670. Die Brüder Czech und LechIn grauen Zeiten saßen im Lande um die Karpathen zwei Brüder als Fürsten, die hießen Czech und Lech. Da sich in der Verwandtschaft Unfrieden erhob über den Boden und die Ansprüche an ihn, so wanderten die Brüder mit allen den Ihrigen, an sechshundert Personen, aus und zogen mitternachtwärts, und die Fürsten ritten vor dem Volke her, und vor ihnen ward ein gelbes Banner getragen, darinnen die Gestalt eines schwarzen Aaren die Flügel breitete. So kamen sie endlich in der Bojer oder Bojemer Landschaft unter einen hohen Berg, lagerten sich allda und ruheten, besahen das Land und fanden es fruchtbar und wohlgelegen. Am Morgen stiegen beide Brüder auf des Berges Gipfel, schauten sich um und erblickten ein wäldervolles, fruchtbares Land, fanden darauf auch fischreiche Wasser und sagten solches den Ihrigen an. Dann erforderte Czech am andern Morgen bei Sonnenaufgang sein ganzes Geschlecht und alle, die mit ihm gekommen waren, setzte sich auf einen Stock und sprach zu dem Bruder, den Freunden und Genossen: Ruhet hier und bringet den Göttern, die hierher uns führten, ein Dankopfer. Das ist das Land, welches ich euch verheißen, und weil es so fruchtbar und angenehm, so gebt nun dem Lande einen Namen! Da riefen alle, die mit dem Sprecher gekommen waren, gleichsam aus einem Munde und wie durch göttliche Eingebung: Von wem sollte das Land bessern Namen bekommen als von dir, dem Czech, unserm Führer? Billig ist es und recht, daß es deinen Namen führe, Czechowa, das Land des Czech. Da erhob sich der Führer und blickte zum Himmel; dann warf er sich nieder auf die Erde, küßte den Boden, stand wieder auf und hob die Hände gen Himmel und grüßte das Land, das göttergegebene, mit segnenden Worten. Und blieb mit seinem Volke allda und breitete sich aus, und das Volk lebte in Sitteneinfachheit, friedsam und fleißig, ehrlich und gastfrei. Neun Jahre nach der Ankunft, da es wieder an Raum gebrach, schied der Lech sich ab von seinem Bruder und zog mit seinem Volk und Gesinde gen Aufgang der Sonne und sprach zu jenen, von denen er schied, da sie ihn baten, nicht allzu weit hinwegzuziehen: Liebe Brüder und Genossen! Steiget am dritten Morgen vor Aufgang des Morgensterns auf den Berg Rzip, da will ich, wo ich sei, ein mächtiges Feuer entzünden, wo ihr das sehet und den Rauch, dort habe ich mit den Meinen mich niedergelassen. Solches geschahe, und gründete der Lech die erste Stadt in Böhmen, die nannte er Kaurzim, von dem Worte Rauch. Der Berg Rzip, an dessen Fuße zuerst der Czech mit den Seinen sich ansiedelte, ist der heutige St. Georgenberg. Czech aber lebte noch siebenzig Jahre, dann starb er, beweint von allem Volke lange Zeit. 671. Krok und seine TöchterNach den Zeiten des Czech und Lech erhielt das Volk und Land einen Gebieter, der hieß Samo, das war zur Zeit, als König Dagobert im Frankenlande und in Thüringen gebot, Samo aber herrschte über Bojen und Wenden, und diese beiden Könige kamen mit einander zu streiten, da ward bei Voigtsberg die große Schlacht geschlagen zwischen Samo und Dagobert, die währte drei Tage lang und kostete viele tausend Leben. Samo blieb Sieger und verheerte Thüringen und all sein Nachbarland. Danach, als König Samo gestorben war, hatte das Volk der Bojehemen kein Oberhaupt, sondern jeglicher Stamm gehorchte dem Stammesältesten, den nannten sie Wladyka. Ein solcher Aeltester hieß Krok, und er der Ruf seiner Weisheit und Gerechtigkeit erscholl durch das ganze Land, und das Volk erwählte Krok zu seinem Richter und Oberhaupt. Er wurde über dem Grabe des Czech auf dessen Stuhl gesetzt, man gab ihm den Stab des Czech in die Hand, bedeckte sein Haupt mit dessen Mütze und