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Ludwig Bechstein: Märchen
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Aschenbrödel

Ein mann und eine Frau hatten zwei Töchter, und es war auch noch eine Stieftochter da, des Mannes erstes liebes Kind, gar fromm und gut, aber nicht gern gesehen von ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern, deshalb wurde es auch schlecht behandelt. Es mußte in der Küche den ganzen Tag über wohnen, alle Küchenarbeit tun, früh aufstehen, kochen, waschen und scheuern, und nachts mußte es in der Bodenkammer schlafen. Da kroch es bisweilen lieber in die Asche am Küchenherd und wärmte sich, und da es davon nicht sauber aussehen konnte, so wurde es von der Mutter und den Schwestern noch obendrein Aschenbrödelchen genannt, aus Spott und Bosheit.

Einst war der Vater zur Messe gereist und hatte die Mädchen gefragt, was er ihnen mitbringen solle; da hatte die eine schöne Kleider, die andere Perlen und Edelgesteine gewünscht Aschenbrödel aber nur ein grünes Haselreis. Diese Wünsche hatte der Vater auch erfüllt. Die Schwestern putzten und schmückten sich, Aschenbrödel aber pflanzte das Reis auf das Grab ihrer Mutter und begoß es alle Tage mit ihren Tränen. Da wuchs das Reis sehr schnell und wurde ein schönes Bäumlein, und wenn Aschenbrödel auf dem Grab ihrer Mutter weinte, so kam allemal ein Vöglein geflogen, das sah sie mitleidig an.

Da begab sich's, daß der König ein Fest anstellte und dazu alle Jungfrauen des Landes einladen ließ, denn sein Sohn sollte sich aus ihnen eine Braut wählen. Und da schmückten sich die Schwestern überaus reizend, und Aschenbrödel mußte ihnen die Haare kämmen und schöne Zöpfe flechten, und daß sie auch gern zum Tanz mitgehen mochte, das fiel gar niemand ein. Als sie endlich es wagte, um Erlaubnis zu bitten, ward sie schrecklich ausgelacht, daß sie sich einfallen ließe, zum Tanz gehen zu wollen, da sie doch keine schönen Kleider habe und Schuhe. Die böse Stiefmutter nahm geschwind eine Schüssel voll Linsen, warf diese in die Asche und sagte: "So, so, Aschenbrödel, mache dir etwas zu tun, lies erst die Linsen; dann sollst du mitgehen, mußt aber in zwei Stunden fertig sein."

Das arme Kind ging in den Garten und rief dem Vöglein auf ihrem Haselnußbaum und auch den Täubchen, daß sie lesen sollten die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen, und bald wimmelte es von Tauben und andern Vögeln, da währte es gar nicht lange, so war die Schüssel voll Linsen ganz rein gelesen. Aber wie das gute Mädchen voller Freude die Linsen brachte, ärgerte sich die Stiefmutter und schüttete jetzt zwei Schüsseln voll Linsen in die Asche, und die sollte es nun auch noch in zwei Stunden lesen. Aschenbrödel weinte, rief aber die Vöglein wieder, und bald war auch diese Arbeit getan. Es wurde ihr aber dennoch nicht Wort gehalten, sondern sie wurde ausgelacht, denn sie habe ja keine Kleider und keine Schuhe, und wie sie sei, könne sie sich nimmermehr sehen lassen, auch müsse der Königssohn und jeder andre einen schlechten Geschmack haben, der mit ihr tanze, und da gingen jene Stolzen fort und ließen Aschenbrödel tief betrübt zurück. Die ging zu ihrem Bäumchen und weinte bitterlich, da kam das Vöglein geflogen und rief:

"Mein liebes Kind, O sage mir,

Was du wünschest, schenk ich dir!"

Da rief Aschenbrödel, indem sie das Bäumchen anfaßte:

"O liebes Bäumchen, rüttle dich!

O liebes Bäumchen, schüttle dich!

Wirf schöne Kleider über mich!"

