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Deutsches Sagenbuch
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Vorbehalten    Inhalt     

  1. Das Paradies der Tiere
  2. Die Teufelsbrücke
  3. Der Stierenbach
  4. Der Besserstein
  5. Der Kreuzliberg
  6. Die Würfelwiese
  7. Die Basler Uhrglocke
  8. Die Schlangenjungfrau im Heidenloch bei Augst
  9. Herzog Bernhard hält sein Wort
  10. Vom treuen Eckart

20. Das Paradies der Thiere

Hoch droben auf dem Matterberge ist eine Stelle, die aber keiner, oder doch gar selten einer finden kann, die hat der laufende Jud nicht mit verwünschen können, weil sie von Gott gefeit ist vom Anbeginne; da ist kein Schnee und kein Eis, da ist Sonne und Freude, Wonne und Weide, da quillt erst eigentlich mit leisem Gewisper die Visper hervor, die später erst unter dem Alp-Gletscher zu Tage rinnt, dort ist das Paradies der Thiere. Da gibt es herrliche Steinböcke und Gemsen, Adler und Geier, Schneehühner und Birkhähne, auch Murmelthiere und keines beleidigt das andere, alle leben da friedlich beisammen. Nur alle dreimal sieben Jahre darf und kann ein Menschenauge in dieses Bergparadies der Alpenthierwelt blicken, wo es so wonnevoll und schön ist, alles voll Alpenrosen und Gentianen, und von zwanzig Gemsenjägern glückt das auch kaum einem einzigen. Da stehen uralte Pinienbäume und Ahorne, und die Pinien tragen Zapfen, deren Kern süß schmeckt, wie Mandeln, das sind die Zirbelnüsse. wem es glückt, in das Paradies der Thiere zu treten, der darf wohl von den Zirbelnüssen nehmen und kosten, aber nimmermehr ein Thier fangen oder tödten, sonst kostet’s ihm das Leben. Viele haben in die uralten heiligen Platanenstämme zum Zeichen ihres Alldagewesenseins ihre Namen geschnitten. Außerdem sieht man selten noch einen Steinbock und selten eine Pinie, und die stehen hoch und schwer erreichbar. Denn es geht die Sage, daß es zwar deren viele und überall gegeben habe, da habe aber die Dienerschaft immer gern die Nüsse genascht, und darüber und mit Auskernen viel gute Zeit hingebracht und versäumt, da habe die Meisterschaft diese Bäume verwünscht und nun seien sie unfruchtbar geworden, oder unzugänglich. (S. 20)

21. Die Teufelsbrücke

Vom Multhorn, nicht allzufern von St. Gotthard, stürzt sich mit raschem Rollen und unbändigen Sprüngen ein wildes Bergwasser, die Reuß. Ein Alpenhirte liebte eine Sennerin, die er zum öftern besuchte, aber er hatte oft mit dem wilden Fluß seine Not, hinüberzukommen, und mußte doch hinüber und auch wieder herüber zu seiner Hütte und Herde. Als nun einstmals die Reuß recht angeschwollen war und wieder als jemals über die Felsen herabstürzte, da sah der Hirte keine Möglichkeit, hinüber und zu seiner Geliebten zu gelangen, und rief aus: Ei, so wollt' ich, daß der Teufel käme und baute eine Brücke über dich verfluchtiges Wasser. – Und da kam der Teufel gleich hinter einem Felsklumpen hervor und sagte: He! was gibest mir, wenn ich dir die Brücke baue? – He! was soll ich dir geben? fragte der Hirte. – Die erste lebendige Seele, die darüber geht, sagte der Teufel und dachte, es werde niemand schneller sein als der Hirte, hinüberzukommen. Ich bin's zufrieden, sagte der Hirt, und: Topp schlag ein! sagte der Teufel, und der Bub schlug ein. Jetzt baute der Teufel mit Hülfe aller seiner höllischen Geister die Brücke in ganz kurzer Frist, und als sie fertig war, setzte er sich hin und lauerte. Wer aber nicht darüberging, war der Hirtenbub, er jagte vom Gotthardgebirg unterm Hospital eine Gemse auf und trieb sie abwärts, immer der Reuß zu, bis an die Brücke, und da setzte sie flink hinüber. Der Teufel fuhr zu, wurde teufelswild über solches Wild und zerriß die Gemse in Stücken, nachdem er sie hoch in die Luft hinaufgetragen hatte. Nun ging der Hirte ungehindert, sooft er wollte, über die Brücke herüber und hinüber, doch soll es an derselben, die auf ewige Zeiten die Teufelsbrücke heißt, nicht recht geheuer sein, und es geht auch die Sage, der Teufel reiße alle Jahre ein Stück ein, daß immerdar daran gebaut werden müsse.

