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Deutsches Sagenbuch
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Vorbehalten    Inhalt     

  1. Adamiten in Böhmen
  2. Hundetaufe
  3. Stinkende Bomben
  4. Die heilige Erde
  5. Die Mönche von Saar
  6. Die schwarze Schule zu Budecz
  7. Geisterheer vor Saaz
  8. Das Heidengrab auf dem Suatabor
  9. Brotschuhe und Semmelschuhe
  10. Der verwünschte Burggraf

680. Adamiten in Böhmen

Im Jahre 1421 erhob sich auch im Lande Böhmen jene Sekte von ganz abscheulicher Art; neuer Zeit würde man deren Bekenntnis Emanzipation des Fleisches genannt haben. Die Bekenner verwarfen das Kleidertragen, weil Gott ja den Vater Adam und die Mutter Eva im Paradiese auch nackend erschaffen; sie gingen demnach nackend und lebten paradiesisch, wenn auch gerade nicht im Stande der Unschuld. Männlein und Weiblein machten sich keine Schürzen, dieweil sie sich nicht schämten. Diese schamlosen und schändlichen Possenreißer fanden viel Anklang und Zulauf, denn die Frechheit und der Unsinn sind ansteckend. Einer dieser Adamiten nannte sich Adam, ein anderer sagte, was neuere Weltweise gleichen Glaubens auch gesagt haben: Es gibt keinen Gott, der Mensch ist Gott – denn es ist alles schon dagewesen. Auch die Adamiten waren schon lange vor denen dagewesen, die sich in Böhmen auftaten. Die menschliche Narrheit, Bosheit und Wollust kommen immer aufs neue wieder und kleiden sich in das Gewand ihrer Zeit. Die Hussiten machten den Adamiten in Böhmen ein schnelles Ende.

681. Hundetaufe

Zu Beraun im Rakonitzer Kreise war die Bevölkerung gemischt, halb Deutsche, halb Böhmen, daher auch deutscher und böhmischer Gottesdienst dort von verschiedenen Priestern gehalten ward, und da fehlte es nicht an stammfeindlicher Reibung, die zu unterhalten bis auf den heutigen Tag eine Slawenpartei sich bemüht. Großes Unrecht begingen aber die Deutschen zu einer Zeit in Beraun gegen die Böhmen; sie wickelten einen Hund in Tücher und Kleider, gingen in die Kirche und sandten zum böhmischen Priester, er möge doch eilend kommen, der deutsche Priester sei nicht daheim, und das Kindlein sei sehr schwach. Der Priester kleidete sich willig an, sein heiliges Amt zu versehen, und sah nun, als er in die Kirche kam, mit großem Schrecken und Abscheu einen Hund in den Windeln und im Taufzeug. Über diesen Schrecken des Priesters schlugen die Deutschen ein unmenschliches Gelächter auf, warfen den Hund in den böhmischen Taufstein und eilten von dannen. Dieser gottlose Frevel einiger ruchlosen Gesellen trug eine entsetzliche Frucht, der erzürnte Priester stürmte seine leidenschaftlichen Stammgenossen zusammen, diese wappneten sich und erschlugen und vertrieben alle Deutschen aus Beraun.