Da flogen ein schönes Kleid herunter und kostbare Strümpfe und Schuhe, das zog Aschenbrödel geschwind an und ging auf den Ball, und das Mädchen war so schön, ach, so schön, daß es gar niemand kannte, auch nicht einmal seine Mutter und seine Schwestern, und der Königssohn tanzte nur mit ihm und mit keiner andern Jungfrau, und als es abends nach Hause ging, wollte er ihm folgen, es entwich ihm aber, zog geschwind Kleid und Schuhe aus auf dem Grabe, unter dem Bäumchen, und legte sich in seine Asche. Kleider und Schuhe verschwanden augenblicklich.

So ging es noch zweimal, immer kam Aschenbrödel unerkannt und in stets schönern Kleidern zum Tanze, immer tanzte der Königssohn nur mit ihm, und immer folgte dieser, und beim dritten Mal verlor es von ungefähr den einen kleinen goldnen Schuh; der Königssohn hob ihn auf, bewunderte seine Zierlichkeit und sprach es laut, ließ es auch durch die Herolde kundtun, nur die Jungfrau, an deren Fuß der kleine Schuh passe, solle seine Gemahlin werden, und ritt von Haus zu Haus, die Probe zu machen.

Vergebens probierten die beiden Schwestern den kleinen Schuh; es war, als ob ihre Füße ordentlich größer würden, da fragte der Königssohn, ob nicht drei Töchter da wären, und der Mann sagte: "Ja, Herr Prinz! Noch ein kleines Aschenbrödelchen !"

Und die Mutter setzte gleich hinzu: "Die sich nicht sehen lassen kann."

Der Königssohn wollte sie aber doch sehen; Aschenbrödel wusch sich fein und rein und trat ein, auch in ihrem aschgrauen Kittelchen durch ihre Schönheit die Schwestern überstrahlend. Und wie es den goldnen Schuh anzog, so paßte er prächtig, wie angegossen. Und der Königssohn erkannte sie nun auch gleich wieder und rief: "Das ist meine holde Tänzerin, meine liebe Braut!" nahm sie, führte sie aufs Schloß und befahl, ein stattliches Hochzeitsfest zuzurüsten.

Beim Kirchgang hatte Aschenbrödel ein ganz goldenes Kleid an und ein goldnes Krönlein auf dem Kopf; ihre Schwestern gingen ihr voll Neid zur Rechten und zur Linken. Da kam das Vöglein vom Haselbäumchen und pickte jeder ins Auge, daß dies erblindete. Als nun die Braut aus der Kirche ging, kam wieder das Vöglein und pickte wieder jeder das andere Auge aus, und so waren sie für ihren Neid und Bosheit mit Blindheit geschlagen ihr Leben lang.

Aschenpüster mit der Wünschelgerte

ES WAR einmal ein reicher Mann, der hatte eine einzige schöne Tochter, welche er über alle Maßen liebte. Seine Frau war gestorben. Die Tochter war außerordentlich schön, und was sie nur immer wünschte, das gab ihr der Vater, weil er kein größeres Glück kannte, als sein Mägdlein zu erfreuen, vielleicht auch, weil sie ein Wünschelfräulein war, dem jeder Wunsch ausging.

"Schenke mir ein Kleid, Vater, das von Silber steht, ich will dir auch einen Kuß dafür geben!" sprach eines Tages die Tochter zum Vater, und sie empfing bald das Kleid, und der Vater empfing seinen Kuß.

"Schenke mir ein Kleid, lieber Vater, das vom Golde steht!" sprach die Tochter bald darauf, "und ich will dir zwei Küsse geben." Auch diesen Tauschhandel ging der Vater ein. "Schenke mir ein Kleid, das von Diamanten steht, liebster Vater, und ich will dir drei Küsse geben!" bat wiederum die Tochter, und der Vater sagte ihr: "Du sollst es haben, aber du machst mich arm."

Der Vater schaffte das Kleid, und die Tochter fiel ihm dankend um den Hals, küßte ihn dreimal und rief: "Nun, herzgoldener, herzallerliebster Vater, schenke mir eine Glücksrute und Wünschelgerte, so will ich stets dein Goldkind sein und alles tun, was ich dir an den Augen absehen kann!"

"Mein Kind", sprach der Vater, "eine solche Gerte habe ich nicht, auch wird sie schwer zu bekommen sein, doch will ich mein Glück versuchen, dich ganz glücklich zu machen."