22. Der Stierenbach

Vom Surenenberge und seiner Alpentrift fließt ein Bächlein, das führt den Namen Stierenbach, und hat es davon im Engelbergstale und im Urner Lande eine gar wundersame Sage. Ein Alpenhirte hatte bei seiner Herde ein Lieblingslamm, wußte gar nicht, was er dem Tiere alles zugute tun sollte, und gab dem Lamme sogar den Namen Christian; das hätte wohl immer noch nicht so viel geschadet, denn Hirten und Schäfer, Kutscher und Eseltreiber nennen ihre Tiere häufig mit solchen Christennamen, wie Hans und Michel, Gret und Liese, aber der Surenenälpler trieb die Affenliebe zu dem Lamm allzuweit, wie verblendet, er taufte das Tier, wie man ein christlich Kind tauft, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit. Darob verzürnete sich der liebe Gott und machte aus dem Lamm ein greulich Ungetüm, das fraß in einem fort, was ihm vorkam, fraß die ganze Alpe kahl, daß kein anderes Stück Vieh ein Hälmlein mehr fand, fraß Tag und Nacht. Bald waren die Engelsberger Triften abgeleert und guter Rat teuer. Da kam zu den Nachbarn, denen von Uri, ein fahrender Schüler, der gab Rat, das böse Untier zu vertreiben, war freilich eine langsame Kunst, und mußte, bevor sie ausgeführt wurde, noch manches Gräslein auf den Alpen wachsen und man cher Tropfen den Bach hinunterrollen. Und das war es, was der fahrende Schüler riet: Ein Stierkalb nehmt ihr, das füttert ihr bei Leib und Leben mit nichts als frischer Milch. Im ersten Jahr von einer Kuh, im zweiten von zwei Kühen und so fort, alle Jahre die Milch von einer Kuh mehr. Nach vollendeten neun Jahren laßt ihr den Ochsen durch eine reine Jungfrau hinauf auf die Alpe führen, dann wird der Ochse mit dem Untier kämpfen und es bezwingen. Das geschahe denn, die Urner erbauten einen Stall, darin sie das Stierkalb aufzogen, des Stelle zeigt man heute noch und nennt sie den Stierengaden. Dann leitete nach vollendeten neun Jahren eine reine Jungfrau denselben zur Alpe hinauf und verließ ihn. Gleich erschien das greuliche Untier, und der Stier stürzte sich auf dasselbe und kämpfte lange und sehr heftig mit ihm, bis er es endlich überwand und zu Tode stieß. Ganz erhitzt von dem Kampfe rann der Stier nach dem Bache hin und trank und trank ohn Ende, bis er hinstürzte und auch tot war. Davon hat der Bach den Namen Stierenbach erlangt, und oberhalb desselben sieht man noch im Felsgestein die Hufe des Stieres eingedrückt, mit denen er sich im Kampfe gegen das ungeheuerliche Bergwunder stemmte.

