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Till Eulenspiegel
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Wie Eulenspiegel in Eisleben einen Wirt erschreckte mit einem toten Wolf, den er zu fangen versprochen hatte

IN EISLEBEN wohnte ein spöttischer und stolzer Wirt. Der glaubte fest, daß er ein großer Gastwirt sei. Da kam Eulenspiegel in seine Herberge. Es war in den Wintertagen, und es lag viel Schnee. Dann kamen drei Kaufleute aus Sachsen, die nach Nürnberg wollten und bei finstrer Nacht in der Herberge eintrafen. Der Wirt war sehr redselig, hieß die drei Kaufleute mit schnell gesprochenen Worten willkommen und fragte, wo sie, zum Teufel, so lange gewesen seien, daß sie so spät zur Herberge kämen. Die Kaufleute sprachen: "Herr Wirt, Ihr dürft nicht so mit uns zanken! Uns ist unterwegs ein Abenteuer widerfahren: Ein Wolf hat uns viel Ungemach zugefügt. Der begegnete uns im Schnee, so daß wir uns mit ihm herumschlagen mußten, das hielt uns so lange auf."

Als der Wirt das hörte, spottete er über sie und sagte, es sei eine Schande, daß sie sich von einem Wolf aufhalten ließen. Und wenn er allein auf dem Felde sei und ihm zwei Wölfe begegneten, so wolle er sie schlagen und verjagen, davor solle ihm nicht grauen! Und sie seien zu dritt gewesen und hätten sich von einem Wolf erschrecken lassen! Es währte den ganzen Abend, daß der Wirt die Kaufleute verächtlich behandelte, bis sie zu Bett gingen. Eulenspiegel saß dabei und hörte sich das Gespött an.

Als sie nun zu Bett gingen, wurden die Kaufleute und Eulenspiegel in eine Kammer gelegt. Da sprachen die Kaufleute untereinander, was sie tun könnten, um es dem Wirt heimzuzahlen und ihm den Mund zu stopfen. Denn sonst würde das Gespött kein Ende haben, wenn einer von ihnen wieder in die Herberge käme. Da sagte Eulenspiegel: "Liebe Freunde, ich merke wohl, daß der Wirt ein Aufschneider ist. Wollt Ihr auf mich hören, will ich es ihm so besorgen, daß er Euch nie mehr ein Wort von dem Wolf sagt." Den Kaufleuten gefiel das wohl, und sie versprachen, ihm Zehrung und Geld zu geben. Da sprach Eulenspiegel, sie sollten hinreiten zu ihren Geschäften und auf der Rückreise wieder zu dieser Herberge kommen. Er wolle auch da sein, und dann wollten sie an dem Wirt Vergeltung üben.

Das geschah. Als die Kaufleute reisefertig waren, bezahlten sie ihren und Eulenspiegels Verzehr und ritten aus der Herberge. Der Wirt rief den Kaufleuten spöttisch nach: "Ihr Kaufleute, seht zu, daß Euch kein Wolf auf der Wiese begegnet!" Die Kaufleute sprachen: "Herr Wirt, habt Dank, daß Ihr uns warnt! Fressen uns die Wölfe, so kommen wir nicht wieder, und fressen Euch die Wölfe, so finden wir Euch nicht mehr hier." Damit ritten sie hinweg.

Da ritt Eulenspiegel in den Wald und stellte den Wölfen nach. Und Gott gab ihm das Glück, daß er einen fing. Den tötete er und ließ ihn hart frieren. Zu der Zeit, als die Kaufleute wieder nach Eisleben in die Herberge kommen wollten, tat Eulenspiegel den toten Wolf in einen Sack und ritt wieder nach Eisleben. Dort fand er die drei Kaufleute, wie sie verabredet hatten. Von Eulenspiegels Wolf wußte niemand etwas.

Abends während des Essens spottete der Wirt wieder über die Kaufleute wegen des Wolfs. Sie sagten, ihnen sei es eben mit dem Wolf so ergangen; wenn ihm zwei Wölfe auf der Wiese begegneten, würde er sich dann eines Wolfes zuerst erwehren und hernach den anderen erschlagen? Der Wirt sprach große Worte, wie er zwei Wölfe in Stücke schlagen wolle. Das ging so den ganzen Abend, bis sie zu Bett gehen wollten. Eulenspiegel schwieg so lange still, bis er zu den Kaufleuten in die Kammer kam. Dann sagte er zu ihnen: "Gute Freunde, seid still und wacht! Was ich will, das wollt ihr auch. Laßt mir ein Licht brennen!"

