390. Das Teufelsloch zu GoslarIm Dom zu Goslar hat man lange an einem Pfeiler einige Ellen hoch von der Erde unvertilgbare Blutflecken gezeigt. Im Jahre 1063 kam Kaiser Heinrich IV. nach Goslar, da erhob sich zwischen dem Bischof Horzilo von Hildesheim und dem Abt Widerad von Fulda ein heftiger Rangstreit um den Vorsitz, um die Ehrenstelle. Dieser Streit ging so weit, daß die erbitterten Gegner gegenseitig Bewaffnete in die Kirche bestellten, die ihnen den erstrebten Sitz erkämpfen sollten, und wirklich gedieh es durch des Teufels Anstiften dahin, daß in der Kirche mit den scharfen Waffen gekämpft wurde und das Blut an die Pfeiler umherspritzte und zur Kirchtüre hinaus auf den Kirchhof floß. Daran hatte der Teufel ein herzinniges Wohlgefallen. Er stieß ein Loch in die Wand und stellte sich den Kämpfenden dar, feuerte sie an und empfing die Seelen derer, die in diesem gottlosen und verruchten Kampfe fielen. Als endlich das Morden aufhörte, welches durch die drei Weihnachtsfeiertage gedauert haben soll, andere sagen, es sei vor Pfingsten gewesen, und der Priester am Altare intonierte: Hunc diem gloriosum fecisti!, da steckte der Teufel seinen Kopf durch das von ihm gemachte Mauerloch, streckte seine feuerrote Zunge armslang heraus und plärrte mit grober und lauter Stimme: Hunc diem bellicosum ac cruentum ego feci! Hernachmals haben sie das Loch zumauern wollen, allein es blieb offen. Vergebens ward es mit Weihwasser besprengt und ward der Mörtel mit Weihwasser angemacht; wenn es auch zu war, der letzte Stein fiel immer wieder heraus, gerade wie beim Loch auf der Frankfurter Mainbrücke. Endlich wurden Baumeister vom Herzog von Braunschweig erbeten, die mauerten in das Teufelsloch eine schwarze Katze ein und sprachen beim Einsetzen des letzten Steines: Willst du nicht festsitzen in Gottes Namen, so sitze fest in des Teufels Namen! Da hielt auch dieser Stein, aber einen Riß bekam die Mauer doch wieder, und der ist auch nicht wieder wegzubringen gewesen. Vor dem altertümlichen Rathaus auf dem Markte zu Goslar steht ein mächtig großes metallenes Schallbecken, das soll ein Werk des Teufels sein. Wer um Mitternacht daranschlägt, soll ihn rufen. Ob er kommt, weiß man nicht so ganz sicher. Es hat einen wunderbaren Klang, und wird an dasselbe geschlagen, wenn Feuer in der Stadt ausbricht, so dient es anstatt einer Sturmglocke. 391. Der Rammelsberg und der RammbergVom erzreichen Rammelsberge bei Goslar gehen viele Sagen. Es soll mehr Holz in ihm verbaut sein als in der ganzen Stadt Goslar. Kaiser Otto II. hatte einen Jäger, der hieß Ramm, und dieser Jäger hatte eine Frau, die hieß Gosa. Diesem Paare, das er sehr schätzte, schenkte der Kaiser das ganze Gebiet am Harzwald, darinnen heute Goslar und der Rammelsberg liegen, und auch weiter hinaus, über Andreasberg und Harzgerode hin, und es gründete daselbst Städte und begann den Bergbau. Nach dem Jäger wurde der eine Erzberg Rammelsberg genannt und nach der Frau Gosa der Fluß Gose, desgleichen die Stadt Goslar und deren berühmtes Bier, die Gose, wem sie schmeckt. An der St. Augustinerkapelle auf dem Frankenbergischen Kirchhofe ist des Paares Leichenstein zu erblicken. Der Jäger trägt ein erhobenes Schwert über sich in der Hand, Frau Gosa eine Krone. Der Jäger Ramm war es, der zuerst die Spur des Bergsegens entdeckte. Er verfolgte ein Wild, konnte zu Pferde nicht durch das Dickicht des Waldes dringen, band das Pferd an einen Baum und verfolgte jenes weiter zu Fuße. Als er zurückkam, hatte das Pferd mit den Hufen gescharrt und edle Erzgesteine zutage gefördert. Diese brachte Ramm dem Kaiser mit. Als der Bergbau sich anhub, hatte der Teufel auch