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Deutsches Sagenbuch
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  1. Junker Ludwig
  2. Hans Heilings Felsen
  3. Wald Zeitelmoos
  4. Der Nachtjäger im Butzenreut
  5. Zwergenhöhle bei Naila
  6. Der Herrgottstein
  7. Fichtelberg und Fichtelsee
  8. Schätze der Luchsburg
  9. Geisterkirche am Ochsenkopf
  10. Die Hölle auf dem Rudolfstein

690. Junker Ludwig

Nahe bei der Stadt Eger liegt ein Feldstück, darauf ist es nicht geheuer; ein Gespenst hat dort seinen Umgang, von mittlerer Mannesgröße, das heißt im Volke der Junker Ludwig. Es war derselbe einer von den unredlichen Grenzsteinversetzern, die zur Strafe nach ihrem Tode umgehen müssen rainab und rainauf, wo sie die Grenzsteine versetzt haben, bald fahl, bald feurig, bald zu Fuß, bald auch zu Roß. Es ist nicht gut, ihnen zu begegnen. Einem Mädchen, das abends vor dem Tore spazierenging und jenem Felde zu nahe kam, trat der Junker Ludwig nahe und tatschte ihr, wie er im Leben den Dirnen gern mochte getan haben, nach der Brust. Seine Hand war feuerheiß, das Mädchen kreischte auf vor Schmerz, der Junker verschwand. Als die Maid nach Hause kam, war ihre Brust schwarz, wie verbrannt, sie ächzte und sagte: Ich hab' mein Teil! Drei Tage darauf war sie tot.

691. Hans Heilings Felsen

In der Nähe von Karlsbad, am Flusse gleichen Namens, lebte ein Mann, des Name war Hans Heiling, der hatte viel an Gut und Geld, aber nicht von Gott, sondern vielmehr durch ein Bündnis mit dem schlimmen Herrgottsaffen, dem bösen Feind; der mußte ihm dienen eine lange Reihe von Jahren, und Heiling plagte ihn baß, wie Doktor Faust seinen Teufel Jost, so daß der Teufel seinen Dienst gar mächtig überdrüssig bekam. Dafür stänkerte ihn der Teufel mit dem Dampf an, den er aus seinem Rachen blies, wenn er bei ihm war, daß Heiling fast stank wie ein Tabaksraucher, der den ganzen Tag raucht, und als Hans Heiling sich in ein schönes Mägdlein heftig verliebte, die auch ihn gern sah, wurde doch nichts aus der Verbindung, weil Heiling so anrüchig war. Darauf erkor sich das Mägdelein einen andern Bräutigam, welcher nicht stank wie der Teufel oder sonst ein Stinkbock; darüber ergrimmte Hans Heiling über die Maßen, wartete die Hochzeit ab, und als nun Braut und Bräutigam mit den Gästen fröhlich beisammensaßen, da erschien er im Geleit des Teufels und schrie letzterem zu: Teufel! Deine Dienstzeit lösch’ ich dir, so du diese vernichtest! – Freut mich, hör’ ich gern! schrie der Teufel, qualmte noch einmal wie ein Bäckerschornstein und rief: Nun bist du mein! – verwandelte alle Hochzeitgäste samt dem Brautpaar in Felsenstein und gab Hans Heiling einen Drücker ins Genick und einen Tritt und stieß ihn hinab in die Eger. Niemals sah ein Auge ihn wieder, aber die Steinverwandelten stehen noch, das Brautpaar, das sich umarmt, der Brautvater und die Hochzeitgäste.

