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Deutsches Sagenbuch
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  1. Die Hüttenmännchen im Klosterhammer
  2. Das Licht für sich
  3. Der Dockenteich
  4. Geist Karrstet
  5. Der Mühlgötz
  6. Tripstrill
  7. Pumphut
  8. Pumphut als Mühlarzt
  9. Rungele
  10. Das dienstfertige Licht

560. Die Hüttenmännchen im Klosterhammer

Im Klosterhammer bei Lobenstein hausten in frühern Zeiten Hüttenmännchen, die den Hüttenarbeitern vorarbeiteten. Oftmals beobachtete man sie, wie sie in grünen Hemdchen geschäftig sich bezeigten. Das eine Hüttenmännchen legte Kohlen an, das andere brachte Eisen getragen, ein drittes ließ den großen Hammer los. Wenn die Hüttenarbeiter kamen, war der größte Teil ihrer Arbeit schon verrichtet. Seit die Männchen verschwunden sind, ist die gute Zeit der Hüttenarbeiter vorüber.

561. Das Licht für sich

Bei der Lerch, einem kleinen Dorfe in der Nähe von Hirschberg, wurde vor nicht allzu langen Jahren häufig ein Licht gesehen; es kam und ging eine gewisse Strecke und diese dann wieder zurück, und das zu dreien Malen, dann verschwand es. Niemand wagte sich hinan, ihm zu begegnen oder es zu verstören. Endlich kam einmal ein ganz junges Halbwisserlein, das hatte im Seminarium mächtigliche Aufklärung in sich geschluckt und war ganz voll davon; das lachte und schalt die dummen Bauern in der Lerch aus, daß sie an einen solchen abergläubigen Spuk glaubten, und sprach: Es gibt nur ein Licht, das ist das Licht unserer Vernunft und unserer Aufklärung! – und sie sollten ihm nur das Licht zeigen, er wollte es wohl fragen, was es für ein Licht sei, und es ihnen dann schon aus der Natur erklären. Die Bauern warteten einen der gewissen Abende ab, an welchem das Licht zu wandeln pflegte, und geleiteten das Schulmeisterlein hin zu dem Orte, und da kam das Licht. Frisch und keck schritt der Schulmeister auf das Licht zu und rief, als er ihm nahe kam: Heda! Was bist du für ein Licht? – Die Bauern aber waren zurückgeblieben, doch nahe genug, daß sie einen mächtigen Patsch hörten und gleich darauf noch einen und die Worte von einer gellenden Stimme:

Bekümmere dich um dich!

Ich bin ein Licht für mich!

Und dabei hatte der vorlaute Aufklärer zwei fetzenmäßige Ohrfeigen erhalten. Von da an gaben ihm die Bauern in der Lerch den Spottnamen Lichtfreund. Er schwur aber Stein und Bein, er wäre keiner.

562. Der Dockenteich

Eine halbe Stunde nordwestlich von Merkendorf bei Auma, bei der Aumamühle, liegt ein Teich, der Dockenteich genannt; vor langer Zeit sollen in ihm ein Vater und zwei wunderliebliche Töchter gehaust haben, deren Zartheit und Anmut die Leute nicht besser zu bezeichnen wußten, als daß sie die Schwestern, welche ihnen sonst unbekannt waren, mit dem Namen der Docken bezeichneten. Diese Mädchen teilten auch mit Erdentöchtern die Schwachheit, Freundinnen vom Tanze zu sein, ließen sich daher oft herab, nach Merkendorf und Piesigitz zu kommen. Natürlich fanden sie bald Anbeter, und diese unterließen nicht, sie nach Hause zu geleiten; an dem Teiche angekommen, fanden sie eine Art Tür, hinter welcher Stufen hinabführten, auf denen sie bald zu einer bequemen und geräumigen Wohnung gelangten. Doch versteckten die Mädchen ihre Begleiter sorgfältig hinter der Haustür, indem sie äußerten, ihr Vater, der alte Nix, müßte erst zur Ruhe und könnte keine Christen reichen (riechen). Hier hatten sie Gelegenheit, mit Zittern ein Gespräch zwischen den Töchtern und dem Vater zu belauschen, worin letzterer äußerte: Entweder seid ihr bei Christen gewesen, oder ihr habt Christen bei euch; indem sie ersteres bejahten, wurde der Vater ruhiger. Diesen Docken war von dem Vater sehr streng anbefohlen, abends zehn Uhr nach Hause zu kommen, indem er drohte, sie sonst umzubringen. Absichtlich hielten sie einst die Merkendorfer Bursche länger zurück und begleiteten sie dann. Bei dem längeren Ausbleiben der Bursche sagten die Merkendorfer Jungfrauen ahnungsvoll zu der Jugend, morgen früh sollten sie nur hinten nach dem Teich sehen; wäre das Wasser des Teiches rot, so wären sie ermordet. Früh war wirklich der Teich blutrot, und von den Burschen und Mädchen sah man niemals etwas wieder.