eine Grube, die war ausschließlich sein und sehr silberreich. Woher hätte er sonst auch das viele Geld nehmen sollen, das er denen verschaffen mußte, die sich ihm verschrieben. Er ließ daher drauf und drein arbeiten und bezahlte die Knappschaft wöchentlich gleich den andern Gewerken. Da aber alle Ausbeute, welche der Rammelsberg lieferte, gemeinsam verkauft wurde, welches man alldort die Kommunion nannte, und der Erlös dann unter die Grubenherren geteilt wurde, so ließen sich einstmals die übrigen Gewerken beigehen, den Teufel zu beschuppen, worüber er so böse wurde, daß er seine ganze Grube zusammenwarf und unzugänglich machte, und wurden bei tausend Menschen vom einbrechenden Gestein erschlagen. Dieser verfallene Ort heißt noch bis heute die Teufelsgrube. Oben auf dem Gipfel des namenverwandten Rammberges über Harzgerode liegen viele Felsblöcke umher verstreut, das nennt man die Teufelsmühle. Einem Windmüller stand seine Mühle nicht hoch und frei genug, er wünschte sich eine dort hinauf, der es nie am Wind fehlen solle. Der Teufel versprach ihm solch ein Werk vom allervortrefflichsten Bau. Die wolle er in einer Nacht bauen und vor dem ersten Hahnenkraht vollenden, dafür solle nach dreißig Jahren angenehmen Lebens die Müllerseele des Teufels sein. Gleichwohl verrechneten sich bei diesem Kontrakt beide Kontrahenten. Der Teufel brachte zwar die Mühle fertig, allein da er sie dem Müller zeigte, entdeckte dieser, daß noch ein Mühlstein fehle; eilend fuhr der Teufel von dannen, diesen Stein zu holen, aber wie er wiederkehrte, da krähte schon der Hahn auf der untern Mühle. Darüber bekam der Teufel einen solchen Zorn es mußte ihm schrecklich viel an der Müllerseele liegen , daß er mit dem Stein gleich das ganze neue Werk zusammenbrach, Flügel, Räder und Wellen in Splitter knickte und die Steine bis fast aufs Fundament über den ganzen Gipfel des Rammberges verstreute. Der Müller war gescheit genug, seine Seele jetzt Gott zu befehlen, und begehrte nimmer wieder eine Mühle auf der gefährlichen Höhe. 392. Die Gruben zu St. AndreasbergTief im Harzgebirge liegt die Bergstadt St. Andreasberg mit vormals reichem Grubenbau. Unter den Gruben, von denen leider gar viele auflässig geworden sind, waren St. Andreas und Samson, Katharine Neufang, der große Johann und der goldne Altar die reichsten. Die geringeren hatten auch schöne Namen, wie Morgenröte, Abendröte, Teuerdank, Engelsburg, drei Ringe, Weinstock und noch viele andere. Es gab auch Berggeister in den Gruben. Ein redlicher Gräflich-Hohensteinischer Obersteiger, bereits alt und betagt, mit eisgrauem Haar und Bart, des Namens Jakob Illing, befuhr einst eine Grube und traf auf einen Berggeist, welcher den Obersteiger anhauchte. Da wurde dem alten Mann seltsam zumute, und versahe sich seines baldigen Todes. Als er wieder aufgefahren war, bereitete er sich christlich auf sein nahes Ende vor, es fiel ihm auch alles Haar aus, so daß er völlig kahl wurde, allein er blieb nicht nur am Leben, sondern es wuchs ihm neues schönes schwarzes Bart- und Haupthaar, er verjüngte sich zusehends, wurde ein prächtiges Männchen, freite aufs neue, zeugte viele Kinder und starb erst im höchsten Alter. Seine Nachkommen haben hernach gar lange Reihen von Jahren dem Grubenhagenschen Bergwerk als Bergmeister löblich vorgestanden. Ein anderer Steiger brachte zur Zeit guter Ausbeute einige reiche Stufen aus dem großen Johann und dem goldnen Altar beiseite, sie als Ersatz aufzubewahren, wenn einmal die Beute geringer ausfallen werde. Aber seine Mitgesellen, die das bemerkt hatten, glaubten, er habe die Stufen für sich über Seite gebracht, klagten ihn der Veruntreuung