huldigte ihm, indem man versprach, seinen Gesetzen und Anordnungen willige Folge zu leisten./ Alle Liebe erwies das Volk seinem weisen Regierer und erbaute ihm ein Schloß, freilich nur von Holz, ziemlich hoch an einem Berge, baute sich selbst um den Berg her an und nannte Schloß und Stadt Budecz; nach der Hand gründete Krok durch die Seinen an allen Orten und Enden im Lande Böhmen feste Wohnsitze, darunter auch sein Lieblingsschloß Psary, an der Stelle, wo sich hernachmals der Wischerad erhob, das den Namen führte von dem heimathlichen Schloße des Czech. Krok war als erster Richter und Fürst des Landes auch dessen erster Priester; er besaß die Gabe der Weissagung, die er von Geistern und Pilweisen lernte und seinen Töchtern lehrte, deren sein Weib, Nina, ihm drei geboren, die, von wundersamer Schönheit, auch an Geist und Verstand den Vater noch überragten. Die älteste hieß Kasha (sprich Kascha); diese kannte alle Tugenden und Kräfte der Kräuter, Steine und Metalle, und war eine erfahrene Aerztin und kundige Wahrsagerin. Die zweitgeborene Tochter hieß Tetka; diese war eine Pilweise und lehrte das Volk, den Göttern der Haine, der Gewässer und Gebirge dienen und Opfer bringen. Die dritte Tochter, die jüngste und schönste ihrer Schwestern, hieß Libussa (sprich Libuscha), war eine Prophetin und übertraf an Weisheit und Vorsichtigkeit (prophetischer Begabung, sk) ihre Schwestern weit, und es war an hoher Einsicht nirgend ein Weib oder ein Mann, der ihr zu vergleichen gewesen wäre. Und Krok, als er neununddreißig Jahre regiert hatte, da starb er, und das Volk, als es seinen Tod vernahm, lief aus Häusern und Hütten, wie Bienen nach ihrem Weisel, mit großer Klage, und die Töchter riefen zu den Göttern, den Geist des Vaters auf lichten Wegen zu führen. Dann setzte das Volk den Leichnam Kroks neben dem Herzog Czech und seinem vor ihm gestorbenen Weibe Nina bei, legte viele und reiche Gaben in den Hügel, thürmte einen Stein darauf, entzündete ein Opferfeuer und erhob ihm die Todtenklage. 672. LibussaAls nach dem Tode Kroks seine drei Töchter ihres Vaters Erbe in Besitz genommen, loseten sie um dessen Theilung. Da erhielt Kasha das Land gen Mitternacht, Tetka das gen Niedergang, und Libussa das ganze Gebiet gen Aufgang mit des Vaters Hochburg Psary. Weit im Lande breitete sich Libussa's Ruhm aus, und alles Volk kam, sich in Streitigkeiten von ihr Recht sprechen zu lassen oder ihre Verkündigungen zukünftiger Ereignisse zu vernehmen. Sie selbst lebte jungfräulich, züchtig, ein Beispiel den ihrigen und allem Volke, und dieses wählte sie einstimmig zu einer Richterin und Königin. Libussa erweiterte und befestigte das Schloß Psary. Oft saß sie dort auf einem hohen Felsen über dem Kreise ihrer Jungfrauen, blickte sinnend in die Gegend hinab und sprach Recht oder Worte der Weissagung. Eines Tages gebot sie, das Schloß nicht mehr Psary, sondern Libin zu nennen./ Silber und Gold, welches man in rohen Klumpen im Lande fand, wurde der Königin zugespendet und sie begründete den Bergbau. 673. Der eiserne TischDa Libussa eine zeitlang als Königin über das Volk der Böhmen geherrscht hatte, wünschte ihr Volk, daß sie sich einen Gemahl wähle; da sagte sie in einer Versammlung, die sie berief, viele Worte der Weissagung, und mahnte ab von des Volkes Begehren. Aber das Volk wie die Edeln blieben auf ihrem Willen und begehrten einen König. Wohlan! sprach sie: so machet euch auf, gehet zum Wasser, die Bila, da werdet ihr im Gefilde des Dorfes Stadicz einen besondern Acker finden und darauf einen Mann pflügen sehen mit zwei schäckigen Ochsen. Dieser wird euer König sein! Darauf erkor sie dreißig Männer, die besten des Landes, gebot ihnen, mit