Da verreisete der Vater und nahm sein letztes Vermögen mit und forschte nach einer Wünschelgerte, aber kein Kaufmann hatte dergleichen feil. So kam der Mann weit in ein fernes Land, da fand er einen alten Zauberer und hörte, daß dieser eine Wünschelgerte besitze. Diesen Zauberer suchte der nur zu gute Vater auf, trug ihm sein Anliegen vor und fragte, was die Gerte kosten solle.

Der alte Zauberer sprach: "Wenn die Menschen Wünschelgerten mit Gelde kaufen könnten, so würde es auf Erden bald keinen Wald mehr geben, und wenn auch jedes Bäumelein und jedes Zweigelein eine solche Rute wäre. Der eine solche Gerte empfängt, opfert seine Seele und stirbt drei Tage nachher, wenn er sie aus der Hand gegeben, es wäre denn, er gäbe sie jemand, der auch seine Seele dafür zu opfern gelobt und bereit ist. Dann geht die Seele des Besitzers frei aus."

"Gut", sprach der Vater jener Tochter. "Meinem Kinde zuliebe scheue ich das verlangte Opfer nicht. Gib mir die Gerte!" Der alte Zauberer ließ den Mann seinen Namen in ein Buch schreiben und erfüllte sein Verlangen. Die weite Reise nach der Gerte zehrte den letzten Rest des Vermögens des reichen Mannes auf, der alles an die Tochter gewendet, aber es war ihm einerlei. Sie nur durch Erfüllung aller ihrer Wünsche glücklich zu sehen, war sein einziger Wunsch und Gedanke. Es ist gut, dachte er, wenn ich sterbe, denn sie würde doch noch mehr wünschen, und wenn ich ihr nun keinen Wunsch mehr erfüllen könnte, würde ich selbst sehr unglücklich sein.

Mit größter Freude empfing die Tochter aus ihres Vaters Hand, den sie mit Sehnsucht zurückerwartete, die Wünschelgerte und wußte nicht, wie sie ihm danken sollte.

Aber nach drei Tagen hatte die Tochter einen neuen Wunsch. Sie hatte von einem überaus schönen Prinzen gehört, der in einem fernen Lande wohne, sehr reich und aller Liebe würdig sei. Den wollte sie gern zum Gemahl haben.

Der Vater aber sprach: "Meine geliebte Tochter, ich gab dir alles, was ich besitze, und für deine Wünschelgerte gab ich Leib und Leben, ja meine Seele dahin. Ich scheide von dir; schaffe du dir den Prinzen selbst, den du dir wünschest, lebe glücklich und denke mein in Liebe." Mit diesen Worten neigte der Vater sein Haupt und verschied. Seine Tochter beweinte ihn aufrichtig und schmerzlich und sprach: einen bessere Vater hat es nie gegeben! Und darin hatte sie sehr recht.

Als nun der Vater dieser Tochter zur Erde bestattet war, blieben ihr nicht Verwandte, nicht Geld und Gut. Da tat sie ein Alltagskleid an, das war ein Krähenpelz, nahm ihr Silberkleid, ihr Goldkleid und ihr Diamantkleid und hing alle drei über ihre Schulter, dann nahm sie die Wünschelgerte in die Hand, schwang sie und wünschte sich in die Nähe des Schlosses, darin der gerühmte Prinz wohnte. Da war es, als ob ein Wind sie sanft erhebe, und sie schwebte, von der Luft getragen, eilend zur Ferne und war bald in einem Parkwalde, in dessen Nähe sie das Prinzenschloß durch die dicken Eichbaumstämme schimmern sah. Sie schlug mit der Gerte an die dickste dieser Eichen und wünschte, daß da drinnen ein Schrein wäre, in dem sie ihre Kleider aufhängen könne, und ein Stübchen, sich darin umzukleiden, und das geschah auch gleich alles. Sie verstellte nun ihre Gestalt in die eines Knaben und trat, mit dem Krähenpelze angetan, in das Prinzenschloß. Der Geruch feiner Speisen führte sie der Küche zu; dort bot sie dem Koch ihre Dienste an, als ein eltern- und heimatloser Knabe.