Eine andere Sage läßt den Heiling in einem nach ihm genannten Felsen hausen, in welchem eine Höhle befindlich, und allda über ein Volk von Zwergen herrschen. Dieser Felsen heißt nach ihm der Heilingsfelsen und steht mit andern zwischen dem Schlosse Aicha und dem Hofe Wildenau im Flußtale der Eger. Eine Frau aus Trabnitz ging über Pornitz in den Wald unter Aicha, Beeren zu suchen, und der Abend überraschte sie. Sie kam aber an ein schönes Haus, in das sie eintrat, und da saß ein alter Mann an einem Tisch und schrieb gar emsig. Die Frau sagte: Kann ich hier bleiben? – und der Mann sagte: Ja, das kannst du! – Wo bin ich denn? fragte sie weiter. In Heilings Hause, der nicht mehr lange weilen wird, sein Volk ist schon zum größten Teil voraus. Der Bann ist gelöst! – Bist du es nicht, der die Zwerge in Stein verwünscht hat, daß man die Steinfelsen noch heute die verwünschte Zwergenhochzeit nennt? – Schweige und schlafe! antwortete auf diese letzte Frage der alte Zauberer. Die Frau gehorchte zitternd, sie kroch in einen Winkel und entschlief. Als sie am Morgen erwachte, fand sie sich in einer Felskluft liegen, kein Gedanke an ein Haus war zu denken. Sie eilte jetzt rasch nach ihrem Dorfe zurück, aber da war alles verändert, andere Häuser, andere Menschen, und ihr widerfuhr, was anderen Bergentrückten auch widerfahren, im Kirchenbuche stand ihr Name als der einer vor hundert Jahren Verschollenen. Allein darin war sie besser daran als jenes Brautpaar im Kyffhäuser, jene Bergleute im Kuttenberg und jener Gast des Toten zu Groß-Berkentime; sie war nicht alt geworden in den hundert Jahren, sondern lebte ihre übrigen Jahre ruhig dahin und schickte sich gut in die andersgewordene Zeit, was nicht jedem gegeben.

An einem Johannistage sind auch zwei Hirtenknaben, welche Vögel fangen wollten an den Heilingsfelsen gekommen und haben unten an ihm ein Türlein offenstehen sehen. Sie gingen hinein, sahen Truhen stehen, eine offen und voll Geld, die andere leer; schleunigst sackten sie ein, ihre Schubsäcke voll, aber endlich wurde es ihnen grauslich zumute, sie eilten hinaus, und hinter dem zweiten schmetterte die Türe so heftig zu, daß sie ihm ein Stück vom Absatz seines Schuhes wegschlug. So kamen sie noch mit heiler Haut davon und brachten das viele Geld ihren Eltern glücklich nach Hause.

692. Wald Zeitelmoos

Zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, nahe dem Fichtelgebirge, streckt sich ein Wald, der heißt der Zeitelmoos, und darinnen liegt der Zeitelmoosweiher, bei dem es, der gemeinen Sage nach, nicht geheuer ist und sich allerlei von Gespenstern dort sehen läßt. Ein berühmter und hochgelahrter Mann ritt eines Abends spät noch durch den Wald, kam am Weiher vorüber, sah auf einem Holzstoß zwei Kinder sitzen, redete diese an, was sie so spät da machten, sie sollten doch nach Hause gehen, darauf begannen beide Kinder überlaut zu lachen, der Mann aber ritt seines Weges weiter; es währte gar nicht lange, so sah er an einer andern Stelle ganz die nämlichen Kinder wieder, und sie lachten auch wieder hellauf. Dem Mann graute – er sprach die Kinder nicht zum zweiten Male an, sondern ritt still vorüber.

Ein anderer gelehrter Mann erzählte, daß auch er eines Abends zu Fuße bei Mondschein im Spätherbst am Teich vorüber und die Höhe hinangekommen, und habe zu seiner Auferbauung das geisterquickende Lied gesungen:

Himmel, Erde, Luft und Meer,

Zeugen von des Schöpfers Ehr’;

Meine Seele, singe du,

Bring auch jetzt dein Lob herzu.

Da habe ihn auf einmal ein dicker schwarzer Nebel umfangen, und er habe ein Geräusch vernommen, als ob Reiter um ihn herumtrabten – er aber habe mutig fortgesungen, die zweite Strophe und die dritte, auch die vierte, lautend:

Seht, wie fleugt der Vögel Schar

In den Lüften Paar und Paar!

aber wie er an die Worte dieser vierten Strophe gekommen:

Donner, Blitz, Dampf, Hagel, Wind

Seines Willens Diener sind! –

und dieselbe in Gott vergnügt, ohne Furcht und Grauen mit lauter Stimme abgesungen habe, sei der Dampfnebel wie ein Pfeil hinter ihm weggewichen und über den Zeitelmoosweiher dahingezogen, und freudiglich habe der Mann das Lied zu Ende gesungen:

Ach, mein Gott! wie wunderlich

Spüret meine Seele dich!

Drücke stets in meinen Sinn,

Was du bist und was ich bin.