23. Der Besserstein

Im Aargau, da, wo Reuß und Limmat in die Aar und die Aar in den Rhein fließen, liegt der Geißberg, der trägt auf seinem Gipfel die Trümmer einer Ritterburg. Ein Herr von Villigen baute die Burg auf das schönste und festeste, hatte seine Herzensfreude daran, gedachte in ihr glücklichen Alters froh zu werden und in Leutseligkeit und Güte seinen Untersassen ein treuer Vater zu sein. Fertig stand der Bau, und festlich sollte er eingeweiht werden. Des Bauherrn Söhne und alle Gefreundete rings im Gau waren versammelt, und die Humpen kreisten. Der Ritter von Villigen sprach zu den Söhnen: Da schaut nun, wie gut sich's hier wohnen wird in der Pracht der Gegend, rund um uns her unsre fleißigen Leute und Mannen, mitten im Kreis der Dörfer unser stattliches Burghaus, fest gegen den Feind, offen dem Freund, den Bedrängten ein Schutz, den Dürftigen ein Hospitium! So wollt ich's haben.

Ja, Vater, sprachen die Söhne, das ist traun eine wackre Trutzburg worden; da mag sich das nichtsnutzige Volk auflehnen oder nicht, wir zwingen es von hier aus, wir werden ihm den Fuß auf den Nacken setzen. Von hier aus können wir Zölle legen auf die Flüsse und den Rheinstrom, auf Wege und Stege. Der ganze Gau muß uns tributpflichtig werden, damit unser Gut sich mehre und unser Name ein gefürchteter sei im Rhein- und Schweizerlande. – Als der Herr von Villigen diese Rede seiner Söhne vernahm, war es ihm, als wolle sein Blut stocken und sein Herz brechen, und zürnend brach er aus: Entartete Söhne! So ist euer Sinn? Wartet, den will ich euch bessern! – Und warf seinen vollen Humpen zur Erde, daß er in tausend Scherben zerklirrte. Wie dieser Humpen zertrümmert liegt, so soll dieser stolze Bau, meine Lust und meine Freude, zertrümmert liegen! – Und berief seine Mannen, seine Untersassen, sein ganzes Volk, und hieß sie den neuen Bau abbrechen und verfluchte die Hand, die ihn wiederum zu bauen beginnen werde. Besser Stein, ein wüster Stein, als eine Zwingburg des Volkes und des Gaues, die Schimpf auf den edeln Namen derer von Villigen häuft! rief er – und seitdem liegt auf dem Geißenberge der öde Mauerrest und heißt allwege im Volke der Besserstein.

24. Der Kreuzliberg

Auch im Aargau, ohnweit Baden, wohnte auf einem Burgberge eine Königstochter, die oft zu einem nahen Bühel ging, wo sie im Schatten ruhte und der schönen Landschaft sich freute. Sie wußte aber nicht, daß Geister in dem Bühel hausten, deren Art keine gute war. Eines Tages kam sie abermals zu ihrem Lieblingsplatz, aber kaum erkannte sie ihn wieder; wildes Geklüft und geborstenes Erdreich starrte ihr da entgegen, wo sie noch kurz zuvor auf schwellendem Moos im kühlenden Baumschatten geruht hatte, und weit hinab in die Tiefe gähnte eine jähe Schlucht. Die Jungfrau aber war unerschrocknen Sinnes, weil sie rein und schuldlos war, und so setzte sie die Füße in den düstern Gang, um zu schauen, wie es darinnen beschaffen sei. Da gewahrte sie, daß es ein ungeheurer Keller war, Fässer lagen da über Fässern, und siehe, schreckhafte Gestalten huschten an sie heran, ergriffen sie an den Händen und zogen sie über alle die Fässer weiter und weiter zur Tiefe fort, so daß sie endlich aus Angst und Bangigkeit die Besinnung verlor und nicht mehr wußte, was mit ihr geschah. Da sie nun in der Burg daheim vermißt wurde, ward ausgesandt, sie zu suchen, und ward also gesucht an allen Orten und Enden ringsumher. Siehe, da fand sie einer nicht gar weit von dem Geisterhügel auf einer kleinen Anhöhe stehend, mit in die Erde gewurzelten Füßen, der Leib steinhart und die Arme in Äste ausgewachsen und gen Himmel ausgestreckt, wie die Jungfrau Daphne in der heidnischen Fabel. Alle, die das sahen, entsetzten sich vor dem grausenhaften Anblick solcher Baumverwandlung, und da ward nach dem nahen Kloster Wettingen hinübergesendet, von dort ein Wunderbild zu holen. Als das Bild gebracht ward, da schwand der unheimliche Zauber, der die Königstochter umstrickt hatte, und sie ward wieder erlöset. Des zum Andenken setzte man ein Kreuz auf den Berg, wo diese Sache sich begeben, der hieß fortan der Kreuzliberg, und jener Bühel, darin die Jungfrau die Fässer erblickt, und der sich wieder geschlossen, heißt der Teufelskeller bis auf den heutigen Tag.