"Wohlan", sprach der Koch, "du sollst mein Aschenpüster werden, sollst früh die Feuer anschüren und am Tage unterhalten und sorgen, daß keine Asche umherfalle, dafür sollst du dich alle Tage satt essen. Mußt aber auch des gnädigsten Herrn Prinzen Röcke ausbürsten und seine Stiefel putzen und glänzend machen." Das Mädchen wartete als Knabe ihres Amtes und sahe nach einigen Tagen den Prinzen, der von der Jagd kam, den Küchengang entlangschritt und einen Vogel, den er geschossen, in die Küche warf, damit derselbe gebraten werde. Der Prinz war so schön und herrlich von Gestalt und Ansehen, daß Aschenpüster alsbald eine heftige Liebe zu ihm fühlte. Gar zu gerne wäre sie ihm genaht, doch wollte sich das nicht schicken. Da hörte sie, drüben auf einem Nachbarschlosse werde eine fürstliche Hochzeit gehalten, die daure drei Tage lang, und da sei der Prinz der vornehmste Gast und fahre täglich hinüber zum Tanze. Alles Volk und wer vom Schloßgesinde nur immer konnte, lief hinüber, die Pracht der Festlichkeiten mit anzusehen. Da bat Aschenpüster den Koch, ihr doch auch zu erlauben, hinüberzugehen und dem Tanze zuzusehen, denn die Küche sei in Ordnung, jedes Feuer gelöscht, jedes Fünklein tot und die Asche wohl verwahrt. Der Koch erlaubte seinem Diener, sich das erbetene Vergnügen zu gewähren. Aschenpüster eilte nach ihrer Eiche, kleidete sich in das silberne Kleid und verwandelte ihre Knabengestalt in die eigene, dann schlug sie an einen Stein mit ihrer Wünschelgerte, da wurde ein Galawagen daraus, und rührte an ein Paar Roßkäfer, daraus wurden stattliche pechschwarze Rosse, und ein Grasfrosch wurde zum Kutscher und ein grüner Laubfrosch zum Livreejäger. In den Wagen setzte sich Aschenpüster, und heidi, ging es fort, als flögen wir davon. In den Tanzsaal trat die stattliche Jungfrau, und von ihrer Schönheit war alles geblendet. Der Prinz gewann sie gleich lieb und zog sie zum Tanze; sie tanzte entzückend, und war sehr glücklich, aber nach einigen Reigen schwand sie aus dem Saale, bestieg ihren draußen harrenden Wagen, schwang die Gerte und rief:

"Hinter mir dunkel, und vor mir klar, Daß niemand sehe, wohin ich fahr!"

Es sah es auch niemand, wohin sie fuhr, aber der Prinz war über das schnelle Verschwinden seiner schönen Tänzerin sehr unruhig, und da auf alle seine Fragen, wer sie gewesen und woher sie sei, niemand Auskunft geben konnte, so verbrachte er die Nacht in großer Unruhe, die sich am Morgen in einen schrecklichen Mißmut und in die üble Stimmung verwandelte, von der selbst Prinzen bisweilen befallen werden können.

Der Koch brachte des Prinzen Stiefel in die Küche und klagte über dessen Mißlaune, indem er die Stiefel Aschenpüster zum Putzen und Wichsen übergab. Sie übernahm diese Arbeit und wichste die Stiefel so schön, daß der Kater sich mit Wohlgefallen darin spiegelte und seinem Ich im Spiegel einen Kuß gab; davon verschwand an der Stelle, wo der Kater sich geküßt, der Glanz.

Als Aschenpüster nun in ihrer Knabengestalt und im Krähenpelze in des Prinzen Zimmer trat und die Stiefel hineinstellte, sah der Prinz gleich den matten Fleck, nahm den Stiefel, warf ihn ihr an den Kopf und schrie: "Du Bengel von Aschenpüster! Wirst du wohl besser Stiefel putzen lernen?!"

Aschenpüster hob den Stiefel auf und machte ihn wieder durchweg glänzend und schwieg.