682. Stinkende Bomben

Zwischen Beraun und Prag liegt auf hohem Fels die herrliche und stattliche Burg und Festung Karlstein, dem Lande zum Schutz, dem Feinde zum Trutz erbaut vom Kaiser Karl IV., noch völlig wohl erhalten, voll Altertümer und Sehenswürdigkeiten, mit einem riesigen Turme, mit Kirchen, Kapellen, Königssälen und tiefen Kerkern. Da zeigt man die Bettstätte der heiligen Ludmille, den Schädel des Lindwurms, den der heilige Georg tötete, und viel anderes an Kostbarkeiten und Geräten. Im Jahre 1422 wurde Karlstein belagert und auf eine Weise beschossen, wie vor und nach wohl keine andere Festung. Die Besatzung hielt zu ihrem rechtmäßigen Herrn, dem König Sigmund; die von diesem abgefallenen Hussiten und die aufgewiegelten Stände aber hatten den Großherzog Vitold von Litauen zum König von Böhmen erwählt, nachdem der Polenkönig Wladislaw die zweideutige, einem andern geraubte Krone nicht angenommen. Vitold aber, am Selbstkommen verhindert, sandte einen Reichsverweser, seinen Neffen, den Prinzen Koribut von Litauen, welcher mit fünftausend Reitern in Prag einzog und von dem abgefallenen Volke umjubelt wurde. Dasselbe hatte große Lust, den Fremdling mit den Zeichen der böhmischen Königswürde alsobald zu schmücken; diese Zeichen lagen aber wohlverwahrt auf dem Karlstein, welchen dessen Burggraf Tluksa von Buraine auf das tapferste verteidigte, ja die Krone Böhmens hatte derselbe mit Absicht selbst vom Karlstein entfernt und an einen andern geheimen und sichern Ort, nach Schloß Welhartitz, bringen lassen. Zuerst wurde mit Pulver geschossen und mit Steinen geworfen, wozu sogar Säulen aus der Kirche Maria Schnee zu Prag dienen mußten, da das aber zur Gewinnung der Feste Karlstein nicht verhalf, so verfielen die Belagerer auf einen häßlichen Gedanken, indem sie neben nahe an elftausend Kugeln nun auch stinkende Bomben hinauf- und hineinschleuderten, nämlich alle krepierten Pferde, Esel, Schafe, Hunde und sonstiges Getiere, deren Äser in vollkommenster Fäulnis sich befanden, daneben auch Schlangen, Unrat aus geheimen Gemächern und Kloaken, ja alle nur erdenklichen Stinksachen an zweitausend Fässer voll, und war deren keines wieder zum Krauteinmachen zu gebrauchen. Von dem häßlichen und unleidlichen Schmack wurden der Besatzung alle Zähne wackelnd, aber die Festung wankte nicht, und die Belagerten deckten die Stinkbomben mit ungelöschtem Kalk zu und speisten fleißig Knoblauch und Zwiebeln, und da im Sommer auf vierzehn Tage Waffenstillstand gemacht wurde, verschafften die Apotheker zu Prag gute Zahnlatwergen aus Eichenlohe, Alaun und Scharbockkräutlein. Und hernach, je mehr die Feste endlich an allem Mangel litt, um so besser wehrte sie sich, und die Belagerer wurden der Belagerung satt und müde und meinten, daß durch unterirdische Gänge den Belagerten immer neue Mundvorräte zugeführt würden – und da wurde ein Beschluß gefaßt, bis Martini die Belagerung fortzusetzen, ergebe die Feste sich dann nicht, so möge sie belagern, wer da wolle, Hinz oder Kunz, denn dann werde es kalt, und des Sultans Janitscharen gingen auch nach Hause, wann der Winter komme. Das hörten die Belagerten, bei denen die Bissen immer schmaler wurden, gar gern, baten auf Allerheiligen- und Allerseelentag – acht Tage vor Martini – wiederum um einen Stillstand, denn sie müßten eine Hochzeit auf der Burg feiern, und als die Tage kamen, da ließen sie pfeifen und trommeln lustiglich – hatten aber weder Braut noch Bräutigam, weder Wein noch Fisch, weder Brot noch Braten mehr, nichts zu beißen und zu brocken für ihre wackligen Zähne als nur noch einen einzigen Bock. Diesen schlachteten sie, vierteilten ihn, machten den Rücken recht blutig, schnitten einen Sattel auf, der mit Rehhaaren gepolstert war, und streuten solcher Haare etliche drauf, taten auch Lorbeerblätter und eine Handvoll Wacholdern dran und sendeten diesen Braten als frischen Rehrücken zum Dank für die nicht frischen Braten, die ihnen über die Mauer geworfen worden waren, den Belagerern. Da sprachen diese: Nun sehen wir ja, daß es denen da droben nimmer an frischem Wildbret gebricht, nun ist es Zeit, abzuziehen! – und da ging es wie mit dem Glomssack zu Memel in Litauen, und der Prinz von Litauen ließ die Belagerung aufheben, zumal das Belagerungsheer schwürig wurde und ein Aufstand in Prag selbst drohte, allwo das Volk den Reichsverweser und seine Helfershelfer, die wie Pilze emporgeschoßten Regentschaftler, allbereits satt hatte bis an den Hals. Derselbe Prinz hatte einen Vetter im Lager, und als es zum Abzug kam, wandte sich dieser noch einmal um, hinauf zum Karlstein blickend, und sagte: Es ist doch schade, daß wir abziehen; gern hätte ich den Karlstein inwendig besehen. Kaum hatte er das Wort gesprochen, so knallte droben ein Valetschuß und Gruß aus einer Kartaune, sauste eine Stückkugel daher und riß dem Sprecher den Kopf ab.