563. Geist Karrstet

In Bunzig lebte vor langer Zeit ein Edelmann, Karrstet, der bei Belgrad gegen die Türken mitgefochten hatte, ein wilder, trotziger Mann. Als er nach einem nicht friedevollen Leben endlich gestorben war, wurde sein Leichnam in die Kirche zu Hohenleuben begraben, aber noch jetzt reitet das Gespenst dieses Toten nächtlicherweile auf einem weißen Streitrosse den Weg entlang, auf welchem die Leiche nach Hohenleuben gebracht wurde, ja selbst bis in die Kirche hinein dringt der Spuk. Denn einstmals schickte der Prediger zu Hohenleuben einen seiner Söhne im Zwielichte des Abends in die Kirche, ein auf dem Altar liegendes Buch zu holen, und derselbe nahm zu seiner Begleitung zwei Söhne des Kantors mit. Kindischer Mutwille trieb den einen dieser Knaben, die Kanzel zu besteigen und zu rufen: Geist Karrstet, komm! Geist Karrstet, komm! Siehe, da erdröhnte das Gebäude, und schrecklich und grauserlich ritt der Spuk mit lautem Getöse über die Weiberstühle dahin. Die Knaben wurden bewußtlos auf dem Kirchhofe gefunden. Seitdem hat keiner wieder den Geist gerufen.

564. Der Mühlgötz

In der obern Mühle zu Plauen ward oder wird noch heute ein seltsames altes Holzbild gezeigt, eine plumpe Menschenfigur, etwa wie der Sondershäuser Püstrich, das nannten sie den Mühlgötz, und die Sage ging, es stamme noch aus heidnischer Zeit, sei wirklich ein Götzenbild gewesen. Das Bild hatte die wunderliche Eigenschaft, daß es nicht aus der Mühle fortzubringen war, sondern wenn man versuchte, es wegzuschaffen, so kehrte es immer wieder an seinen alten Ort zurück, aber dann niemals ohne Rumor und Spukspektakel. Nun trat einstmals ein vorwitziger Gesell als Klapperbursch (Mühlknappe) ein, grüßte nach üblicher Weise das ehrsame Müllerhandwerk und bat um Nachtquartier, was ihm gern gewährt wurde. Da er sich die Mühle beschaute, so fiel ihm auch der Mühlgötz in die Augen, und auf Befragen erhielt er Bericht über die Bewandtnis, die es mit sotanem Bilde habe. Des lachte der fremde Knappe und gedachte heimlich zu erproben, ob denn das wirklich an dem sei, daß solch ein altes braunes Holzbild von selbst wieder dahin zurückkehre, von wo man es weggetragen. Schlüpfte daher zur Nacht, da zudem heller Mondschein war, aus seinem Kämmerlein, schlich zum Bilde, nahm es von seiner Stelle und warf es in den Mühlgraben. Aber da erhob sich plötzlich ein lautes Sturmgetöse, die Räder wurden von unsichtbarer Hand angelassen, die Mühle ging, die Klingel schellte, das Wasser brauste fürchterlich, und Geräte, Kübel und Kästen wirbelten im Werk umher, daß dem Burschen Hören und Sehen verging. Eine unsichtbare Hand faßte den Knappen beim Schopf und zog ihn zum Graben zurück, dem der Holzblock entragte. Gar geschwind zog der Erschrockene den Mühlgötzen wieder aus dem Wasser und trug ihn an seinen Ort zurück, darauf war alles wieder still, nicht aber der Müller; dieser, als er mit seinem Knappen sah, was die Ursache des greulichen Rumors gewesen, und daß der Fremde den Mühlgötzen beunruhigt hatte, nahm er einen Stecken, hieß seinem Knappen ein gleiches tun, und beide prügelten nun den Vorwitzling derb und tüchtig ab und warfen ihn zur Mühle hinaus. Der Mühlgötz blieb fortan unbeunruhigt auf seiner Stelle.