Abends fuhr der Prinz abermals zum Tanze, und Aschenpüster erbat noch einmal Urlaub. Da Aschenpüster am vorigen Abende bald wiedergekommen und nicht über die Zeit ausgeblieben war, wie manches Dienstgesinde gerne tut, so gewährte der Koch wiederum die Bitte - und nun ging Aschenpüster zu ihrem Schrein und Kämmerlein in der Eiche und tat das goldene Kleid an, schuf sich mit der Wünschelgerte einen neuen Wagen, neue Rosse, neue Bedienung und fuhr zum Schlosse hinüber. Dort war bereits der Prinz aber verstimmt. Alles fehlte, weil sie fehlte. Da trat sie ein, strahlend wie eine Königin. Er eilte auf sie zu und führte sie zum Tanze - O wie glücklich machte ihn ihr holdes Lächeln, ihr sinniges Gespräch, ihre heitere schelmische Necklust! Viel hatte er heute zu fragen, unter anderem, wo sie her sei. Lachend antwortete Aschenpüster, "Aus Stiefelschmeiß!"

Eine kurze Stunde weilte Aschenpüster beim Tanze - mit einem Male war sie aus dem Saale verschwunden, rasch saß sie wieder in ihrem Wagen und sprach ihr Zauberwort:

"Hinter mir dunkel, und vor mir klar, Daß niemand sehe, wohin ich fahr!"

Des Prinzen Blick suchte vergebens die geliebte Gestalt. Nach ihr fragend, wandte er sich an diesen und jenen der Hochzeitgäste, niemand kannte sie. Er fragte seinen Geheimen Rat, der mit ihm als sein Begleiter gekommen war: "Sagen Sie mir doch, mein lieber Geheimerat, wo liegt der Ort oder das Schloß Stiefelschmeiß?"

Der Geheimerat machte eine tiefe Verbeugung und antwortete: "Durchlauchtigster Prinz! Höchstdieselben geruhen? Stiefelschmeiß - o ja, das liegt - das liegt - in - in - fatal, nun fällt es mir im Augenblicke nicht ein, wo es liegt. Sollte es wirklich ein Ort oder ein Schloß dieses seltsamen Namens geben? Wo sollte selbiges liegen, Eure Durchlaucht?"

Der Prinz drehte dem Sprecher den Rücken zu und murmelte ärgerlich durch die Zähne: "Ich lasse diesem Geheimerat jährlich dreitausend Taler Gehalt auszahlen, und nun weiß er nicht einmal, wo Stiefelschmeiß liegt! Es ist schauderhaft!"

Daraus erklärte sich von selbst, daß, als die Morgenröte des nächsten Tages rosig emporstieg, die Laune des Prinzen dennoch keine rosenfarbene war. Er hatte keine Ruhe, wollte früh schon ausgehen, zog seinen Rock an, den Aschenpüster rein gebürstet hatte, entdeckte darauf einige Stäubchen, rief nach einer Bürste und stampfte mit dem Fuße. Eilend lief Aschenpüster im Krähenpelze mit der Bürste herbei, der Prinz war aber so schrecklich böse, daß er ihr die Bürste aus der Hand riß, sie ihr an den Kopf warf und ihr zuschrie, sie solle ein anderesmal gleich besser bürsten.

Am letzten Abende des nachbarlichen Hochzeitfestes lief wieder alles hinüber zum Schlosse, und auch der Prinz fuhr wieder hin. Da bat Aschenpüster zum drittenmal um Erlaubnis, auch zusehen zu dürfen, darüber schüttelte der Koch sehr den Kopf, daß der Junge so neugierig sei, doch dachte er: Jugend hat nicht Tugend, und sagte: "Es ist heute das letztemal, laufe hin!"

Aschenpüster lief geschwinde in den Park in die Eiche, zog das Diamantkleid an, zauberte sich wieder Rosse und Wagen, Kutscher und Lakaien und erschien wie ein lebendiger Schönheitsstrahl beim Feste. Der Prinz tanzte vor allem mit ihr und nur mit ihr und fragte sie zärtlich, wie sie denn heiße. Aschenpüster lächelte schelmisch und antwortete: "Cinerosa Bürstankopf."