an, und da auf solcher damals die Todesstrafe stand, so wurde mit dem armen Manne kein langes Federlesens gemacht. Als er nun auf der Richtstatt kniete, um enthauptet zu werden, so rief er zuvor: Gott wird ein Zeichen tun, daß meine Unschuld erkannt werde! Fluch über die Gruben, bis ein Graf mit Glasaugen und Rehfüßen geboren wird und am Leben bleibt! Da tat der Scharfrichter seinen Schwertstreich, das Haupt des unschuldigen Mannes fiel, aber dem Rumpfe entsprangen statt des Blutes zwei Milchströme; das war das Zeichen, welches Gott tat, und gleichzeitig hörte man von fern ein Donnerkrachen, davon die Erde erbebte. Die genannten Gruben waren in sich zusammengebrochen und nie mehr befahrbar. Endlich geschah es, daß wirklich ein junger Graf geboren wurde mit Glasaugen und Rehfüßen, da hoffte man auf neuen Bergsegen aus jenen verschütteten Gruben, aber die Hoffnung trog, das seltsame Kind konnte nicht am Leben erhalten werden, sondern starb, und die Gruben blieben verschüttet auf immerdar. 393. Der Geist auf ScharzfelsAuf der Burg Scharzfels im Harz, die eine wahre Felsenburg war, saßen im eilften Jahrhundert edle Grafen von Lutterberg oder Scharzfeld. Einer derselben, der zu Kaiser Heinrich IV. Zeiten lebte, hatte ein schönes Weib, die dem Kaiser allzuwohl gefiel. Auf der Burg aber wohnte ein Hausgeist von der Natur des Hütchen und Hinzelmann, doch ist dessen Name vergessen. Er hatte schon Scharzfels aus dem Felsen aushauen und mit erbauen helfen und erschien bisweilen als ein alter Mann, klein und krüppelhaft, in der Tracht eines Bergmanns oder Schanzgräbers. Er hatte seinen Wohnsitz im Wartturme und zeigte sich bisweilen den Burgbewohnern, und zwar lebhaft und kurzweilig, wenn Erfreuliches trauervoll aber, wenn ein Unglück bevorstand. So ließ er sich in der Küche, im Hofe und in den Ställen blicken. Da nun einstmals der Graf und seine Gemahlin von einem Hoffeste in Goslar, dazu der Kaiser sie beide geladen hatte, zurück auf ihre Burg kamen, erblickten sie den Burggeist traurig und mit Augen voll Tränen, gerade als sie durch das Tor schreiten wollten, und ahndeten ein Unglück. Nicht lange danach kam ein Mönch aus dem Kloster Pölde, der ein Hausfreund auf Scharzfels war, als Sendbote des Kaisers und entbot den Grafen in sein Kloster, wo sein Lehensherr, der Kaiser, seiner harre, um ihn fernhin mit Botschaft zu entsenden. Als der Graf hinweg war, kam der Kaiser bald hernach wie von ungefähr vor einem Unwetter auf einem Jagdritt Schutz suchend nach der Burg hinauf, der Mönch, sein Vertrauter, begleitete ihn, und mit dessen Hülfe vollbrachte der Kaiser seinen schändlichen Willen an der arglosen Gräfin, die sich von dem hohen Besuch einer solchen Schandtat nicht im entferntesten versehen. Da entstand aber alsbald auf der Burg ein furchtbares Rumoren, der Geist warf die Dachungen der Türme ab und zeterte es in alle Lüfte hinaus, was der Kaiser mit seinem Helfershelfer, dem nichtswürdigen Mönch, vollbracht, und verfolgte den Mönch so eifrig und entsetzlich, daß dieser sich über dem Felsenufer des Harzflusses die Oder erhenkte, da, wo man es noch die Schandenburg nennt. Dem Kaiser reute lebenslänglich, was er getan. Der Geist litt auf dem Turm von Scharzfels nie mehr ein Dach. Manche sagen, daß nicht einer Gräfin von Lutterberg oder von Scharzfels, sondern einer Rittersfrau des Namens von der Helden vom Kaiser Heinrich so unfürstlich sei begegnet worden. 