683. Die heilige Erde

Im Czaslauer Kreise des Böhmerlandes liegt das berühmte Kloster Sedlitz, das hatte eine so schöne Kirche, daß nur der Dom in Prag sie übertreffen mochte. Daher verbot Ziska, der grimme Hussitenführer, diese Kirche zu schädigen; aber einer seiner Hauptleute, der das Verbot vielleicht überhört hatte, äscherte sie dennoch ein. Ziska versprach den, der es getan, mit Silber und Gold reichlich zu lohnen, und da sich der Mordbrenner in Hoffnung des Gewinnes angab, ließ er ihm im Feuer fließend gemachtes Gold und Silber reichlich in den Hals gießen.

Bei dieser Kirche ist ein Friedhof, zu dem ist, wie auf dem der Juden zu Worms, Erde aus dem Heiligen Lande herbeigeführt worden, und in sotaner Erde verwesen die Leichname mit solcher Schnelle, daß sie nach vierundzwanzig Stunden hundert Jahre gelegen zu haben scheinen, versteht sich, nur die Leichen derjenigen Toten, die im Stande der Gnaden Gottes verstorben und begraben worden, denn solcher, die zur Hölle fahren, nimmt sich diese heilige Erde nimmermehr an. Die Gruftkapelle auf diesem Totenhof ist ein wohlgeordnetes Beinhaus, da hat ein blinder Mönch alle Gebeine kunstgerecht und zierlich gelegt. Viel Wundersames hat sich dort gezeigt und zugetragen. Anno 1663 den 16. Juli sahe man eine große Prozession Geister, mit weißen Kleidern angetan, mit brennenden Kerzen in den Händen, einen himmlischen Gesang singend, um den ganzen Kirchhof herumgehen. Und im Jahre 1657 den 20. August war eine große Schar Religiosen in weißen Cucullen eben auch in gleicher Weise mit Gesang und Lichtern allda umgegangen. Eben in diesem Jahr am andern Ostertag kam in dieses Beinhaus Rudolf Reichenberger, ein Jesuit, verwunderte sich über die unbeschreibliche Menge der Totenbeine und sprach zu seinem Gefährten, unwissend, daß diese Gebeine von Kindern der Seligkeit waren: Was vermeinest du, wieviel sind von diesen verdammt? – Kaum daß er dieses ausgeredet, so erhub sich alles Gebein mit einem großen Getöse, und wurde dieser von denen Geistern aus dem Beinhaus hinausgesteinigt. Dieser Jesuit kam zwar nach wie vor vom Kuttenberg, um mit der studierenden Jugend allda spazierenzugehen, unterstand sich aber niemals mehr, mit einem Fuß in dieses Beinhaus zu treten.

684. Die Mönche von Saar

Hart an der Grenze von Böhmen und Mähren liegt das Kloster Saar, durch einen Bach also geschieden, daß die eine größere Hälfte im Czaslauer Kreis in Böhmen, die andere aber auf mährischem Gebiete liegt. Saar, im Jahre 1234 erbaut, war ursprünglich ein Zisterzienserkloster, da es aber durch den Krieg sehr verwüstet und die Mönche teils erschlagen, teils vertrieben worden, verwaltete der Kardinal Dietrichstein, Bischof von Olmütz, des Klosters Güter und setzte 1614 Franziskanermönche in die verlassenen Zellen. Sie hatten aber vom Geisterspuk viel zu dulden, wie aus den alten Klosterchroniken zu ersehen ist. Es erschienen ihnen oft die toten Zisterzienser und ermahnten sie mit den Worten: Cedite nostris, das Kloster zu verlassen; ja, wenn die armen Franziskaner zum Gottesdienst oder zum Essen gehen wollten, fanden sie nicht selten ihren Platz im Chor oder an der Tafel von den Geistern schon besetzt und die Speisen verzehrt. Da sie solche Drangsal nicht länger ertragen konnten, räumten sie das Kloster mit Genehmigung des Kardinals im Jahre 1638 den Zisterziensern wieder ein, und hat man von der Stund an vom Geisterspuk allda nichts mehr vernommen.