565. Tripstrill

Es ist eine gemeine Scherzrede im Vogtlande und dem angrenzenden Thüringen und Sachsen, daß auf die neugierige Frage, wohin man gehe, wenn nicht für nötig befunden wird, dem Frager die Wahrheit zu berichten, man antwortet: Nach Tripstrill! Dieser Scherz haftet am Städtlein Triptis, und hat es damit folgende Bewandtnis. Drei Schlösser oder Burgfesten soll es einst in der Gegend, wo jetzt die Stadt Triptis liegt, gegeben haben – die eine auf dem großen Hocker, die andere da, wo jetzt das Schloßgebäude steht, und die dritte da, wo jetzt der Friedhof befindlich; diese drei Burgen nannte man das Trio oder Drillo, und wurde daraus der Scherzname Trips-Trill gebildet.

Bei Triptis ist eine Quelle befindlich, die heutzutage den nicht schönen Namen die Pfütze führt, und man sagt von ihr scherzhaft: Die Pfütze hängt über die Weide. Vor alten Zeiten war dort ein angenehmes, schattenreiches Plätzchen. Eine uralte und große Weide stand dort, übergrünte Quelle und Rasen und hatte eine starke Wurzel unter dem Wasser hingetrieben, die man in der klaren Flut sah und immer noch sieht. Es war dieselbe Quelle, in welcher die schöne Gräfin von Groitzsch vorahnend das Bild ihres künftigen Gemahls erblickte. Doch die Weide starb ab, und nur die Wurzel blieb; weil nun über ihr das Wasser steht, bildete sich das Scherzwort im Volke aus: Die Pfütze hängt über die Weide.