394. Die Nixei und das WeingartenlochEine Stunde von der ehemaligen Burg Scharzfels liegt in der Nähe des Dorfes Osterhagen eine weitberufene Höhle, aus der ein Wasser rinnt, das sie die Ruma nennen. Das Wasser quillt bisweilen rot hervor, und das ist das Blut einer Nixe, welche die Liebe zu einem Erdensohn, gleich andern Nixen da und dort, unglücklich gemacht. Dieses Wasser füllt einen kleinen See, der Nixteich genannt, und ein Gehöft in der Nähe heißt die Nixei. Dort soll die Nixe mit ihrem Jüngling, der ein Riesensohn war, ihre heimlichen Zusammenkünfte gehabt haben, bis der Vater des Jünglings, ein grimmiger und ungeschlachter Bergriese, dies entdeckte und dem Liebeshandel ein Ende mit Schrecken machte. Seitdem wurde die arme Nixe in jene große und furchtbare Kristallhöhle eingeschlossen, aus der sie noch immer sich zu befreien sucht, und bei solchen Anstrengungen mischt sich dann ihr Blut mit dem aus der Höhle, welche das Weingartenloch heißt, hervorquellenden Wasser. Aus den Steinbrüchen nahe der Nixei soll das Kloster Walkenried ganz und gar erbaut worden sein. In der Höhle selbst ruhen nach der Sage die reichsten Schätze, aber es ist kein Kinderspiel, sie zu erlangen. Viele holten sich über solchem Bemühen schon den Tod: Berggeister, Bergzwerge und Bergmönche gehen allzumal darinnen um, seltsame Stimmen schallen, die Metalle reden, und den Rückweg aus dem Höhlenlabyrinth findet kaum einer wieder, oder er hat sonst ein Unglück. Es ist noch nicht fünfzig Jahre her, da kam ein Mann von Eimbeck und gedachte, in der Höhle einen guten Fang zu tun. Er war mit allem wohlversehen, brachte auch Gefährten mit von Lauterburg, kroch hinein, und siehe, da hielt ihn der Gänge einer, durch den er sich hindurchzwängte, eisern fest, er konnte nicht vor, nicht rückwärts. Vergebens ward Bergmannschaft entboten, ihn herauszuhacken und herauszuschaufeln, es glückte nicht, wie beim Maurer im Brunnen zu Schilda; zuletzt flehte er inständig, ihm den Tod zu geben, denn seine Lage war trostlos und ganz entsetzlich da ward ein äußerstes Mittel versucht, nämlich ihn mit Stricken zu umgeben und auf Tod und Leben herauszuziehen. Jawohl, auf Tod denn als nun so recht kräftig gezogen wurde, da tat es endlich einen Ruck, und da hatten sie den Mann glücklich befreit. Schade nur, daß dabei sein Kopf abgerissen war. In der Höhle liegt ein großer Balken über dem unterirdischen Wasser, dahinter sitzt der Teufel neben Gold- und Silberhaufen. Wollen Leute davon haben, müssen sie zu dritt kommen und losen, wer ihm verfallen soll. Zwei gehen dann frei aus und dürfen des Mammons nehmen, so viel sie tragen können. Den dritten, den das Unglückslos trifft, zerreißt der Teufel in Stücken. Zum öftern kamen ein paar Fremde, die waren Venetianer und konnten schwarze Kunst und verlockten Leute, mit ihnen in das Loch zu gehen, denen spielten sie mit List das Todes- und Teufelslos zu, so daß sie stets leer und doch schätzebeladen ausgingen. Und da beredeten sie wieder einen Mann namens Schlosser aus Osterhagen, dem boten sie vieles Gold; er war sehr arm und hatte acht Kinder, aber er fürchtete sich. Doch hatte dieser Mann eine kluge Frau, die redete ihm zu, er solle nur getrost mitgehen. Sie wolle schon dafür tun, daß er wiederkomme. Und da nähte sie ihm braunen Dost in die Jacke und hieß ihn in Gottes Namen zu gehen. Das Zauberkraut schützte ihn, das Los traf nicht ihn, wie schlau es auch die Venetianer anfingen, sondern einen von den beiden; mit reichem Gut kehrte er aus der Höhle zurück, zog nach Andreasberg und baute sich dort ein schönes Haus. Was er aber in der Höhle Schreckliches gesehen, wie der Teufel den einen Venetianer lebendig zerrissen, das hat er all sein Lebtage nicht vergessen können. 