685. Die schwarze Schule zu Budecz

Der Teufel hat zu allen Zeiten und überall seine Studenten und Kandidaten gehabt, in und außer Deutschland, zu Salamanka, zu Toledo, zu Krakau wie in Nordfriesland, und auch in Böhmen zu Budecz. Alldort war ohne Zweifel dieser Teufelsseminare das älteste, denn es geht die Sage, daß daselbst auf dieser Schule aller Zauberei und Teufelskünste schon Libussa mit ihren Schwestern und ihren Mägden, welche letztere hernach ganz des Teufels wurden und den blutigen Mägdekrieg anspannen, studiert habe, hernachmals ist zu Budecz auch eine christliche löbliche Akademie, lange vor Aufrichtung der Hochschule zu Prag, welches damals ja noch gar nicht gegründet war, gewesen, und sind alldorten zuerst in Böhmen die lateinischen Buchstaben gelehrt worden. Dieses Budecz ist seit lange nichts mehr als ein Steinhaufen mit etlichen verworfenen Gräben; es hat selbiges gelegen zwischen Prag und Welwarn, einem Städtlein, das auch bereits im Jahr 996 erbaut worden.

686. Geisterheer vor Saaz

Im Jahre 1201 hat es sich begeben, daß die Bürger von Saaz um Mitternacht durch Waffenrasseln und Trompetengeschmetter aus dem Schlafe geschreckt wurden, also daß sie schnell zu den Waffen griffen und alle Mauern und Wälle besetzten. Sie sahen auch ein unermeßliches Heer am Fuße der Höhe, worauf die Stadt erbaut ist, wogen und in geschlossenen Reihen heranstürmen, Wurfgeschütze richten, Springgräben graben und Sturmleitern anlegen. Die Bürger von Saaz sandten einen Hagel von Pfeilen, Bolzen und Steinen dem angreifenden Feind entgegen, waren aber doch in großer Angst und Sorge, weil sie der Übermacht zu erliegen fürchten mußten. Während nun die Greise, Weiber und Kinder in den Gotteshäusern betend auf den Knieen lagen und die streitfähigen Männer wacker kämpften, dämmerte der Morgen herauf, und siehe – da war weit und breit außer denen der Stadt auf den Mauern kein Bewaffneter zu sehen. Ausgesandte Kundschafter fanden keine Spur eines dagewesenen Feindes, nur mit den Pfeilen und Bolzen der Bürger war der Boden besäet. Man mußte daher glauben, daß es ein Geisterheer gewesen, das die guten Bürger habe äffen und ihren Mut erproben wollen. Diese zogen nun vor die Stadt hinaus und lasen ihre Pfeile und Bolzen wieder zusammen.

687. Das Heidengrab auf dem Suatabor

Ohnweit der Stadt Schüttenhofen im Prachiner Kreise erhebt sich der Suatabor, ein hoher Berg mit einem Heilquell und einem umfriedeten Raum, der wird das Heidengrab genannt. Unten rollt das Flüßchen Wottawa seine Wellen der Moldau zu und führt Gold und gute Perlen in seinem Sande; diese machten vorzeiten die Einwohner von Schüttenhofen reich, welches schon im Jahre 790 erbaut worden sein will. Als die Mugeln (Mongolen, Tataren) in das Land fielen, verriet ihnen der Umwohner Neid und Bosheit Schüttenhofens Reichtum, und ein Heerhaufen derselben zog alsbald heran, sich aller Schätze zu bemächtigen. Wie groß aber dazumal auch die Furcht und der Schrecken waren und förmlich entmannend wirkten, so erhob sich doch ein Tapferer, sammelte um sich her eine mutige Schar, legte sich am Suatabor in einen Hinterhalt und begrüßte dermaßen herzhaft den Mugelnhaufen, daß nichts übrigblieb, als alle Erschlagenen zu begraben. Entronnen war keiner. Da ließ der Held die Heiden in eine Grube werfen und türmte ihnen den Hügel auf. Die Sage geht, daß sich dieses Heidengrab alle Jahre dem Heilbrunnen um eine Daumensbreite nähere; wann es dem Quellbrunnen ganz nahe sein wird, wird im Königreiche Böhmen eine große weitumgreifende Veränderung vor sich gehen.