Als nun der Wirt mit all seinem Gesinde zu Bett war, schlich Eulenspiegel leise aus der Kammer und holte den toten, hartgefrorenen Wolf. Er trug ihn an den Herd, unterstellte ihn mit Stecken, so daß er aufrecht stand, und sperrte ihm das Maul weit auf. Dann steckte er ihm zwei Kinderschuhe ins Maul, ging wieder zu den Kaufleuten in die Kammer und rief laut: "Herr Wirt!" Der Wirt hörte das, denn er war noch nicht eingeschlafen, und rief zurück, was sie wollten und ob sie etwa wieder ein Wolf beißen wolle. Da riefen sie: "Ach, lieber Herr Wirt, sendet uns die Magd oder den Knecht, damit er uns etwas zu trinken bringt! Wir wissen nicht, wohin vor Durst!" Der Wirt wurde zornig und sprach: "Das ist der Sachsen Art, die saufen Tag und Nacht!" Und er rief die Magd, sie möge aufstehen und den Kaufleuten etwas zum Trinken in die Kammer bringen.

Die Magd stand auf, ging zum Feuer und wollte ein Licht anzünden. Da sah sie hoch und schaute dem Wolf gerade in das Maul. Sie erschrak, ließ das Licht fallen, lief in den Hof und meinte nichts anderes, als daß der Wolf die Kinder schon aufgefressen habe.

Eulenspiegel und die Kaufleute aber riefen weiter nach etwas zum Trinken. Der Wirt glaubte, die Magd sei wieder eingeschlafen, und rief den Knecht. Der Knecht stand auf und wollte auch ein Licht anzünden. Da sah auch er den Wolf dastehen und meinte, er habe die Magd gefressen, ließ das Licht fallen und lief in den Keller. Eulenspiegel und die Kaufleute hörten, was geschah, und Eulenspiegel sagte: "Seid guter Dinge, das Spiel will heute gut werden!"

Die Kaufleute und Eulenspiegel riefen zum dritten Male, wo der Knecht und die Magd blieben, weil sie ihnen nichts zu trinken brächten; der Wirt solle doch selber kommen und ein Licht bringen; sie könnten im Dunkeln nicht aus der Kammer kommen, sonst wollten sie wohl selbst hinuntergehen. Der Wirt meinte nichts anderes, als daß der Knecht auch eingeschlafen sei, stand auf, wurde zornig und sprach: "Hat der Teufel die Sachsen gemacht mit ihrem Saufen?" Er entzündete ein Licht bei dem Feuer und sah den Wolf am Herd stehen mit den Schuhen im Maul. Da fing er an zu schreien und rief: "Mordenio! Rettet, liebe Freunde!" Und er lief zu den Kaufleuten, die in der Kammer waren, und rief: "Liebe Freunde, kommt mir zur Hilfe, ein schreckliches Tier steht bei dem Feuer und hat mir die Kinder, die Magd und den Knecht aufgefressen!"

Die Kaufleute und Eulenspiegel waren sofort bereit und gingen mit dem Wirt zum Feuer. Der Knecht kam aus dem Keller, die Magd aus dem Hof, und die Frau brachte die Kinder aus der Kammer, so daß man sah, daß sie noch alle lebten. Eulenspiegel ging herzu und stieß den Wolf mit dem Fuß um. Der lag da und rührte kein Glied. Eulenspiegel sagte: "Das ist ein toter Wolf. Macht Ihr deshalb so ein Geschrei? Was seid Ihr für ein Angsthase! Beißt Euch ein toter Wolf in Euerm Haus und jagt Euch und all Euer Gesinde in die Ecken? Vor noch nicht langer Zeit wolltet Ihr zwei lebendige Wölfe auf dem Felde erschlagen. Aber Ihr habt nur in Worten, was mancher im Sinn hat."