395. Vom Kloster WalkenriedEs war eine junge Gräfin von Lohre, Alheidis, Herrn Ludwigs von Lohre Tochter, die tat geradeso wie jene Kunigunde von Kynast, sie ließ ihre Freier dreimal um die Burgmauer reiten, das brachte manchem den Tod, ihr aber nicht. Es fand sich einer, der das Abenteuer mannlich bestand, das war Herr Volkmar, Graf von Klettenberg, und als sie nun diesen geheiratet hatte, da bereute sie ihre Frevel und Sünden und ward eins mit ihm, ein Kloster zu gründen. Beide reiseten nach Köln am Rhein und nach Trier und besuchten die Gräber der heiligen Martyrer und nahmen aus dem Kloster Kampen siebenzehn Mönche mit auf ihr Gut Walkenried. Dort ward im Jahre 1127 ein herrliches Klosterstift nach der Ordensregel St. Benedikts begründet, dann aber in ein Zisterziensermönchskloster umgewandelt. Zweitausend Arbeiter hatten rastlos den Bau gefördert, doch soll er dreißig Jahre lang gedauert haben. Die Grafen von Herzberg und Lauterberg steuerten auch zum Klosterbau, sie ließen eine Million Steine anfahren. Gar eifrig erwies sich insbesondere die Gründerin Alheidis, sie opferte selbst ihren Schmuck dem Klosterbau und legte Segen und Fluch auf ihn, nämlich Fluch für den, welcher den Bau schädigen und das Kloster berauben würde. Der Fluch für solchen unfrommen Räuber lautete hautschauerig: Verflucht seien alle seine Werke! Verflucht sein Ausgang und sein Eingang! Verflucht sei sein Leben und verflucht sein Sterben! Sein Tod sei wie eines Hundes Tod! Wer ihn begräbt, der werde vertilgt! Verflucht sei die Erde, darin er jenen begräbt, und so der Räuber nicht Buße tut, so bleibe er bei dem Teufel und seinen Engeln in dem ewigen Feuer! Wo so christlich gebetet wurde und nebenbei die allerhöchste verschwenderischeste Pracht zum Aufbau und Ausschmuck des Stifts verwendet wurde, daß man den von Kreuzgängen umgebenen Garten das Paradies nannte, da mußte der Teufel auch dabei sein. Selbiger hat sich im Kloster viel und mancherlei zu schaffen gemacht, absonderlich aber seine Tücke im Bauernkriege gezeigt, wo er seine größte Lust und Freude daran gehabt, das überaus herrliche Gotteshaus und wundervolle Klostergebäude fast gänzlich aus purer Lust am Frevel zerstören zu sehen, so daß daraus Behausungen der Vögel und Füchse wurden. Die Bauern exerzierten damals mit Waffen gewaltiglich, und alle Welt sollte ihr lieber Bruder sein. Da war bei sotaner Walkenrieder Bauernwehr ein kecker Schafhirte aus Bartefelde, hieß Hans Arnold, der war Hauptmann und stolzierte prunkhaft mit Gückelhahnfedern auf dem Schlapphut vor den beiden Grafen von Lohre und Klettenberg her, die in die allerliebste Bauernbrüderschaft gezwungen waren. Drehete sich der Held auf einem Beine um, schwang seinen Spieß und rief: Siehst du, Bruder Ernst, wie ich Krieg führen und exerzieren kann? Was kannst du denn, hehehe? Graf Ernst von Klettenberg antwortete trocken: Bis zufrieden, Hänsel! Das Bier gäret wohl, es ist aber noch nicht im rechten Fasse, dahinein es kommen wird! Das war ein böses Wort, das nahmen die Herren Bauern sehr übel und hätte dem Grafen fast Prügel getragen. Er hatte aber doch recht gehabt, denn als das Blättlein sich wendete, so kam schon das Bier in das rechte Faß zusamt der Hefe und ward der Spieß garstig umgedreht, nämlich manchem kecken Bäuerlein im Leibe. 