sich zu nehmen einen königlichen Rock und einen Mantel und den neuen Herrn zu suchen. Die Gesandten begehrten nähere Zeichen von dem Manne zu erfahren, daß sie den rechten fänden, und es sprach Libussa: nehmet mit euch mein weißes Roß, das ich reite, laßt es frei vor euch her laufen, das wird den Mann erspähen und euch durch Wiehern und sonstige Zeichen verkündigen, daß er der Rechte ist. Finden werdet ihr euern König speisend auf eisernem Tische, und die friedsamen Götter werden eure Bahn behüten! Darauf fuhren die dreißig Männer von dannen und ließen Libussens Roß vorangehen, das lief dem Mittelgebirge zu, nach dem Dorfe Stadicz, und am dritten Tage so fanden sie einen Mann auf dem Felde, pflügend mit zwei geschäckten Ochsen, dem naheten sie mit heilbietendem Gruß, den er jedoch nicht erwiederte. Und das Roß begann zu wiehern und zu schreien, und fiel vor dem Bauer nieder, deß Name Przemisl war. Die Boten Libussens zeigten ihm nun das fürstliche Gewand und richteten ferner ihre Sendung aus; da stieß Przemisl die Haselgerte, welche er in der Hand trug, in den Boden und spannte die Ochsen aus dem Pfluge, indem er sprach: gehet hin, woher ihr gekommen seid. Darauf erhoben sich die Ochsen beide in die Luft und schwebten in der Wolkennähe, doch senkten sie sich wieder und fuhren gegen einen Felsen, der sich aufthat; da hinein in die geöffnete Kluft fuhren die Ochsen, und der Fels schloß sich sobald; zur Stunde aber rieselte aus ihm ein Wässerlein hervor, gleich aus einem Stalle und von solchem Geruch. Die haselne Ruthe aber, die der Bauer in den Boden gesteckt, trieb sogleich grüne Blättlein und drei Zweige, auch einige Nüsse. Mit Staunen sahen das alles die Boten der Königin, noch mehr aber wuchs ihr Verwundern, als der Bauer den Pflug umstürzte und auf die Schar ein schimmlich Stück Brod legte und ein Stück Käse, sein Mittagsmahl zu halten, wozu er die Fremdlinge einlud. Da sahen sie den eisernen Tisch, davon/ Libussa gesprochen hatte. Von den Zweigen der Ruthe verdorrten zwei, und nur der dritte grünte aufwärts. Als Przemisl sah, wie sich die Sendboten verwunderten, fragte er: was wundert ihr euch? Viele meines Geschlechtes werden anheben zu regieren, immer aber wird nur Einer König sein. Eure Herrin hätte nicht solche Eile von Nöthen gehabt. Wäret ihr später gekommen, daß ich dieses Stück Acker ganz umgepflügt, dann hätte dieses Land immer und ewig vollauf Brodes gehabt, und diese Zweige wären nicht verdorrt. So nun wird bisweilen Hungersnoth einfallen. Als die Boten ihn fragten, warum er auf dem Eisen speise, erwiederte er: mein Geschlecht wird euch mit Ruthen von Eisen züchtigen! Nach der Mahlzeit legten sie Przemisl das lange Kleid an, den schönen Mantel und neue Schuhe, er aber nahm seine alten Schuhe, die er sich selbst aus Lindenrinde gemacht und mit Lindenbast genäht hatte, mit sich, zum Gedächtniß der Abkunft des ersten Fürsten. Dem Kommenden zog Libussa herrlich geschmückt mit ihren Schwestern, Räthen und Rittern und allem Volke entgegen, begrüßte ihn freundlich und erkies ihn zum Ehegemahl. Von diesem ersten Könige Böhmens schreibt sich der Gebrauch, daß bei jeder nachherigen Königskrönung vor dem zu Krönenden eine Metze Haselnüsse ausgeschüttet wurde, welche die Bewohner des Dorfes Stadicz, die außerdem von allen Abgaben befreit waren, liefern mußten; dann zeigte man auch jedesmal dem Fürsten die Bauerschuhe von Lindenrinde, welche heilig von Geschlecht zu Geschlecht aufbewahrt wurden, um ihm symbolisch anzudeuten, er möge in die Fußstapfen seines Urahnherrn treten. Im Hussitenkriege erst kamen diese Schuhe abhanden. Die Haselgerte aber grünte fort und fort, und ihr Stamm wird noch heute als ein Wahrzeichen im Dorfe Stadicz gewiesen. 