693. Der Nachtjäger im Butzenreut

Zwischen Wunsiedel und Redwitz ist ein Bergwald gelegen, der heißt der Bugen- oder Butzenreut, das ist ein echtes rechtes Jagdrevier des, nach dem es heißt, des jagenden Waldschrats und Höllenbutzen, darinnen – wie auch im Zeitelmoos, über den hohen Steinwaldberg über Reckwitz und über das ganze Fichtelgebirge, auch über die Hundsbrücke – er gar wild und toll jagt, von seinem Butzenheer begleitet, und mag wohl der Name des Waldes hier nicht von reuten, ausroden kommen, wie unzählige Ortsnamen dieser Gegend, sondern von reiten, weil der Butz dort reitet als Nachtjäger, Spuk und arger Pötz auf seinem dreibeinigen Roß und von seinen Höllenhunden umklifft und umklafft. Namentlich hat der Jägerbutz mit seinem wütenden Heer auch den Zug über die Heidenstadt in der sogenannten fränkischen Schweiz, und ist dortselbst wegen seiner des Nachts nicht gar sicher zu reisen.

694. Zwergenhöhle bei Naila

Zwischen Selbitz und Marsreuth liegt das Dorf Naila, dort wohnten in einer noch vorhandenen Höhle vor ein paar hundert Jahren Zwerge; das Loch ist noch da, aber die Zwerge sind fort. Ein Bauer des Namens Kohmann ackerte mit zwei Pferden auf seinem Felde, und sein Weib brachte ihm ein neugebackenes Brot zum Frühstück, das sie, in ein Tüchlein gebunden, am Rain niederlegte und dann in das Gras ging. Da trat zu dem Ackersmann ein Zwergweiblein dar und sagte: Du bist noch nicht hungrig, aber meine Kinder sind hungrig; mein Brot ist noch im Backofen, leihe mir das deine für meine Kinder, bis Mittag will ich es dir erstatten. – Der Bauer überließ dem Weiblein gern das Brot und geduldete sich bis Mittag, war aber doch neugierig, ob sie Wort halten werde. Und siehe, sie kam auf den Punkt, als das Mittagsglöcklein im Dorfe ausgebimmelt hatte, brachte in einem schneeweißen Tüchlein einen noch warmen Brotkuchen und sagte: Nimm und iß es ohne Scheu, das Tuch lasse liegen, ich hole es schon ab. Wir sehen uns dann nicht wieder – die Welt wird ungut. Ihr flucht und schwört je mehr und mehr, ihr lauft in aller Sonntagsfrühe heraus auf eure Felder, die Früchte zu beschauen, ihr errichtet ein Hammerwerk nach dem andern, es ist des Schlagens und Pochens kein Ende – so müssen wir den Ort verlassen, wo wir so lange bequem gesessen. – Damit ist sie hinweg und nicht wiedergekommen; ob der Bauer im Brote oder dem Tüchlein etwas gefunden habe, wird nicht gemeldet.

In das Zwergloch bei Naila sind einmal an einem Sonntagnachmittag unterschiedliche junge Bauernbursche gekrochen mit brennenden Schleißenspänen; da kamen sie durch einen Gang, der maß in paar Ackerlängen, dann in eine mannshohe Grotte mit vielen kleinen Türlein an den Seiten, wie Kämmerchen, und da grausete es sie alle mit einem Male mächtiglich, und eilten heraus, und sind ein paar Tage übel aufgewesen.

695. Der Herrgottstein

Zwischen Selb und Thierstein, nahe der Eger und nahe der Straße, ragt ein großer Stein aus dem Boden, der ist also gestaltet, daß sich ein Mann in denselben, gleichwie in eine Form, legen kann; denn alle Gliederformen sind in den schönsten Verhältnissen, wie von eines Künstler Hand wie in Wachs eingetieft, zu erschauen. Die Sage geht, daß Christus unser Herr darauf geruht und dem Stein die Gestalt seines heiligen Leibes eingedrückt habe, und wäre so dieser Stein ein wahres Gegenstück zu jenem schwarzen Teufelsabdruck am Lurleifels.

Ähnliche Felseindrücke werden erschaut in der Höhle des heiligen Prokopius auf der halben Wegstrecke von Prag nach Königssaal, die tief in den Felsen hineingeht. Darinnen hauste aber freilich kein Herrgott, sondern ein ganzes Heer von Teufeln, die der heilige Prokopius alle austrieb, und da sie ausfuhren, ließen sie ihre Wahrzeichen, Hörner, Drachenkrallen, Ochsen- und Pferdeklauen und Lindwurmschweife, als ein Andenken zurück.