688. Brodschuhe und Semmelschuhe

Einer Mutter in Böhmen starb ihr Kind, ihr einziges und herzliebstes, und sie schmückte es im Sarg auf das allerschönste und tat ihm das beste Kleidchen an, und setzt' ihm das feinste Kränzlein auf, und zog ihm Strümpfchen an, so weiß wie Schnee, und neue rothe Schühlein – aber die Schühlein, die waren doch zu hart, die däuchten ihr nicht zart genug für des Kindes Füßchen, und sie wußte etwas Weicheres. Vom feinsten Brodmehl nahm sie, machte Teig und formte Schuhe daraus, und buk sie, doch nicht zu hart, und da hatte das Todte/ neue braune Schuhe an, statt der rothen, darin ward es begraben. Aber um Mitternacht kam das bleiche Kind in seinem Kränzelein und weißen Kleidchen, und sah so jammerig aus, und hielt der Mutter das Füßchen hin, daß sie den einen Schuh ausziehen sollte, und dann den andern; sie aber verstand es nicht, und das Kindlein verschwand wieder. So kam es zum zweiten- und zum drittenmal, und deutete auf die Schuhe und ließ der Mutter keine Ruhe, und da verstand diese endlich, was es wollte, und ließ das Särglein wieder ausgraben, zog dem Kinde die Brodschuhe aus und die rothen Schuhe an, und ließ es wieder einsenken unter heißen Thränen. Und von da an hatte sie Ruhe, so viel eine Mutter Ruhe haben kann, der ihr einziges und herzliebstes Kind im Grabe liegt.

So hat sich auch etwas Wunderbares, nur in ganz anderer Weise, zugetragen mit dem Schlosse auf dem Hradelberge, nicht weit vom Dorfe Oberkamenzen, im Klattauer Kreise, eine Stunde von Stankau. Der Ritter, der auf dem Hradek saß, ließ eine Brücke bis Stankau bauen, damit er einen guten Kirchweg habe, sintemal die Wege dortiger gebirgigen Gegenden und durch das Radbazathal noch heut nicht die besten. Aber da man vor Alters die Brücken zu pfstern pflegte, so war der neue Jirchenweg nicht weich zu gehen, und der stolzen und zärtlichen Tochter des Burgherrn also unliebsam, daß sie Semmeln nahm, aushöhlte und statt Schuhsocken anzog, damit zur Kirche zu gehen. Solchen Mißbrauch des lieben Brodes aber nahm der Himmel ihr noch viel übler, als jener Mutter, die nur im heiligen Schmerz übergroßer iebe ihrem todten Kindlein die Brodschuhe anzog – und als das stolze Fräulein aus dem Schlosse trat, da krachte es hinter ihr und vor ihr und Schloß und Brücke versank, und sie selbst versank auch mit, und blieb nichts von ihr zu sehen übrig, als ihre Fußstapfe in einer Brückenstufe.

689. Der verwünschte Burggraf

Im Rathause zu Ellbogen wird ein metallner Klumpen von der Größe eines Pferdekopfes gezeigt, den die Inwohner den verwünschten Burggrafen nennen. Vor langer Zeit hauste auf dem Schlosse ein Ritter, der gar ein hartherziger, grausamer Mann war. Wenn ein Pilger aus fernen Landen kam und das Gastrecht in Anspruch nehmen wollte, trieb er ihn mit harten Worten, auch wohl mit tätlicher Mißhandlung hinweg, und seine Untertanen seufzten unter der Strenge seiner Geißel. Da kam einst auch ein müder Pilgersmann, der aber ein Nekromant war und in geheimen Dingen wohl erfahren, vor des Schlosses Pforte und erbat Obdach für die Nacht, aber als ihn darauf der Burgherr hart anließ und von dannen wies, so hat der Nekromant ihn verflucht, ewiglich hart zu bleiben. Alsbald wurde der Burggraf von Ellbogen zu besagtem Klumpen, welcher ganz schwarz ist und wie Metall klinget. Der kaiserliche General Johann von Werth hat ihn heimlich in den Schloßbrunnen werfen lassen, nach vielen Jahren ist er aber wieder herausgezogen worden. Man hat schon oft versucht, durch Feuer oder Schlagen die Bestandteile des rätselhaften Metallklumpens zu erforschen, hat ihn aber nie zerschmelzen oder im mindesten verletzen können. Manch schwacher Mensch hat ihn mit leichter Mühe aufgehoben und getragen, wogegen ihn starke Personen kaum von der Stelle rühren konnten, und wer mit einer Todsünde behaftet und befleckt ist, vermag ihn gar nicht zu erheben.

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