674. PragaIm andern Jahre der Regierung Przemisl's trat an einem schönen Sommertage die Königin Libussa an der Seite ihres Gemahls aus dem Schlosse Libin und bestieg, von ihrem Gefolge umgeben, den hohen Felsenstuhl, auf welchem schon oft der Geist der Weissagung über sie gekommen war. Von diesem auch jetzt wieder erfüllt, sprach sie die Worte: ich erblicke im Geiste eine Stadt, deren Ruhm einst den Himmel erreicht! Dort in waldiger Gegend, dreitausend Schritte von hier, wo der Bach Bruznika durch einen Graben fließt und in die Wlatawa (Moldau) fällt, dort, wo steinig und steil der Berg Petrzin emporsteigt, werdet ihr in Waldes Mitte finden einen Mann, zimmernd an der Schwelle eines Hauses, und weil auch Große ihr Haupt beugen müssen vor einer Schwelle, so werde die Stadt, die man dort erbauen wird, nach der Schwelle benannt. Alsobald machten sich Männer auf, folgten Libussens Weissagung, da fanden sie einen Zimmermann, der fällte einen Eichbaum und richtete ihn zu, und als jene ihn fragten, was er da zimmere? so antwortete er: Prah, das ist eine Schwelle. An diesem Orte ward nun auf Libussa's Gebot die große und herrliche Stadt gegründet, welche den Namen Praha, Praga, von der Schwelle empfing. 675. Libussa's BadAuf der alten Bergveste Wischerad, darauf früher das Schloß Libin stand, in welchem Böhmens erstes Königspaar Hof hielt, zeigt man einen hohen und senkrechten Fels, der sich aus dem Bette des in der Tiefe vorbeirauschenden Stromes aufgipfelt. Dieser trägt die Reste eines runden Gemäuers, und es geht die Sage, daß sich von hier die hohe Herrin gar oft hinabgelassen und in der Moldau gebadet habe, auch wohl Zwiesprach gehalten mit dem Stromgeiste. Andere sagen, es habe über dem Felsen ein Thurm gestanden, in welchen die Zauberin Jünglinge gelockt habe, die, von ihrer Schönheit bethört, ihr blindlings folgten, dann aber nach gebüßter Lust habe sie aus ihrer Umarmung die bethörten Opfer in die Umarmung des kalten Wellentodes gestoßen, auf daß ihrer keiner sein Glück verrathe. Wieder Andere aber erzählen, daß nicht auf der Höhe des Wischerad das Bad der Libussa zu suchen sei, sondern nennen die südlich von der alten Herrscherburg gelegene reichhaltige Wasserquelle Gezerka das Bad Libussens, und vielleicht mit größerem Rechte. Die einzige Quelle in der Umgebung des Wischerad, sprudelte sie in einem alten Haine krystallklare Fluth zu Tage. An ihr sollen die alten Herzoge Böhmens gewählt worden sein; Felsen umthürmen sie, und das Schweigen der Einsamkeit weht über ihren Spiegel. 676. Libussa's BetteUnter dem Felsen der alten Königsburg Wischerad, tief auf dem untersten Grunde der dort vorüberrauschenden Moldau ist das goldne Bette der Zauberkönigin Libussa, die zur Stromfeie geworden und sich selbst gebannt hat an ihr geliebtes Haus. Mancher schöne Jüngling ist dort in den Fluthen verschwunden, hinabgelockt durch ein überholdseliges Frauenantlitz, das sich ihm lächelnd im Bade zeigte, und das Volk spricht, so oft der Strom solch' Opfer fordert: Libussa hat ihn behalten; in Jahr und Tag erkürt sie einen Andern. Es ist wohl zu Zeiten geschehen, daß kühne Schwimmer und Taucher sich frevelhaft vermaßen, selbstwillig hinabzusteigen, Libussa's goldnes Bette zu suchen, oder daß sie der Sage Hohn sprachen. Die sah man wohl niedertauchen, aber nimmer wieder zu Tage kommen. Einst aber, so hat sich eine dunkle Prophezeihung Libussens von Mund zu Mund erhalten: einst wird das goldne Bette auftauchen aus der Stromtiefe und herrlich leuchtend über den Wassern schwimmen, wie eine Barke; das wird dann geschehen, wann über Böhmen ein Herrscher aus dem Stamme der Libussiden herrscht. Diesem wird sich das goldne Bette darbieten, und seine Gemahlin wird darin ihren ersten Sohn zur Welt bringen. 