Der Wirt hörte und merkte, daß er genarrt worden war, und ging in die Kammer zu Bett. Er schämte sich seiner großen Worte und daß ein toter Wolf ihn und all sein Gesinde in Schrecken versetzt hatte. Die Kaufleute waren lustig, lachten und bezahlten, was sie und Eulenspiegel verzehrt hatten. Dann ritten sie von dannen. Und nach dieser Zeit sagte der Wirt nicht mehr so viel über seine Mannhaftigkeit.

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Wie Eulenspiegel in Köln dem Wirt auf den Tisch schiß und ihm sagte, er möge kommen, damit er es fände

BALD DANACH kam Eulenspiegel nach Köln in eine Herberge, und er drückte sich zwei oder drei Tage herum, um sich nicht zu erkennen zu geben. In diesen Tagen merkte er, daß der Wirt ein Schalk war. Da dachte er: Wo der Wirt ein Schalk ist, da haben es die Gäste nicht gut, du solltest dir eine andere Herberge suchen. Am Abend merkte es der Wirt Eulenspiegel an, daß er eine andere Herberge suchte. Er wies den anderen Gästen ihre Betten an, nicht aber Eulenspiegel. Da sprach dieser: "Wie, Herr Wirt, ich bezahle meine Kost ebenso teuer wie die, denen Ihr ein Bett anweist, und ich soll hier auf der Bank schlafen?" Der Wirt sagte: "Siehe, da hast du ein paar Bettlaken!" und ließ einen Furz. Und auf der Stelle ließ er noch einen und sprach: "Siehe, da hast du ein Kopfkissen!" Und zum dritten Male ließ er einen fahren, daß es stank, und sagte: "Siehe, da hast du ein ganzes Bett! Behilf dich bis morgen und lege sie mir auf einen Haufen, damit ich sie beieinander wiederfinde!" Eulenspiegel schwieg still und dachte: Sieh, das merkest du wohl: du mußt den Schalk mit einem Schalk bezahlen. Und er lag die Nacht auf der Bank.

Nun hatte der Wirt einen schönen Klapptisch. Die Flügel klappte Eulenspiegel auf, schiß auf den Tisch einen großen Haufen und klappte ihn wieder zu. Am Morgen stand er früh auf, ging vor des Wirtes Kammer und sprach: "Herr Wirt, ich danke Euch für die Nachtherberge." Und damit ließ er einen großen Furz und sagte: "Seht, das sind die Federn von dem Bett. Das Kopfkissen, die Bettlaken und die Decken mit dem Bett habe ich zusammen auf einen Haufen gelegt." Der Wirt sprach: "Herr Gast, das ist gut, ich will danach sehen, wenn ich aufstehe." Eulenspiegel sagte: "Das tut! Schaut Euch um, Ihr werdet das schon finden!" Und damit ging er aus dem Haus.

Der Wirt sollte zu Mittag viele Gäste haben und sagte, die Gäste sollten auf dem hübschen Klapptisch essen. Als er nun den Tisch aufmachte, zog ihm ein böser Gestank in die Nase, er fand den Dreck und sprach: "Er gibt den Lohn nach den Werken, einen Furz hat er mit einem Scheißen bezahlt."

Dann ließ der Wirt Eulenspiegel zurückholen, weil er ihn noch besser kennenlernen wollte. Eulenspiegel kam auch wieder, und er und der Wirt vertrugen sich in ihrer Schalkheit so, daß Eulenspiegel fortan ein gutes Bett bekam.

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Wie Eulenspiegel den Wirt mit dem Klange des Geldes bezahlte

LANGE ZEIT blieb Eulenspiegel in Köln in der Herberge. Einmal begab es sich, daß man das Essen so spät zum Feuer brachte, daß es später Mittag wurde, ehe die Kost fertig war. Eulenspiegel verdroß es sehr, daß er so lange fasten sollte. Der Wirt sah es ihm wohl an, daß es ihn verdroß, und er sprach zu ihm: wer nicht warten könne, bis die Kost zubereitet sei, der möge essen, was er habe. Eulenspiegel ging in eine Ecke und aß eine trockene Semmel auf. Dann setzte er sich an den Herd und beträufelte den Braten, bis er gar war.

Als es zwölf schlug, wurde der Tisch gedeckt, und das Essen wurde gebracht. Der Wirt setzte sich zu den Gästen, aber Eulenspiegel blieb in der Küche am Herd. Der Wirt sprach: "Wie, Eulenspiegel, willst du nicht mit am Tisch sitzen?"