396. Zaubersaal und LutherfalleIm Kloster Walkenried zeigt man noch einen alten wüsten Boden, den nannte man früher einen Saal. Herzog Christian Ludwig zu Braunschweig hatte nach der Reformation in Walkenried eine gute Klosterschule einrichten lassen, wie zu Pforte, zu Meißen, zu Schleusingen, zu Roßleben und andern Orten andere fromme Fürsten auch getan, und hatte alle Einkünfte des Stiftes Walkenried dazu bestimmt und gesagt, er begehre in seinen Schatz keinen Heller von dem Vermögen der geistlichen Stifter. In dem erwähnten Saale nun spielten einstens die Schüler und hatten ein Zeichen gelegt, wer unter ihnen darüber und am weitesten springen könne. Da war ein Knabe aus dem nahen Städtlein Ellrich dabei, der hieß Damius (wurde hernachmals Superintendent und berühmt), und der blieb auf einmal auf einem gewissen Platz, dahin er beim Springen gekommen, stehen wie gebannt und war nicht davon wegzubringen und wegzureißen. Auch der herzugerufene Rektor vermochte es nicht. Da gedachte der Rektor, es müsse hier ein geheimer Zauber walten, und gebot dem Schüler, umherzublicken, ob er nicht ein Zeichen oder eine Schrift erblicke. Das tut der Knabe, und da nimmt er über sich einen Kreis wahr und an der Ostwand eine griechische Schrift, nach Süden aber angemalte Charaktere, und beschreibt sie, und liest die Schrift, und da wird er wieder frei. Der Rektor machte Anzeige davon, und es soll dann gen Westen in der Mauer am Fenster in einer Blende ein Steintopf voll Brakteaten, jeder so groß als ein Ortstaler (1/3 Taler- oder 1/2 Guldengröße), gefunden worden sein. Später haben noch andere gesucht mit Zauberformeln und Wünschelruten, aber obschon die Wünschelrute geschlagen und es heller Tag gewesen, so wäre ein Schrecken über sie gekommen und gewesen, als wenn ein Wirbelwind zwischen ihnen hindurchbrause und sie bis zur Decke emporziehe. Andere sagen, jener Rektor habe den Schatz heimlich gehoben und solchen Thesaurum ad usum Delphini auf sich transferieret. Noch andere haben wissen wollen, der berühmte Benediktiner und Chymiker Basilius Valentinus, der auf dem Petersberge zu Erfurt lebte und sich im Besitz des Steines der Weisen befand, habe auch im Kloster Walkenried auf eine Zeit gelebt, und jener verborgene Schatz im Zaubersaal, den der Schulrektor gefunden, sei der Stein der Weisen gewesen, welches jedoch aus vielen Gründen billig in Zweifel zu ziehen und ganz ohne Beispiel sein dürfte. Es geht auch noch die Sage, daß einst auf einer Reise durch den Harz Doktor Martin Luther von Nordhausen, allwo er gepredigt, und vom Erzbischof von Mainz beredet, mit diesem in das Stift zu Walkenried gekommen, da habe der Mönche Arglist den Reformator, dessen Werk und Wirken ihnen gar sehr zuwider, heimlich aus der Welt schaffen wollen und ihn nach einer Falle geführt, die sie bereit hatten für Missetäter. Dies Werk hieß der Marienkuß, hatte den Anschein einer kleinen Kapelle, darinnen brannte vor einem dunkeln Madonnenbilde ein ewiges Licht, das Bild aber war eine eiserne Jungfrau, und trat einer in dieses Kapellchen, so wich der Boden, und er stürzte in eine grauenvolle Tiefe hinab. Schon nahete Lutherus sich dem verräterischen Ort, siehe, da lief sein Hündlein vor ihm her und hinein, tat einen Schrei und verschwand. Da deutete Lutherus mit der einen Hand nach der Falle und mit der andern nach oben und sprach mit ernster voller Stimme nur die zwei Worte: Gott wacht! und ging, und die Mönche erbebten. 397. Der letzte Graf von KlettenbergDie Grafen von Hohenstein, Lohre und Klettenberg waren ein besitzungenreiches Geschlecht im Harzgebirge, zwei Städte, Ellrich und Bleicherode, gehörten ihnen und viele Ortschaften, Burgen, Gehöfte und Mühlen. Der letzte, vielleicht ein Enkel jenes Ernst, der dem Bauernhänsel zu Walkenried eine so treffende Antwort gab, war Graf Ernst VII. Dieser wackere Degen war in seinen jungen Jahren, zu alten kam er leider nicht, ein guter Zechbruder und tapferer Trinker. Einst war zu Ellrich auf des Grafen Kemnate daselbst eine schöne Zahl von Harzgrafen und Rittern versammelt; die Humpen kreisten fröhlich in der Runde, und in heiterer Weinlaune setzten die lustigen Kumpane eine