566. Pumphut

In der Gegend um Pausa trieb sich vor langen Zeiten ein koboldähnlicher Bursche herum, aus dem die Leute gar nicht recht klug werden konnten, wußten nicht, ob er ein Mensch sei oder ein Hinzelmann; immer jedoch erschien er als ein Mühlknappe und wurde wegen eines eigentümlich geformten Hütleins, das er zu tragen pflegte, von alt und jung der Pumphut genannt. Er war ungeheuer fleißig, hielt es aber in keiner Mühle lange aus, indem er es durch neckische oder täppische Streiche immer dahin brachte, daß man ihm Feierabend gab. Er konnte, das sagten alle, die ihn kannten, mehr als Brot essen und hatte schon manchen, der an ihn wollte, garstig ablaufen lassen, meist aber trieb er harmlosen Schabernack, wenn man ihn ruhig gewähren ließ. So saß einst in einem Bauernhause zu Wallengrün die Familie, groß und klein, beim Mittagsmahle am Tische, umschwärmt von einer ungeheuern Schar von Fliegen, als sich die Türe auftat und der Pumphut hereinsah. Er wurde freundlich willkommen geheißen und zur Teilnahme am Essen eingeladen, was er sich nicht zweimal bieten ließ, sondern rasch dabei war. Gleich, als ihm die gastliche Bäuerin den schweren Kloß auf den Teller gelegt hatte, ereignete sich ein Spaß, denn wie Pumphut besagten Kloß zerteilen wollte, zeigte der Kloß sich von solcher Härte, daß er unter dem Messer Pumphuts hinwegschlüpfte, wie eine Kanonenkugel durch die Stubentüre schlug, durch die dieser gegenüber befindliche Stalltüre ebenso fuhr und sich auf das Horn eines scheckigen Ochsen spießte. Alle sperrten vor Verwunderung Maul und Nasen auf, Pumphut aber nahm sich ruhig einen Kloß nach dem andern und verzehrte ihn mit großem Wohlbehagen. Da ihn nun die Fliegen bei dieser angenehmen Arbeit aufs äußerste belästigten, so brummte er über deren große Menge gegen seine Wirte und riet, daß man doch das Ungeziefer zur Türe hinausjagen solle. – Ja, wenn sie sich hinausjagen ließen und draußen blieben, ward ihm erwidert, was hilft denn aber das Hinausjagen? – Nun, entgegnete Pumphut, so solltet ihr sie doch nur so lange an einem besondern Platz bleiben lassen, bis das liebe Essen verzehrt ist, daß man Ruhe hätte vor den zudringlichen Bestien. – Alles lachte, und der Hausvater sagte: Tue Er das doch, Pumphut, bringe Er doch die Fliegen auf einen Platz, Er ist ja ein Hexenmeister! – Der Pumphut fletschte, legte sein Hütlein auf eine besondere Stelle, gebot den Fliegen, sich hineinzubegeben, und zum Erstaunen aller schwärmten alle Fliegen wie ein Bienenschwarm in den Hut, so daß er voll und übervoll wurde und sie über den Rand noch wimmelnd aufeinanderkrochen. Pumphut aber wischte sich den etwas großen und breiten Mund, bedankte sich fein, nahm den Hut samt den Fliegen, trug sie zur Türe hinaus und schüttelte sie draußen in die Milchtöpfe, indem er laut lachend von dannen ging.

567. Pumphut als Mühlarzt

Pumphut ging, als echter Mühlknappe, wenn es ihm in einer Mühle nicht mehr gefiel, dem Wasser nach. Da kam er zu einer Mühle, die Burkhardsmühle genannt, wo er eine ziemliche Zahl Leute versammelt fand, denn es war ein neues Mühlrad erbaut, das sollte feierlich gehoben werden nach Müllerbrauch. Des freute sich Pumphut, denn daß es bei solchen Gelegenheiten nicht vollauf zu essen und zu trinken gegeben, wäre gegen alles Herkommen gewesen. Auf gastlichen Empfang ganz sicher rechnend, trat der wandernde Klapperbursch kecklich in die Stube, sprach seinen Handwerksgruß und Spruch und blinzte nach den großen Kuchen hin und den Würsten, und was sonst zum Schmause bereits aufgeschüsselt war und vor Augen stand. Der Meister aber, der Pumphut nicht kannte, sonst hätte er wohl anders getan, ließ diesem ein Stückchen Brot reichen und ein Gläschen Branntwein einschenken, wie er das zu tun gewöhnt war, wenn fechtende Klapperbursche das Handwerk grüßten. Der Pumphut aß sein Brot, leerte sein Gläschen und fragte den Meister, was vor sei, daß er so viele Leute bei sich habe. – Das Rad wird gehoben, sagte der Müller kurz, und: So! sagte der Pumphut noch kürzer und ging aus der Stube ohne großen Dank. Nun ward die Arbeit des Radhebens begonnen, aber wer beschreibt des Müllers Schreck und Ärger, als sich fand, daß die Welle viel zu kurz war und die Zapfen nicht bis dahin reichten, wohin sie doch reichen mußten. Der Müller und der Zimmermann und der Schmied schwuren zu dritt Stein und Bein, daß vorher alles genau abgemessen worden sei und richtig gepaßt habe, und nun erschien die ganze Arbeit vergebens. Da fiel einem der Gäste ein, daß der fremde Knappe am Ende der Pumphut möge gewesen sein, der geheimnisvolle Hexenmeister, der aus Ärger, daß man ihn so karg abgespeist, dem Müller solchen Schabernack spiele. Man stimmte bei, und einige liefen fort, wo möglich den Pumphut einzuholen und zurückzubringen. Bald sahen sie ihn auch ganz langsam seines Wegs dahinschlendern und riefen ihm mit lauter Stimme zu; wer aber tat, als höre er nicht, war der Pumphut. Nun liefen sie, ihn einzuholen, noch schneller, mußten aber laufen, bis sie schwitzten und außer Odem waren, denn der Pumphut, obschon er ganz langsam ging wie ein erzfauler Gesell, blieb doch von den Nachrennenden in immer gleicher Entfernung. Endlich ließ er sich einholen, hörte die Einladung, zur Mühle zurückzukehren, höhnisch mit an und zeigte keine Lust, Folge zu leisten. Nur vieles anhaltendes Bitten schien ihn zu bewegen, endlich mit umzukehren. In der Mühle ungleich freundlicher wie zuvor begrüßt, führte Pumphut gleich den Beweis, daß er mehr könne als Brot essen, denn er aß nun auch Braten, Schinken, Wurst und Kuchen in erstaunlicher Menge und trank dazu auf eine nicht minder in Erstaunen setzende Weise. Und als das geschehen war, ging er hinaus zum Rade, das erhoben mit seiner kurzen Welle und nicht ausreichendem Zapfen zwischen dem Gestelle stand, und kletterte nun auf das Brett, nahm sein Hütlein ab, klopfte damit an die eine Seite des Gestells, dann an die andere, da rückten die Seiten ganz sanft der Welle näher und nahmen den Zapfen auf. Alles jubelte Beifall, und der Pumphut ging seines Weges, ohne ein Wort zu sagen.