696. Fichtelberg und Fichtelsee

Auf dem Fichtelberge, dem Haupt und König des Fichtelgebirges, liegt – gleichwie auf dem Schneekopf im Thüringerwalde der Teufelskreis, auf dem Rhöngebirge in Franken das schwarze Moor, dem Pilatussee auf dem Frakmont der Schweiz, dem Frau-Hollenbad auf dem Meißner in Hessen u.a. – ein berufener unergründlicher See, der Fichtelsee genannt. Früher war er offen wie der Pilatussee, hernachmals aber hat er sich mit einer schwankenden Moordecke, gleich dem vorgenannten, überzogen und heißt nun die Seelohe, weil in dieser Gegend jeder Sumpf unter einer Moordecke Lohe genannt wird. Vier Flüsse rinnen vom Fichtelberge nach den vier Himmelsgegenden nieder, Main und Saale, Nab und Eger, deren Namensanfangsbuchstaben das Wort MENS bilden; davon entspringen Main und Nab unmittelbar dem Fichtelsee. Der Main fließt gen Westen, die Nab gen Süden, die Eger gen Osten und die Saale gen Norden. Der Main fällt in den Rhein, die Nab in die Donau, Eger und Saale strömen der Elbe zu. Bei Weißenstadt fließt die Eger durch einen See, in welchem ein Pfarrer vordessen, wie die Sage geht, die Frösche stumm gemacht, wie jener Arme die zu Schwante, andere aber sagen, ein kunstbegabter Vagabund habe solch Wunderwerk für den Pfarrer verrichtet, den die Frösche unter der Predigt gestört. Und ist noch dieses wundersam, daß jeder in den Weißenstädter See geworfene Frosch alsbald wieder herauseilt, und daß ein paar Eimer dieses Wassers, in andere Teiche geschüttet, die Frösche ebenfalls verstummen machen. – Die Eger hat in ihrem Sande Diamanten, der Main Perlen, die Saale Gold und die Nab silberflammige Steinlein geführt. Auch vom Fichtelberg geht das weitbekannte Sprüchwort: Oft wirft ein Hirte nach einer Kuh mit einem Steine, der mehr wert ist als die Kuh selbst. Das alles aber war und geschahe noch in der goldnen Zeit; ob und wann sie wiederkehre, bleibt in Dunkel gehüllt. In dem Fichtelsee badet sich der Nachtjäger, wie seine Sippe, Frau Holle, ihr Bad auf dem Hohen Meißner im Hessenlande hat, der Teufel das seine auf dem Schneekopf und Rübezahl seines auf dem Riesengebirge, und es ist nur gut, daß diese vier hohen Herrschaften ihre Badezeit nicht an einem und demselben Orte halten, dieweil sonst in der Welt noch viel mehr Schlimmes und Arges geschehen würde, als ohnehin geschieht, wenn der Teufel und seine Diplomaten in einem Bade beisammen sind.

697. Schätze der Luchsburg

Von keinem der felsgekrönten Hochgipfel des Fichtelgebirgs, die meist alle Ritterburgen trugen, welche nun in Trümmern liegen, gehen mehr Schätze- und Schatzgräbersagen als von der Luchsburg, Lugsburg, Luxburg, Loosburg über dem Alexanderbade. Unter einer großen Stufe im verfallenen Keller liegt ein ungeheurer Schatz in einem kupfernen Kessel, der eine Elle hoch und eine Elle breit ist, der ist voll gemünzter Goldgulden. Auf dem Kessel steht ein kupfernes Gefäß, das umschließt eine goldne Königskrone, die mit den größten Perlen und wertvollsten Edelsteinen geschmückt ist. Die Raubritter, die einst in dieser Burg hausten und das Gebirge beherrschten, trugen diesen Schatz zusammen, bargen und versetzten ihn so, daß er nicht gefunden werden kann. Die Krone nahmen sie einem Könige und machten sie genau so unsichtbar wie Herrn von Kossuths Exzellenz die ungarische Königskrone. Nur durch ein Mönchlein von zwerghaftem Wuchs, in schwarzer Kutte, einäugig und hinkend, kann diese Krone, nämlich die in der Luchsburg, und der Goldkessel dereinst gefunden und der Schatz gehoben werden, und dies kann nur am Feste Epiphanias, dem goldnen oder Trinitatissonntag, an welchem sich das Mönchlein goldnen Sonntagskindern sehen läßt, durch ein golden Sonntagskind geschehen. Unzählige Male haben Schatzgräber und Bergleute die Klüfte unter der Luchsburg durchwühlt, aber ganz vergebens.

