaus wahr, daß das Bild am Fels und nicht in einer Kapelle stehen wollte, wie jenes auf dem Milzeberg im Frankenlande auch nicht in einer Kapelle blieb, sondern auf seinem Felsblock am Wallfahrerweg seinen Stand behauptete. |
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