Den Vornamen, der auf Rosa ausging, fand der Prinz, zumal er kein Latein verstand, sehr schön, den Zunamen befremdlich - er hatte diese gewiß reiche und angesehene Familie noch nie nennen hören, doch sprach er, von Liebe bezwungen, indem er ihr seinen Ring an einen Finger schob: "Wer du auch sein magst, schönste Cinerosa! Mit diesem Ringe verlobe ich mich dir!" Mit hoher Schamröte auf den Wangen blickte Aschenpüster zur Erde und zitterte. Gleich darauf entfernte sie sich, als der Prinz nur einen Augenblick seine Augen anderswohin wandte. Schnell saß sie im Wagen, aber der Prinz hatte soeben Befehl gegeben, den seinen dicht hinter dem ihren aufzufahren, damit er ihr folgen könne. Aschenpüster schwang ihre Wünschelgerte und sprach:

"Hinter mir dunkel, und vor mir klar, Daß niemand sehe, wohin ich fahr!"

Und da rollte sie hin - rasch saß jetzt auch der Prinz in seinem Wagen und rollte ihr nach, aber da war ihr Wagen nicht mehr zu sehen, gleichwohl hörte man dessen Räder rollen, und so folgte der Wagenlenker des Prinzen diesem Schall. Der Tanz hatte diesesmal am längsten gedauert, schon zog der frühe Morgen dämmernd heran; die Stunde war bereits da, in der die Küchenarbeit begann, Aschenpüster zauberte schnell ihren Wagen und ihre Bedienung fort und hatte nicht Zeit, sich erst umzukleiden, sie verbarg daher eiligst ihr Diamantkleid unter dem Krähenpelze und eilte in die Küche. Der Prinz aber, welcher dem Wagen des herrlichen Mädchens nachgefahren war, sah sich mit Verwunderung dicht vor seinem eigenen Schlosse und wußte nicht, wie ihm geschah, war daher wieder sehr mißmutig und dazu sehr unmustern und übernächtig.

"Unser Prinz ist gar nicht wohl auf!" sagte zu Aschenpüster der Koch. "Er muß ein Kraftsüpplein haben oder eine Schokolade - zünde rasch Feuer an." Der Morgenimbiß wurde schnell bereitet, Aschenpüster warf des Prinzen Ring hinein, der Koch trug die Tasse auf. Der Prinz trank und fand am Boden mit Erstaunen seinen Ring und fragte hastig: "Wer war so früh schon in der Küche?"

"Euer Durchlaucht, niemand als ich und der Aschenpüster", antwortete der Koch.

"Schicke mir diesen Burschen gleich einmal herein!" gebot der Prinz, und als Aschenpüster kam, sah ihn der Prinz ganz scharf an, aber der Krähenpelz verhallte alle Schönheit.

"Komme her, tritt näher, Aschenpüster!" gebot der Prinz. "Komm, kämme mich, mein Friseur liegt noch in den Federn!" Aschenpüster gehorchte; sie trat ganz nahe an den Prinzen heran und strählte ihm mit elfenbeinernem Kamme das volle weiche Haar. Der Prinz befühlte den Krähenpelz; derselbe war an einigen Stellen abgetragen, daher etwas mürb und fadenscheinig, und durch die abgeschabten Fäden blitzte es so funkelklar wie Morgentau, das war der Diamantglanz des Prachtgewandes, das Aschenpüster noch unter ihrem Krähenpelze trug.

"Jetzt kenne ich dich, o Liebe!" rief voll unaussprechlicher Freude der Prinz. "Jetzt bist du mein, jetzt bin ich dein! Auf ewig!" Und schloß die Braut in die Arme und küßte sie.

Kurz vor der Hochzeit bat die schöne Braut sich von ihrem geliebten Bräutigam noch eine Gnade aus. Der gute Koch, der Aschenpüster so wohlwollend aufgenommen und so freundlich und gütig behandelt hatte, empfing von dem Prinzen den Ritterschlag und wurde zum Erbtruchseß erhoben. Das war ihm recht, da brauchte er das Essen nicht mehr zu kochen, wie sonst, sondern konnte es an der fürstlichen Tafel in aller Ruhe selbst mit verzehren helfen, und als die Hochzeit prachtvoll gefeiert wurde, da trug er im vollen Glanze seiner neuen Würde, geschmeckt mit Stern und Orden, dem prinzlichen Paare mit eigener Hand die Speisen auf.

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Ludwig Bechstein Märchen, Literatur  

Bechstein, Ludwig. Sämtliche Märchen. Düsseldorf: Patmos/Albatross Verlag, 1999.

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