25. Die Würfelwiese

Ganz nahe der Stadt Baden im Aargau liegt eine Wiese, welche die Würfelwiese genannt wird. Darauf soll oft der Teufel sein Spiel haben. Seit undenklichen Jahren werden auf ihr Würfel gefunden, viele Tausende, und keiner weiß, wo sie herkommen, ob Römer hier eine Würfelfabrik gehabt oder ob Meister Urian diese seine Lieblinge hier im Erdreich wachsen läßt, genug, sie kommen hervor, als ob sie quillten, mit jedem Maulwurfshaufen, und ist die Ursache noch niemals zu ergründen gewesen.

26. Die Basler Uhrglocke

Vorzeiten haben die Basler in ihrer Stadt eine sondre Zeitrechnung gehabt, daß allemal die Uhrglocke eine Stunde früher schlug als anderswo, darüber gehen noch verschiedene Sagen. Es habe ein Konzilium zu Basel noch etwas länger gedauert als der Unterflachsenfinger Landtag, nämlich dreizehn volle Jahre, das sei geschehen 1431 bis 1444, und da habe man die Zeit beschleunigen wollen und die Uhr um eine Stunde vorgerückt, sei aber mit diesem Fortschritt kein Haar breit weitergelangt. Andere sagen, daß einstmals eine Verschwörung zu Basel angezettelt gewesen sei, und hätten die Verschwörer zur zwölften Stunde den Rat überfallen und meuchlings ermorden wollen. Aber der allsehende Gott habe das durch ein Wunder verhindert, indem alle Glocken der Stadt mit einem Male statt zwölf Uhr ein Uhr geschlagen. Dadurch sei über die Aufwiegler ein sonderbarer Schreck gekommen, ihr Anschlag sei vernichtet, sie selbst verraten und insgesamt erschlagen worden. Darauf habe der Rat verordnet, stets die Uhrglocke eine Stunde vor der gewöhnlichen Zeit vorausschlagen zu lassen.