698. Geisterkirche am Ochsenkopf

Nahe dem Fichtelberge hebt der Ochsenkopf sein fels-und waldgekröntes Haupt, und die Sage nennt es gold- und schätzereich. Häufig haben die Walen des Berges Tiefen durchwühlt. In eine felsige Kluft droben kroch ein Bauer, da kam er an ein Stollenloch und fand vor demselben ein geschriebenes Buch in einer fremden Sprache samt einem Paar Handschuhe und einem Pistol. Er legte sich auf den Bauch und horchte hinein, hörte drinnen hauen und pochen, sah aber kein Licht; da nahm er alles Gefundene zu sich, schoß das Pistol ab und übergab seinen Fund dem Amt.

Ein alter Fichtelberger Aschenbrenner hat erzählt: An einem goldnen Sonntagmorgen regnete es, und da lief ich hinauf auf den Ochsenkopf, die Asche zu retten, und da hörte ich drunten in Bischofsgrün mit den Glocken zusammenschlagen. Da kam ich an eine Felsenwand, die stand auf, und ich trat hinein; da hat ein Altar dringestanden, der war ganz von Gold und glänzte über und über vom Schein der Kerzen, die auf ihm brannten. Da fiel mir bei, daß ich schon gehört hatte, allemal, wenn drunten in Bischofsgrün Kirche gehalten werde, so gehe droben die Geister-, Berg-und Waldkirche zugleich an; ich sah noch einmal hin! Gold und Silber hingen wie Eiszapfen am Gewölbe, Perlen und Edelsteine bambelten da wie die Zwiebelstränge in unserm Schlot, Geister sah ich keine – aber ich entsetzte mich, daß ich so mutterseelenallein war, lief fort und hörte hinter mir ein entsetzliches Krachen und Brechen, als ob der Berg in sich zusammenstürze. Ich holte meine Fraue, daß sie den Pracht auch sehen sollte, der nur am göldnen Sonntag und am Johannistage sich manchmal in der Frühe zeigt, aber wie wir hinkommen, war die Felsenwand zu und nichts mehr zu sehen, und meine Fraue sagte, ich sei selber ein Ochsenkopf, daß ich mir nicht aus der Geisterkirche so einen Goldeiszapfen oder Edelsteinstrang herausgelangt, denn wem der Schatz sich zeige, dem sei er auch beschert. Aber wenn der Bettelmann nichts haben soll, so verliert er das Brot aus der Tasche.

699. Die Hölle auf dem Rudolfstein

Auf der nördlichen Abdachung des Schneeberges, des Nachbars vom Fichtelberg und Ochsenkopf, stand nach Weißenstadt zu auch eine Ritter- und Raubburg,

der Rudolf- oder Rollenstein, dessen Stätte noch der Schloßberg genannt wird. Rudolf, ein Pfalzgraf in Franken, soll die Burg im Jahre 857 auf die Riesenfelsen, die Mauern, von Menschenhänden aufgeführt, gleichen, getürmt haben, andere nennen den Kaiser Rudolf aus Schwaben als Erbauer. Nicht weniger als zwölf bis vierzehn Raubburgen standen um Wunsiedel, deren Insassen den reisenden Kaufleuten gleich starken Gebirgswinden das Geld aus dem Busen bliesen. Räuber und Geister in trauter Gemeinschaft machten die unwegsame Gegend unsicher und weit verrufen, und eine Waldstelle unterm Rudolfstein, von grauenhaftem Felsgeklüft umstarrt, wird die Hölle genannt. Sie lag zwischen den Raubburgen Rudolfstein und Waldstein in der Mitte, und die Reisenden hatten allda oft mehr Pein von den verkappten Staudenhechtlern auszustehen als von den Waldgeistern und Höllenbränden, die sich in Gestalt feuerspeiender Untiere sehen ließen, während ein Prasseln vernommen ward, als ob der ganze Wald niederschmettere. Ein Jäger aus Sachsen, der den Geisterspuk in der Hölle noch nicht kannte, sah und verfolgte dort ein Wild, das zum Waldstein hinanflüchtete. Je höher er stieg, je mehr Wildes ward er ansichtig, aber alles floh vor ihm her in die Burgtrümmer hinein, keins kam ihm schußgerecht. Jetzt folgte auch er durch die Pforte – da mit einem Male umhüllte sich Fels und Mauer, Busch und Baum mit grauem Nebel, und im Burghof begann ein Brausen, Zetern, Knallen und Schellen, Bellen und Gellen, als sei die ganze Hölle los, Gekreisch und Gelächter, und der wilde Jäger zeigte sich ihm samt dem ganzen wilden Heere voll sinneverwirrender Gestalten, bis er zu Boden stürzte und die Gedanken ihm gar vergingen. Als er erwachte, war es dunkel um ihn, und drunten in Reumersreuth schlug die Turmuhr zwölfe.

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