677. Die Teufelssäule auf dem WischeradVor der Kirche St. Peter und Paul auf dem Wischerad liegt ein starkes Säulenfragment, welches als ein Wahrzeichen den Fremden gezeigt wird. Davon geht folgende Sage. Ein Priester am Wischerad machte ein Bündnis mit dem Teufel und verschrieb ihm seine Seele, doch unter der Bedingung, daß der Böse während eines Meßopfers eine Säule aus der Kirche des Vatikans zu Rom hole und auf den Wischerad bringe. Satanas ging den Pakt ein, glaubte ein leichtes Spiel zu haben, fuhr jählings gen Rom, holte die Säule und fuhr geraden Weges wieder zurück. Als er aber über den Venetianischen Meerbusen flog, fühlte er von unsichtbarer Hand auf seinem Rücken so grausamharte Geißelstreiche, daß er sich vor Schmerz krümmte und die Säule fallen ließ. Schnell tauchte er unter und fischte die Säule aus der Flut, aber wieder fühlte er Streiche, wieder ließ er die Säule fallen und so auch noch zum dritten Male. Als er nun eintraf, sprach der Priester soeben dasIte! Missa est. Da warf der Teufel voller Zorn die Säule auf das Kirchendach, daß sie in drei Stücken zersprang und das Dach durchschlug. Lange hat man auch noch die beiden andern Stücke in den Kapellen St. Francisci und St. Pauli Bekehrung zur linken Seite des Eingangs der St. Peter- und Paulskirche auf Wischerad gezeigt. Der Teufel soll gesagt haben, daß er wohl zeitig genug mit seiner Säule angelangt wäre, wenn ihn nicht der heilige Petrus, als Patron der Wischerader Hauptkirche, gezwungen, jene dreimal in die nasse Pfütze, den Venetianischen Meerbusen, fallen zu lassen. Viele haben ausgesagt, daß die römische Kirchensäule nicht aus der Peterskirche, wo keine fehle, sondern aus der Kirche St. Mariä jenseit der Tiber stamme. Ein frommer Ratsherr aus Prag hat hoch beteuert, daß er in Rom gewesen und mit eigenen Augen gesehen, daß in der Marienkirche trans Tiberim eine Säule mangele, an deren Stelle ein Kruzifix stehe, und daß die übrigen Säulen der zersprungenen auf dem Wischerad ganz gleich seien. Einst lebte in Rom ein Schweizer, der war von Kindheit an von vielen Teufeln besessen, die unterschiedliche Namen hatten. Ein Exorzist beschwur einen derselben namens Zardan und setzte dem Besessenen das runde Kästchen mit Reliquien des heiligen Ignatius auf den Kopf; da schrie der Teufel Zardan: Heiß! Heiß! Es brennt! O weh! weh! Lieber wollt' ich einen Mühlstein tragen oder eine Säule nach St. Peter! Ja, einst mußte ich eine Säule gen Prag tragen, die fiel mir dreimal in die große Lache! 678. Die Säule der DrahomiraAn dem Orte, wo sonst die Kirche St. Matthäi auf dem Hradschin zu Prag gestanden hat und jetzt das Haus zur güldnen Kugel steht, wird eine alte Denksäule gezeigt, an welche sich eine Sage aus dem grauen Altertume knüpft. Der zwölfte Herzog Böhmens hatte ein Weib namens Drahomira, welche noch dem Heidentume anhing, während ihr Sohn sich bereits zum Christenglauben bekannte. Als nun Wratislaw, der Herzog, starb und seine Söhne, Wenzeslaw und Boleslaw, noch unmündig waren, eignete sich Drahomira das Regiment zu und ließ die Christen von ihrem heidnischen Anhange grausam verfolgen, wovon viel zu erzählen wäre. Als aber ihr Sohn Wenzeslaw heranwuchs, schirmte er kräftig das Christentum. Darüber erzürnte sie sich eines Tages so heftig, daß sie einen Eid schwur, von dannen und nach ihres Vaters Grabe nach Saaz zu fahren und dort den alten Göttern zu opfern. Wie nun der Wagen an der Kirche zu St. Matthäi vorbeifuhr, hörte der Kutscher drinnen im Gotteshause das Meßglöcklein, sprang, weil er ein Christ war, vom