27. Die Schlangenjungfrau im Heidenloch bei Augst

Zwischen Basel und Rheinfelden liegt ein uralter Ort, heißt Augst, vom römischen Wort Augusta. Römerkaiser hatten dort ihren Hofhalt und bauten eine schöne Wasserleitung. An dieser ist ein Schlaufloch und unterirdischer Gang, der sich weit in die Erde hineinzieht, niemand hatte noch dessen Ende gesehen; heißt im Volke das Heidenloch. Da war im Jahre 1520 ein Schneider zu Basel gesessen, hieß Leonhard, der war auch eines Schneiders Sohn und fast ein Simpel. Er stammelte statt zu reden und war zu gar wenigen Dingen geschickt zu brauchen. Den trieb eines Tages die Neugier, doch zu versuchen, wie weit der hohle Gang eigentlich in die Erde hineingehe: da nahm er eine Wachskerze, zündete sie an und ging in das Schlaufgewölbe hinein. Nun aber war die Kerze eine geweihte, und da konnten ihm die Erdgeister nicht etwas anhaben, wie der Königstochter im Teufelskeller beim Kreuzliberg. Leonhard kam an eine eiserne Pforte, die tat sich vor ihm auf, und da kam er durch mehr als ein hohes und weites Gewölbe, endlich gar in einen Lustgarten, darinnen standen viele schöne Blumen und Bäume, und in der Mitte des Gartens stand ein wohlerbauter Palast. Alles umher aber war still und menschenleer. Die Türe zu dem stattlichen Lusthaus stand offen, da ging Leonhard hinein und trat in einen Saal, darin erblickte er eine reizend schöne Jungfrau, die trug auf ihrem Haupt ein guldig Krönlein und hatte fliegende Haare, aber o Scheuel und Greuel, von des Leibes Mitte abwärts an war sie eine häßliche Schlange mit langem Ringelschweif. Hinter der Jungfrau stand ein eiserner Kasten, darauf lagen zwei schwarze Hunde, die sahen aus wie Teufel und knurrten wie grimmige Löwen. Die Jungfrau grüßte den Leonhard sittiglich, nahm von ihrem Hals einen Schlüsselbund und sprach: Siehe, ich bin von königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber durch böse Macht also verwünscht und zur Hälfte in ein greulich Ungetüm verwandelt. Doch kann ich wohl erlöset werden, wenn ein reiner Junggeselle mich trotz meiner Ungestalt dreimal auf den Mund küsset, dann erlange ich meine vorige Menschengestalt völlig wieder, und mein ganzer großer Schatz ist sein. – Und da machte sie sich zu dem Kasten, stillete die murrenden Hunde, schloß einen mittlern Deckel mit einem ihrer Schlüssel auf und zeigte Leonhard, welch ein großes Gut an Gold und Kleinodien darinnen enthalten sei, nahm auch etliche goldne und silberne Münzen heraus und gab sie dem Leonhard und blickte ihn seufzend und gar inniglich aus zärtlichen Augen an. Leonhard hatte in seinem Leben noch keine Maid geküßt, es ward ihm jetzt warm ums Herz, und er wagte es, der Schlangenjungfrau einen Kuß auf ihren schönen Mund zu geben. Da erglühten ihre Wangen und erfunkelten ihre Augen, ihr Antlitz strahlte vor Freude, und sie lachte vor Lust und Hoffnung der Erlösung und preßte ihren Befreier mit heftiger Glut an die Brust. Und da geschah der zweite Kuß, und mit dem so ringelte sich der Schlangenschweif eng um ihn, als wolle er ihn auf ewig fesseln, und die Jungfrau faßte ihn noch fester mit beiden Händen an und lachte und biß ihn vor Lust in die Lippe. Da schauderte ihn vor solchen Zeichen überheftiger Liebeswut, und riß mit Gewalt sich los, nahm seine noch brennende Kerze und entwich. Die Jungfrau stieß hinter ihm ein wehklagendes Geschrei aus, das ihm durch Mark und Bein drang, und er kam aus dem Gang und Loch heraus, er wußte gar nicht wie. Seitdem empfand der Jüngling eine brennende Sehnsucht nach Küssen, nie aber fand er andrer Mädchen und Frauen Küsse so feurig und so süß als jene der Schlangenjungfrau, immerdar trieb es ihn zurück zu ihr, um das Werk der Erlösung an ihr zu vollbringen, aber da er nun andre geküßt, vermocht' er nimmer, den Eingang zur Schlangenhöhle wiederzufinden, und es soll dieses auch nach ihm keinem wieder geglückt sein.

