740. Stein vom HimmelIn Frauenbreitungen, zwischen Wasungen und Salzungen gelegen, liegt ein großer schwarzer Stein, der fiel einmal vom Himmel herab ins Feld, und niemand konnte ihn wegbringen, so schwer war er. Da aber der Stein vom Himmel gefallen war, so wollten die zu Frauenbreitungen ihn gern in ihre Kirche haben. Und da hatten sie einen Gefangenen, der ein großes Verbrechen begangen, der war seines Zeichens ein Leinweber und zugleich ein starker Hans, was sonst die Leinweber nicht sind. Der vermaß sich, wenn man ihn sündelos machen wolle, so wolle er den Stein, wie der Eckardser Graf den seinen, vom Felde herein ins Ort und in die Kirche tragen, wenn auch nicht auf der Brust und auf dem Herzen, sondern in seiner Schürze. Das ward dem starken Leineweber zugelassen, und er trug richtig den Stein in einem Gange bis nach Frauenbreitungen herein. Aber da er auf den Markt kam, riß die Schürze mitten entzwei, der Stein glitt heraus und fiel an die Stelle, wo er noch liegt, niemand brachte ihn weiter. Dem Leinweber fiel der Schreck in die Kniekehle. Zum Andenken trägt seitdem das ganze Handwerk kurze Schürzen. Der Stein liegt noch und heißt der Glittstein. 741. Der vergrabene KoboldZu Frauenbreitungen am steinernen Haus sollte eine Ausbesserung vorgenommen werden, und da geschah es, daß ein Steinhauergeselle in der Mittagsstunde müßig aus einer Luke des Hauses in einen Garten hinabsah. Da sah er eine Frau gegangen kommen, die ging unter einen alten Birnbaum, grub dort ein Loch und setzte eine Schachtel hinein, die sie unterm Mantel verborgen gehalten hatte, und deckte das Loch mit Rasen sorglich wieder zu. Nach dem Feierabend trieb den Gesellen zu sehen, was wohl die Frau dort möge vergraben haben, einen Schatz oder die Frucht eines Verbrechens. Er ging zum Baume, grub nach und erhob die Schachtel; als er sie öffnete, lag ein scheußlicher Kobold darin, eine halbe Elle lang, kohlschwarz wie der Teufel, Bockshörner am Kopf, Pferdehufe an den Füßen, jeder Zoll ein Teufel, und mit Telleraugen, welche glühten wie Feuer. Der Gesell ließ vor Schreck und Entsetzen die Schachtel fallen, und wie sie hinplauzte, hüpfte der Kobold heraus, schlug eine helle, widerliche Lache auf, sprang um seinen Befreier mit höhnischen Grimassen herum und verschwand dann mit gellendem Gelächter, indem er dem großen Breitunger See zueilte, in den er sich stürzte. Den Gesellen packte ein Fieber, und er starb an dem Schreck. Nie hat man den Kobold wiedergesehen, auch nie die Frau erforscht, die solchen greulichen Schatz vergraben. 742. Die Teufelsmahten beim Schlosse LiebensteinNicht weit von den Orten Frauen- und Herrenbreitungen, allwo Klöster waren, wie schon die Namen andeuten, gleich Herren- und Frauen-Chiemsee/ (Sage Nr. 978), und ein Gang unter der Werra weg, wie in Saalfeld unter der Saale (Sage Nr. 533) und noch an gar vielen andern Orten zu gegenseitiger Besuchsbequemlichkeit diente, liegt das alte Bergschloß Liebenstein, davon mancherlei Sagen gehen; zunächst die überall heimische von einem lebendig in den Bau vermauerten Kind, dessen Wimmern man noch hört und dessen Mutter noch um die Trümmer als ein Geist wandelt, dann von einer weißen Ahnfrau, welche einen Schatz hüthet; absonderlich eigenthümlich ist aber dem alten Liebenstein die Sage von den Teufelsmahten. Darauf, auf