güldne Kette zum Preise aus für den, der ihnen allen obsiegen und noch stehen werde, wenn sie alle unter den Tisch getrunken wären. Der Kampf ward hitzig und lange geführt; fort und fort wurde der kreisende Pokal geleert, bis endlich die Köpfe schwer wurden und die Helden sanken. Nur zwei hielten sich noch, zuletzt aber ergriff der eine die Goldkette, fast schon im Sinken, und hing sie dem Sieger lallend um. Dieser Sieger war Graf Ernst, der edle. Derselbige fühlte, da er im Trinksaale nichts mehr zu tun fand, ein Bedürfnis nach frischer Luft, denn es war nichts Kleines, als Sieger im Weinlanzenbrechen über so vielen tapfern Grafen und Rittern zu stehen, die alle unterlegen waren. Im Schmuck der glorreich errungenen güldenen Kette bestieg der Graf sein bereitstehendes Roß und trabte durch Ellrich, doch war ihm etwas schwül, und die frische Luft machte ihn im Sattel wanken und schwanken, wenn es nicht neben der frischen Luft etwas anderes war. Es war gerade Sonntag, und aus der offenstehenden St. Niklaskirche klang erbaulich Orgel und Gesang. Nun war Graf Ernst VII. von Hohenstein, Herr zu Lohre und Klettenberg, gar ein frommer Held, auch Administrator des Stiftes Walkenried, und da dünkete ihm, man müsse dem lieben Gott nicht ausweichen, lenkete sanft sein Rößlein nach der Kirche und vergaß nur eines, nämlich abzusteigen, er ritt ganz wohlgemut in seligem Taumel mitten durch die Gemeinde, stracklich auf den Altar zu, daß jedermänniglich erschrak und die Geistlichen sich kreuzigten und segneten. Aber siehe da, das Stampfen und Schlagen der Rosseshufe, das mit der ganzen Erscheinung die Andacht mächtig störte, nahm plötzlich ein Ende, denn durch ein Wunder des über den Frevel erzürnten Gottes entsanken plötzlich den Füßen des Pferdes alle vier Hufeisen zugleich, ja dasselbe soll selbst samt dem Reiter niedergesunken sein, mindestens auf die Kniee. Darauf trabte Graf Ernst ganz geräuschlos wieder aus der Kirche, die vier Hufeisen aber wurden zum Wahrzeichen an deren Türe genagelt, wo sie lange blieben, bis ein Brand die Kirche zerstörte, dann sind sie auf das Rathaus gekommen. Graf Ernst, welcher solchen gewaltigen Fehden, wie diese für ihn so siegreiche war, wohl häufig beiwohnen mochte, brachte sein Leben nur auf vierunddreißig Jahre, vier Monate und zweiundzwanzig Tage, doch war er zweimal vermählt. Er starb als ein frommer Christ und erhielt zu Walkenried seine Ruhestätte, und zwar in der jetzigen Klosterkirche, dem früheren Kapitelhause, und wurden sein gräfliches Wappen, wie seine Siegel und sein Degen mit ihm begraben, es ward ihm eine gar schöne Parentation gehalten und ein stattliches Denkmal errichtet, darauf er in seiner Rüstung in Lebensgröße knieend zu erblicken ist, über seine Brust weit herabhangend die bewußte güldne Kette mit wertem Kleinod. Sieht Ritter Götzens von Berlichingen Grabmal sehr ähnlich. 398. Die KelleVon der Kelle, einer viel besuchten Gipshöhle, die früher viel anders und schöner sich darstellte als jetzt, nachdem sie allmählich in sich zusammengebrochen, geht manche Sage. Der ursprüngliche Name ist Kehle, so viel als Schlund, und die Sage will, daß dieser schöne, aber auch schaurige Schlund alljährlich ein Menschenleben zum Opfer fordere. Um ihn zu versöhnen, zog in der früheren Zeit ein Priester aus Ellrich mit voller Prozession der Gemeinde, mit Kruzifix, Kirchenfahnen und Heiligenbildern nach der St. Johanniskapelle in der Nähe der Höhle und dann nach dieser selbst, senkte ein Kreuz in den eisigkalten Wasserspiegel und zog es wieder daraus hervor, und dann rief er: Kommt und guckt in die Kelle, Auch wohnt in der Kelle eine Nixe, und diese besonders