Wagen, warf die Peitsche von sich und fiel auf die Kniee. Darüber begann das böse Heidenweib über alle Maßen wütend zu lästern und zu toben, Gott und Christum zu verfluchen und alle Heiligen und siehe, da tat sich unter Blitzen und Donnerkrachen der Erdboden auf und schlang Drahomira samt Rossen und Wagen in einen unermeßlich tiefen Abgrund hinunter. Aus dem Abgrunde aber schlugen Rauch und Feuerflammen, und ein entsetzlicher Gestank verpestete die Luft; dann schloß sich die Kluft, und nur des Kutschers Peitsche blieb außen, der nun Gott inbrünstig dankte. Als die Priester und die Schar der Andächtigen aus der Kirche traten, hörten sie in der Tiefe der Erde noch ein zeterndes Heulen. Lange Zeit ist hernach dieser Ort mit einem Zaune umgeben gewesen, wobei sich das Sonderbare zutrug, daß, wer über den Zaun schritt, an demselben Menschen wurde des Tages ein Zeichen des Fluchs gespürt, oder er fiel in eine weltliche Schande, so daß man später die Stelle mit einer Mauer umgab. Auch stellte man zum ewigen Gedächtnis eine Säule dorthin, nahe dem Wirtshaus zum Weidenhof, und schrieb an diese die Kunde von dem Strafgericht des erzürnten Himmels. Aus diesem Schlosse Hradschin wurden im Jahre 1618 die Abgeordneten des Kaisers zum Fenster herausgeworfen, was den Anstoß gab zu dem blutigen Dreißigjährigen Kriege. 679. Die Prager Brücke und ihre WahrzeichenSeit undenklichen Zeiten ist die Prager Brücke weit und breit berühmt. Sie ist siebzehnhundertundsiebenzig Fuß lang, fünfunddreißig Fuß breit und hat achtzehn Schwibbogen. Als ihr Bau begann unter Kaiser Karl IV., war so wohlfeile Zeit, daß man für einen Silberpfennig ein Dutzend Eier kaufte; darum nahmen die Baumeister Eier und Wein unter den Kalk, dadurch der Mörtel so fest wurde, daß eher die Steine zu zerbrechen als voneinander zu trennen sind. Diese Brücke zu bauen kostete einen Heller mehr als die Kirche Slovan oder St. Emmaus. Das bekannteste Wahrzeichen der Brücke sind fünf kleine Enten an jeder Seite des breiten Brückenturmes an der Altstadt, der auch sonst mit mancherlei Bildwerk geziert ist. Von diesen Enten hat das Volk ein Scherzwort: Wer nicht ehrlich geboren ist, kann nicht alle fünfe sehen. Ein zweites Wahrzeichen wird erblickt am Brückenturme der Kleinseite nach der Altstadt zu. Da sieht man hoch oben an der Turmzinne eine Lücke im Gemäuer. Einst, es war am 17. des Christmondes 1252, ritt ein Edler namens Berthold von Bertholdy über die Prager Brücke. Da stritten oben am Turme zwei Raben miteinander und schrieen und schlugen heftig mit den Flügeln; dabei rührten sie an einen Stein, der wohl schon lange los und locker im Gefüge der Mauer hängen mochte, und so fiel der Stein herab und dem Ritter gerade auf den Kopf, so daß er alsbald vom Pferde sank und auf der Stelle den Geist aufgab. Viele ehrenhafte Männer und selbst der König trugen Leid um den Rittersmann. Ein drittes Brückenzeichen ist der Bradcy oder Großbart. An dem Schwibbogen, welcher unter dem Spital der Kreuzkirche zu Unserer Lieben Frauen in der Altstadt steht, erblickt man einen verwunderlichen alten Manneskopf eingemauert mit mächtig großem Barte, den die Böhmen den Bradicz nennen. Dieser Kopf ist den Anwohnern ein warnendes Zeichen gegen Wassergefahr; denn wenn die Moldau anschwillt und die Flut im Mühlarme der Moldau bis zu des alten Steinbildes Barte ansteigt, dann räumen jene aus, denn es ist dann vor dem wachsenden Wasser Gefahr im Verzuge. Endlich geht von alters her noch ein Sprüchwort von der Prager Brücke: Man kann nicht über die Prager Brücke gehen, ohne daß einem begegne ein Mönch, eine feile Dirne und ein weißes Pferd. |
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