dem alten Schlosse, saß ein Ritter, das war gar ein wilder und wüster Gesell, einer von denen, die, wie das Sprüchwort sagt: den Teufel haben barfuß laufen sehen, und ihm auch seine Seele verschrieben hatte, dafür mußte ihm der Teufel dienen nach der Schwierigkeit, wie dort zu Waerdenberg der Teufel Jost dem Doktor Faust (Sage Nr. 141), und mußte sich schinden und plagen und abrackern, daß er gern aus seiner Teufelshaut herausgefahren wäre, wenn er nur gewußt hätte, in welch andere gute Haut er hätte fahren sollen. Immer neue Plagen ersann der Ritter für den dienstbaren Teufel, und so befahl er ihm denn auch alle Frucht auf dem großen weiten Felde um die eine Seite der Burg, daran hundert Schnitter drei Tage lang zu mähen gehabt hätten, in einer Nacht abzumähen. Dem Teufel wurde drob angst und bange, denn vollbrachte der’s nicht, so war der Ritter ihn los, und der Teufel hatte keine Gewalt nach dessen Tode über ihn und seine Seele. So machte er sich denn an die Arbeit und borgte sich die Sense vom Tod, und mähte das ganze Getraide in mächtigen Mahten zusammen, bis ihm die Ohnmacht zuging und er es satt hatte, und hinüber nach Salzungen in die Teufelskutte fuhr und ein Kühlbad nahm. Wie nun damals der Teufel das Getraide gemäht hat, einen Theil rechts, einen Theil links, das ist eine bekannte Sache, so wächst es noch bis auf den heutigen Tag, und es mag das Getraide noch stehen oder abgehauen sein, oder bloß noch die Stoppel stehen, so sieht es von weitem aus, als läge auf jenen Aeckern das Getraide in ungeheuern Mahten zusammengemäht, und heißt bis auf den heutigen Tag die Teufelsmahten. Ob aber der Teufel aus seinem nachbarlichen Bad wieder zu dem Ritter zurückgekehrt ist, oder nicht, das wird nicht gemeldet, denn: "nix kwisses wäß mer nett!“ sagt ein Hildburghäuser Sprüchwort. 743. Bonifaciusfels und LuthersbucheDicht beim Schlosse Altenstein ragt der Bonifaciusfels empor. Es ist unzweifelhaft mehr als Sage, daß der Thüringer Apostel an dieser Stätte und von diesem Felsen dem Volke die christuslehre gepredigt, daß er in der Nähe Kapellen gründete; mehr als eine Wüstung und manche geschichtliche Wahrnehmung giebt davon Kunde. Vor mehr als hundert Jahren stand noch an dem Fels eine hohe runde Mauer ohne Dach, der Ueberrest einer Kapelle, welche schon damals aus/ Ueberlieferung allgemein der Bonifaciusthurm genannt wurde, und auf alten Abrissen des Schlosses Altenstein und seiner Umgebung also ausdrücklich benamt steht. Ueber diese Höhe, am Bonifaciusfels vorbei, zog im Frühling 1521 Doktor Luther, als er von Worms kam und in seinem Heimathorte Möhra gerastet und gepredigt hatte, um nach Wittenberg zurückzukehren; Da wurde er eine halbe Stunde weiter hinauf im Walde ohnweit den Trümmern einer Wallfahrtkapelle aufgehoben und auf Wartburg geführt, und zwar zunächst einer starken Buche über einer Quelle, aus welcher Luther trank. Man zeigt in des Glasbach Nähe noch einen Stein am Wege mit dem Abdruck eines Mannesfußes, und nennt ihn den Luthersfuß. Die Aufhebung Luthers geschah durch den Hauptmann Hans von Berlepsch, Amtmann auf Wartburg, und Burkhard von Wenkheim, Schenk, Landrentmeister und Amtmann zu Gotha, welche der Kurfürst von Sachsen heimlich dazu beauftragt hatte. Burkhard Hund von Wenkheim hatte hier auf Altenstein sein Stammschloß und