hat es an der Art, Menschen in ihr Wasser zu locken, das kalt und giftig ist. Selbst ein Frosch, den einer hineinwirft, wird gleich starr und steif, was soll da erst ein Mensch tun, der kein Frosch ist! An jenem Tage, der Lissabon durch ein entsetzliches Erdbeben zerstörte (1. Nov. 1755), ward im Kehlholze über der Kelle ein seltsames unterirdisches Getöse vernommen, und in Ellrich hörte man ein langanhaltendes Krachen, wie von fernem Donner, auch zeigten die Müller an, daß das Wasser urplötzlich mit ungewöhnlicher Gewalt auf die Mühlen geschossen sei. An demselben Tage ist gleicherweise der Salzunger See in heftige Bewegung geraten, das Wasser ist in die Tiefe hinab wie in einen Trichter gestrudelt und dann wieder mit Rauschen und Brausen hervorgebrochen, so daß es die Ufer überflutet hat. Das hat in den zwanziger Jahren noch ein alter glaubhafter Mann erzählt, der es selbst gesehen, dennoch haben es Neugescheite verlacht und für Fabel erklären wollen. 399. Maria im ElendeTief im Harzgebirge führte ein Fuhrmann zur Winterszeit eine Last Weines, und an unwegsamer sumpfiger Stelle blieb sein Wagen stecken, ja es drohten Schiff und Geschirr im Schnee und Morast gar zu versinken. Da rief er, in tiefer Waldeinsamkeit sich von aller menschlichen Hülfe verlassen sehend, Gott und die heilige Jungfrau an, ihn aus diesem Elende zu retten, und siehe, es erschien ihm die Königin der Himmel und rettete ihn. Da sie ihn nun fragte, welche Fracht er geladen habe, und er antwortete: Wein!, so wünschte sie den Wein zu kosten. Dazu war der Fuhrmann gleich willig und bereit, allein er klagte, daß er keinen Becher habe. Da rührte Maria an einen Dornenstrauch, und alsbald sproßten Rosen aus dem Strauche, welche Maria brach und zu einem Becher formte, den sie dem Fuhrmann gab. Dieser ließ Wein in den Rosenbecher fließen, und siehe, der zarte Pokal hielt den Wein, wie aber der Fuhrmann nun den Wein seiner Retterin reichen wollte, so war sie verschwunden, und sein Blick suchte sie vergebens ringsumher. Leicht zogen jetzt die Pferde die Last des Wagens, bis sie an ein einsames Kirchlein kamen, das schon zu des Bonifazius Zeiten in diesen tiefen Waldeinöden erbaut sein sollte. Der Fuhrmann erkannte darin, daß seine Pferde am Kirchlein anhielten, den Wink des Himmels, hier zu danken, er trat hinein und erstaunte, als er in dem darin aufgestellten Marienbilde ganz das holdselige Frauenbild wiedererkannte, das ihm helfend und rettend erschienen war. Dankend kniete er nieder und stellte das wundersame Gefäß, den Blumenkelch, auf den Altar und erzählte allen Menschen, die er traf, das hohe Wunder. Da strömten aus Nähe und Ferne bald die Gläubigen herbei, die Wunderkraft der hülfreichen Maria im Elende anzurufen; es begründete sich, wie dort zu Grimmenthal im Henneberger Lande, ein Wallfahrtort und ein Hospital; es mußten neue und viele Türen in die Mauerwände der Kirche gebrochen werden, und die Wände bedeckten sich mit Krücken der Lahmen und Brüchigen, die geheilt von dannen gingen. Ein Nonnenkloster entstand, eine neue herrliche Kirche ward erbaut und die Rosenkirche genannt, weil ein Kreuz von vierundsiebenzig steinernen Rosen ihr Gesimse zierte. Auch ein Haus für sechs Kanoniker ward erbaut, und große Schätze wurden gesammelt, welche noch dort vergraben liegen sollen, nachdem schon längst der Glanz und aller fromme Wunderglaube dahin ist. Als die Zeit der Verwüstung gekommen war und das hülfreiche Marienbild beseitigt wurde, hat es sich erhoben und ist nach Heiligenstadt gewandelt, wo es noch bis heute der Verehrung gläubiger Christen sich erfreut. |
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