568. Rungele

Im Monat September 1654 trug sich zu Schleiz eine wunderliche Geschichte zu. In eines Schusters Haus am Markte, der Hans Frank hieß, war, wie die Sage geht, ein Gespenst in die Stube gehext worden, welches ein ganzes Vierteljahr alle Tage von abends sechs Uhr an bis neun Uhr sein Wesen trieb und mit allerhand Sachen die Kinder und das Gesinde warf. Wenn die Magd nach dem Abendessen in der Stube aufwusch, zog es ihr den Hader aus dem Scheuerstutz und warf ihr wohl dann den nassen Lappen ins Gesicht. Als das Gerücht davon laut wurde, kamen jeden Abend Nachbarn und andere Leute in das Haus, um zuzusehen, und auch diese wurden geworfen, so daß mancher nicht wiederkam. Bei Tage versteckte es Messer und Löffel, daß, wenn die Leute zu Mittag essen wollten, sie weder Löffel noch Messer fanden. Des Schusters Tochter nannte das Gespenst Rungele und rief: Rungele, bring mir doch mein Messer und Löffel wieder! – da wurden die Messer bei hellem Tage auf den Tisch geworfen, daß sie in die Höhe sprangen. Als der Schuster ein Speckschwein schlachten ließ und die Würste in die Stube auf Stroh gebracht wurden, nahm Rungele eine Weißwurst und legte diese dem Fleischhauer gleich einer Krause um den Hals. Über dem Essen warf es eine Handvoll Zwiebeln in die Suppe, daß diese rundum aus der Schüssel spritzte. Dem Schuster zog es das Geld aus der Tasche und warf es dann, wenn die Kinder Milch aßen, in diese hinein, daß die Kleinen das Geld mit Löffeln aus der Milch fischten, wie manche Klugnieser die Weisheit. Einstmals waren die Kinder allein zu Hause, und abends, als es dunkel wurde und sie miteinander in der Stube spielten, da erschien plötzlich das Rungele in Gestalt eines kleinen Kindes mit einem weißen Hemde und bloßer Brust, die blutig war, und lief auf einer Stange herum. Als es das Mädchen erblickte, fing dieses an zu schreien, und die Kinder liefen ängstlich hierhin und dorthin und suchten ihre Nachbarn und Eltern. Als diese und andere Leute nun kamen, schickten sie das Mädchen, welches das Rungele jederzeit gerufen, allein in die Stube, um zu sehen, ob das Kind noch vorhanden, welches das Mädchen auch hinter dem Ofen stehend fand. Das fragte: Was willst du, Kindlein? – Da antwortete die Erscheinung: Du kannst mir doch nicht helfen! – Auf das Geheiß einer Frau, welche vor der Stubentüre stand, mußte das Mädchen noch mancherlei fragen und erhielt allezeit Antwort. Endlich, als das Mädchen sagen mußte: Gehe hin, Kindlein, in deine Ruhe und komme nicht wieder! – da wich es zwar aus der Stube, allein es hielt sich immer noch eine ziemliche Zeit im Hause auf und hat, wenn die Kinder zu Bette gegangen, diese geklitscht, gerauft, bei der Nase gezogen, ja bisweilen sogar Maulschellen ausgeteilt, es kam auch vor des Schusters Bette und wiegte das kleine Kind in der Wiege so stark, daß diese hinten und vorne aufsprang. Es zog die Schlüssel von den Gesperren ab, nahm die Bratwürste, legte diese auf einen Rost und briet sie im Ofen und verzehrte sie auch, wobei es die Schalen im Ofenloch liegen ließ. Wollte der Schuhmacher zu Markte gehen, dann nahm es ihm die Schuhe von der Stange und schleifte hin und wieder etliche Male ganze Häute zusehends hinweg. Endlich geriet das böse Gespenst in einen Kuhstall, wo es etlichemal die Treppe, die vom Heuboden hinab in den Stall führte, abhob und vor die Stalltür legte, darnach löste es die Kühe ab und jagte sie im Stall herum, daß der Schaum auf ihnen stand. Als es nun darüber ein paarmal verstört wurde, ist es endlich gar ausgewichen. Es hat sich aber hernach in andern Häusern sehen lassen, wo es großen Schaden getan. Einem Tuchmacher hat es die Werfte, die dieser trocknen wollte, mehrmals entzweigeschnitten, an einem andern Orte hat es Kuhkot in die Milch geworfen und die Milchmagd mit Steinen aus dem Stalle getrieben.