väterliches Erbe, von seinem Geschlecht geht eine ähnliche Sage, wie jene von den neun, und den zwölf, und den sieben Knäblein auf einmal (Sagen Nr. 417 u. 800), und vom ursprung der Welfen. Da soll die Frau von Wenkheim, die eine mit Drillingen gesegnete Bettlerin heftig ob ihres Kindersegens schalt, von dieser verflucht worden sein, und dreizehn Knäblein auf einmal geboren haben. Die Magd, die zwölf der Knäblein in das Wasser tragen sollte, sagte zu dem ihr begegnenden Herrn auf seine fragende Anrede, sie trage Hunde, worauf er die Knäblein in heimliche Erziehung gab, die Mutter in ein Kloster verstieß, und den Söhnen zu ihrem Familiennamen den Namen "Hund“ beilegte. So entstand das nun augestorbene Geschecht der Hund von Wenkheim, dessen Name in jener Gegend durch manche fromme Stiftung noch im Seegen fortlebt. 744. Die RingelsteineTief im Walde hinterm Altenstein nach Wilhelmsthal zu lagen vordessen zwei Burgen, genannt Alt- und Neuringelstein, von denen sieht man nur noch ihre Stätten, aber Sagen hört man viele von ihnen, wie überhaupt dieser ganze Gau überreich an Sagen ist. Raubritter hausten dort, nächst der sogenannten Weinstraße, die heute noch diesen Namen führt und der alte Weg war, der vom Thüringer Walde niederwärts nach Franken und Buchonien sich lenkte. Einst hatten die Raubritter von Ringelstein eine Braut aus Salzungen entführt; sie schlugen den Pferden die Hufeisen verkehrt auf, damit ihre Spur verborgen bliebe, und kamen durch eine Höhle in ihre Burg, die gar kein Tor hatte; der Maid gefiel es nicht in der Burg der Räuber, sie sprang von der Burg herab über einen Brunnengraben und entkam glücklich, der Bach fließt heute noch und heißt der Brautborn. Noch immer geht die Sage, daß sich auf Altringelstein eine schöne Jungfrau mit einem Schlüsselbund zeige, die auf Erlösung harrt. Sie hat ein Tuch übern Waldboden gebreitet, darauf sie Flachsknotten klengt. Da die Ritter der Weinstraße so nahe wohnten, so bestand auch die Mehrzahl ihres Raubgutes aus Wein, und sie haben, so viel sie tranken, denselben doch nicht alle trinken können: daher liegt er noch in den unterirdischen Höhlenwölbungen aufgeschichtet, die Dauben der Fässer sind längst verfault, und die eisernen Reife hat der Rost zernagt, aber der Weinstein hat das edle Naß mit einer Kristallhaut rings umkleidet. Einst, wann die zweite große Sündflut über der Menschen sündiges Geschlecht hereingebrochen sein wird und der Herr kommen wird zu den Schrecken des Jüngsten Gerichts, zu richten die Lebendigen und die Toten, da werden diese Höhlen sich auftun und die Fässer sich öffnen, und der Herr in seiner Herrlichkeit wird sein großes Versöhnungsmahl halten und die Frommen und Gerechten mit diesem Wein tränken zum Zeichen des ewigen Lebens. 745. Berggeister um AltensteinUnterm Schloß Altenstein liegt Glücksbrunn, ein vormaliger Hüttenort. Lebhafter Bergbau wurde vormals von den hier und in Steinbach zahlreich wohnenden Bergleuten betrieben, jetzt wird nur noch wenig Ausbeute gewonnen. In den Schachten und Stollen gab es auch Berggeister, und manchen versetzten Hort. Venetianer sind gar häufig gekommen, und haben viel hinweggetragen. Am Löge, oberhalb Steinbach, hat ein goldner Hirsch sich oftmals sehen lassen. Einst ging ein junger Bergknappe aus Steinbach nach seinem Schacht auf der