"Nein", sagte er, "ich mag nichts mehr essen, ich bin durch den Geruch des Bratens satt geworden." Der Wirt schwieg und aß mit den Gästen, die nach dem Essen ihre Zeche bezahlten. Der eine ging fort, der andere blieb, und Eulenspiegel saß bei dem Feuer.

Da kam der Wirt mit dem Zahlbrett, war zornig und sprach zu Eulenspiegel, er möge zwei kölnische Weißpfennige für das Mahl darauflegen. Eulenspiegel sagte: "Herr Wirt, seid Ihr ein solcher Mann, daß Ihr Geld von einem nehmt, der Eure Speise nicht gegessen hat?" Der Wirt sprach feindlich, er müsse das Geld geben. Habe Eulenspiegel auch nichts gegessen, so sei er doch von dem Geruch satt geworden. Er habe bei dem Braten gesessen, das sei soviel, als habe er an der Tafel gesessen und habe gegessen. Das müsse er ihm für eine Mahlzeit anrechnen. Da zog Eulenspiegel einen kölnischen Weißpfennig hervor, warf ihn auf die Bank und sprach: "Herr Wirt, hört Ihr diesen Klang?" Der Wirt sagte: "Diesen Klang höre ich wohl." Eulenspiegel nahm schnell wieder den Pfennig auf, steckte ihn in seinen Säckel und sprach: "Soviel Euch der Klang des Pfennigs hilft, soviel hilft mir der Geruch des Bratens in meinem Bauch." Der Wirt wurde unwirsch, denn er wollte den Weißpfennig haben, aber Eulenspiegel wollte ihm den nicht geben und das Gericht entscheiden lassen. Der Wirt gab es auf und wollte nicht vor das Gericht. Er befürchtete, daß Eulenspiegel es ihm so heimzahlen würde wie mit dem Klapptisch, ließ ihn im guten fortgehen und schenkte ihm die Zeche.

Eulenspiegel zog von dannen, wanderte fort vom Rhein und zog wieder in das Land Sachsen.

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Wie Eulenspiegel von Rostock schied und dem Wirt an das Feuer schiß

MIT EIFER reiste Eulenspiegel von Rostock weg, als er die Schalkheit verübt hatte, und ging zur Herberge in einen Flecken. In dem Haus war nicht viel zu essen, denn dort herrschte eitel Armut. Der Wirt im Haus hatte viele Kinder, und bei ihnen war Eulenspiegel nur ungern. Eulenspiegel band sein Pferd im Stall fest, ging in das Haus, kam zur Feuerstelle und fand einen kalten Herd und eine leere Wohnung. Da begriff er, daß hier nichts als Armut war. Er sprach: "Herr Wirt, Ihr habt böse Nachbarn." Der Wirt sagte: "Ja, Herr Gast, das habe ich; sie stehlen mir alles, was ich im Hause habe."

Da mußte Eulenspiegel lachen und dachte: hier ist der Wirt wie der Gast. Er hatte wohl Lust dazubleiben, aber die Kinder mochte er nicht leiden, denn er sah, daß sie ihre Notdurft hinter der Haustür verrichteten, ein Kind nach dem andern. Da sprach Eulenspiegel zu dem Wirt: "Wie sind doch Eure Kinder unsauber! Haben sie keine Stelle, wo sie ihre Notdurft verrichten können als hinter der Haustür?" Der Wirt sagte: "Herr Gast, was scheltet Ihr darüber? Mir mißfällt nichts daran, ich schaffe es morgen hinweg."

Eulenspiegel schwieg. Später, als er seinen Drang verspürte, schiß er einen großen Haufen Dreck an das Feuer. Als er bei seinem Werke war, kam der Wirt und sprach: "Daß dich das Fieber schüttle! Scheißt du an das Feuer? Ist der Hof nicht groß genug?" Eulenspiegel sagte: "Herr Wirt, was scheltet Ihr darüber? Das macht mir nichts aus, ich schaffe es täglich weg."

Und er setzte sich auf sein Pferd und ritt zum Tor hinaus. Der Wirt rief ihm nach: "Halt, und schaffe den Dreck von dem Herd weg!" Eulenspiegel sprach: "Wer der letzte ist, der kehre das Haus! So wird mein Dreck und Euer Dreck zugleich ausgekehrt."

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