569. Das dienstfertige Licht

Bei Schleiz, zwischen Neundorf und Görkwitz, führt der Weg an einem beträchtlichen Sumpfe vorüber, und gefahrvoll war es bei der Nachtzeit, dorthin zu reisen, bevor die jetzige Kunststraße gebaut worden war. Doch ließ sich alldort zum öftern ein Licht sehen und suchte vor Verirrung und Unglück die Reisenden zu behüten. Einst kam ein Fuhrmann diesen Weg des Nachts und warf an jener sumpfigen Stelle seinen Wagen um. Schon war er im Begriff, nach Neundorf zurückzulaufen, um Hülfe zu holen, weil er bei der großen Dunkelheit sich nicht allein zu helfen wußte, als er eine Laterne gewahrte, die schnell sich näherte. Bald war sie hinter seinem Wagen angekommen. Der Fuhrmann wollte sehen, wer sich ihm so dienstfertig beweise, zu seiner großen Verwunderung sah er aber auch kein menschliches Wesen, sondern nur ein Licht, das in der Luft schwebte und einen hellen Schein um sich verbreitete. Gleichwohl war ihm in seiner bedrängten Lage dieses dienstfertige Licht hochwillkommen, er hub bei dessen hellem Scheine den Wagen auf, richtete sein Fuhrwerk zum Weiterfahren her und begab sich dann zu dem Lichte hinter dem Wagen, sich bei ihm für die geleistete Hülfe bestens zu bedanken. Kaum hatte jedoch der Fuhrmann das Wort Dank ausgesprochen, so rief das seltsamliche Licht mit sanfter, aber hellklingender Stimme:

Hab du Dank für deinen Dank!

Nun bin ich erlöset sonder Wank!

schwebte mit diesen Worten empor und verschwand in den Wolken.

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