Windleite. Wie er nahe zur Winde kam, sah er ein ganzes Heer kleiner Bergmännerchen an der Winde stehen, die waren gar thätig und eifrig mit aufwinden und mit Gesteinpochen. Wie er nun mit offnem Munde näher schritt, ganz verwundert über die verwunderliche kleine Knappschaft, hui! da purzelten sie kopfüber allzumal in den Schacht und es that einen Kracher, als ob der ganze Schacht in sich zusammenbreche. Da grauste es dem jungen Bergmann mächtiglich, ging hin zum Schacht, schnallte sein Hinterleder ab und schmiß es sammt dem Grubenlicht in die Teufe hinab, und sagte: mit euch fahre ich nicht an! - Und ging hinüber in die Ruhl und wurde ein Messerschmied, und als er dieß gute Gewerk gelernt hatte, kam er wieder nach Steinbach, that sich allda als Messermacher nieder und brachte so das Handwerk dorthin als erster Meister. Und da haben die Steinbacher es ihm nachgemacht, und sind aus Bergleuten Messermacher geworden, und wohnen jetzt über anderthalbhundert Meister allda und kein einziger Bergmann mehr. Einst arbeitete ein Häuer aus Glücksbrunn im Regina-Schacht, da hörte er ein Rauschen und meinte, es fahre etwa ein Steiger an, und sahe eine Menschengestalt, anzuschauen wie ein Bergamtsoberer mit schwarzem Hut, grünem Oberkleid mit Manschetten, schwarzen Beinkleidern und Schuhen, weißen Strümpfen; in der Hand ein hellbrennend Grubenlicht; schönen Antlitzes und von glänzenden Augen, so groß, daß er am Ort, das über fünf Schuh hoch/ war, an den First anstieß. Der bestürzte Häuer schwieg, und arbeitete angestrengt weiter immer rascher und heftiger. Da wandte sich die Gestalt gegen Morgen und fuhr in der Strecke von dannen. Hätte der furchtsame Häuer nur den Bergmannsgruß "Glück auf!“ gesprochen, so hätte sich ihm ohne Zweifel der reiche Stollen des Glückes erschlossen und aufgethan. So aber sah er nie wieder diese Bergerscheinung. Andern erschien der Berggeist im Grubenkittel, Kniebügel an den Beinen,einen schwarzen Schiefhut auf dem Kopf, mit großen glänzenden Augen und auch einem Grubenlicht in der Hand, auf sie zukommend auch diese wichen furchterfüllt dem Geiste aus, und fuhren wieder aus dem Schachte. Des Geistes Grubenlicht erhellte fast die Hälfte des aufwärtsgehenden Schachtes. 746. Der WallfahrtgartenDroben überm Luthersbrunnen unter dem Gerberstein hat vorzeiten, wie die Sage geht, ein Nonnenkloster gestanden, und da sind immer viele Wallfahrer hingezogen, und es ziehen noch heutiges Tages welche dahin, obgleich das Kloster längst zerstört ist. Die Nonnen aber haben vor der Zerstörung noch einen großen Schatz allda vergraben, und eine von ihnen hat sich zu dem Schatz verwünscht, seiner zu hüten. Viele Leute haben sie wandeln sehen, denn der Weg nach Ruhl geht dort vorbei, schloßschleierweiß, doch hat sie keinem Menschen etwas getan. Die aber dort nach Schätzen gegraben haben, haben nichts gefunden. Vor hundert Jahren in einem Vorfrühling, da es noch keine Blätter und Blumen gab, sind Leute dorthinauf ins Reisig gegangen, die hatten ihr kleines Kind von fünf bis sechs Jahren bei sich und setzten das Kind zu ihren Körben und gingen in den Wald, ihrer Arbeit zu warten. Wie sie aber wieder hin nach den Körben kamen, da ging es wie bei der Frau auf Burg Epprechtstein, das Kind war fort, und vergebens riefen und suchten es die Leute im ganzen Walde. Doch