28. Herzog Bernhard hält sein Wort

Im Dreißigjährigen Kriege kämpfte der Sachsenherzog Bernhard von Weimar in den Gefilden des Oberrheins. Da belagerte er das Städtchen Neuenburg, zwischen Basel und Breisach gelegen, das noch gut kaiserlich war und sich tapfer hielt. Der langen Belagerung und des hartnäckigen Widerstandes der Neuenburger äußerst müde, erzürnte sich der Sachsenherzog und verschwur sich hoch und teuer bei Himmel und Hölle: Komme ich in das Nest hinein, so soll weder Hund noch Katze mit dem Leben davonkommen. – Bald darauf mußten sich die tapfern Neuenburger, da sie die Belagerung nicht länger aushalten konnten, dennoch ergeben, und die Soldateska wollte schon ihr Mütlein im Blute der Bürgerschaft kühlen und alles ermorden. Da gereute dem Herzog sein vermessener Eid und des vielen edeln auch zum Teil unschuldigen Blutes, das hier vergossen werden sollte, und er sprach: Nur was ich schwur, wird gehalten, und nicht mehr und minder. Schont nicht Hunde, nicht Katzen, aber bei Leib und Leben gebiet' ich, daß der Menschen geschont werde. – Und also geschah es. Herzog Bernhard, der große Kriegesheld, hatte auch Breisach belagert und erobert, Freiburg eingenommen und bei Rheinfelden das Heer der Kaiserlichen ge schlagen. Große Hoffnungen baute auf ihn das deutsche Volk, auch das im Elsaß, und jubelte ihm zu und begrüßte ihn überall als einen Retter, wie als einen Schirmvogt gegen das treulose Nachbarland. Aber er sprach ahnungsvoll: Ich werde des großen Schwedenkönigs Gustav Adolf Schicksal teilen – sobald das Volk ihn mehr ehrte als Gott, mußte er sterben. – Und ein Jahr nach Neuenburgs Einnahme starb er alldort, wo er menschlich gewaltet, der allgemeinen Sage nach an Gift, und die Zeichen dieser Tat deuteten alle nach Frankreich hinüber.

29. Vom treuen Eckart

Alte deutsche Heldenlieder singen und sagen vom treuen Eckart, dessen Gedächtniß blieb lange bei den Deutschen, wegen seiner Ehrbarkeit und Frömmigkeit. Er war ein Held und Herzog im alten Breisgau, und Herr im Elsaß, vom Geschlecht der Harlunge, und war Vormund und Pfleger zweier jungen Harlungen, welche die Bruderssöhne Kaiser Ermenrichs waren, und Vettern des berühmten Dietrich von Bern. Der Eckart übte allzeit Treue und war schon dem Vater der Harlunge ein treuer Rathgeber gewesen; Kaiser Ermenrich aber hatte einen Rathgeber, der hieß Siebich, von dem sollen alle ungetreuen Räthe in die Welt gekommen sein. Dieser verleitete den Kaiser zu bösen Thaten. Und Ermenrich erschlug die jungen Harlunge, Erkart aber rächte sie, indem er mit anderer Helden Hülfe den Ermenrich wieder erwürgte, und um dieser That willen hoch gepriesen ward. Die Harlunge hatten einen reichen Schatz, der ward in einen Berg verzaubert, das ist der Bürglenberg bei Breisach, und diesen Harlungenhort hat hernachmals der Geist des treuen Eckart gar sorgsam gehütet und jeden gewarnt, der ihn für sich erheben wollte, denn er sollte dereinst wieder an den rechten Erben fallen, und diesen zu einem mächtigen Herrn des Landes machen. Darum sei im Volke das Sprüchwort entstanden: du bist der treue Eckart, du warnest Jedermann. Ob aber das derselbe treue Eckart sein soll, der im Thüringerlande vor des Hörseelberges Höhle sitzt und vor dem wüthenden Heer warnend wandelt, bleibt in dem Dunkel der alten Sagen geheimnißvoll verhüllt.

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