wie sie es eine ziemliche Weile gesucht hatten, da kam das Kind gelaufen und war voller Freude, und hatte rote Beeren und Blumen und Kirschen, und sagte, wie sie fort gewesen wären und es so allein gewesen und sie so lange ausgeblieben, da hätte es sich gefürchtet und hätte geweint, und wäre auf einmal eine weiße Jungfer gekommen, die hätte ihm gesagt, es solle nicht weinen, sie kämen wieder, und es solle mit ihr gehen in ihren Garten, da gäbe es Beeren und reife Kirschen und Blumen. Und da hätte es davon nehmen dürfen, so viel es gewollt, und es sollte nur alle Tage zu ihr heraufkommen. Und nachher hätte die weiße Jungfer gesagt, nun solle es gehen, seine Mutter riefe ihm und da sei es wiedergekommen, aber seine Leute sollten nur einmal mitkommen in den hellig schönen Garten. Und ob das alles den Leuten ganz unglaublich dünkte, so folgten sie doch dem Kinde und kamen auch wirklich an den Garten, sahen darin die Blumen und Blüten, die Beeren und Kirschen und auch die weiße Jungfer. Und die weiße Jungfer winkte ihnen, hereinzukommen in den Garten, aber sie fürchteten sich und enteilten samt dem Kinde. Aber alle Tage ankerte das Kind nach dem Garten und nach der weißen Jungfrau und wollte hin zu ihr, und weil es nicht fortgelassen ward, so weinte es beständig und härmte sich und wurde krank bis zum Sterben. Da saß seine Mutter an des Kindes Bettchen und weinte zu Gott im Himmel hinein, daß sie das Kindchen verlieren sollte, und betete. Da hob sich mit einem Male das Kind im Bettchen in die Höhe und streckte die Händchen aus und lachte mit dem ganzen Gesichtchen und rief: Siehst du, Mutter die weiße Jungfer wie sie mir rote Beeren (Erdbeeren) bringt und Johanisbeeren? Und da starb’s. Niemals hat jemand auf der Wallfahrt und dortherum den Garten der weißen Jungfrau wiedergefunden. 747. Die Männer im FlußbergHoch über Liebenstein im Gebirge erhebt sich ein Bergkopf mit zerklüfteten Flußspatfelsen, der Flußberg genannt; dort hat es gespukt und die Wanderer geneckt seit undenklichen Zeiten. Von unsichtbaren Händen wurden dort Ohrfeigen ausgeteilt; das Weinen eines kleinen Kindes ward dort vernommen, wer ihm aber nachging, fand es nie, sondern verirrte sich im Waldesdickicht. Auch das wütige Heer hat dahinten im Flußberg seinen Sitz; das kommt über den Gerberstein und den Hirschpalz dahergezogen und läßt sich im Flußberg nieder, und wen es erwischt, der ist verloren. Wenn man es durch die Luft kommen hört, muß man sich nur gleich auf den Bauch und auf das Gesicht der Länge lang auf den Erdboden legen und ein Vaterunser beten, da zieht es vorüber und kann einem nichts anhaben, weil es immer in der Luft bleiben muß, solange es sich nicht in ein Bergloch niedertut wie hier im Flußberg oder im Hörseelenbergsloch oder sonstwo. In den Flußberg geht das Loch ganz tief hinunter, und in dasselbe sind, gleichwie in der Berghöhle im Zobten, auch drei Männer gebannt, welche aber nicht lesen im liber obendientiae und auch nicht lateinisch sprechen. Der eine das ist ein Wirt und Metzger aus Steinbach bei Liebenstein, der hat den Leuten immer das Fleisch zu knapp gewogen und das Bier zu knapp gemessen, und wie er gestorben war, hat er alsfort wandern müssen und hat im Keller und in der Fleischkammer immer herumgepoltert und gerufen: Drei Kartel für e Kann! Drei Viertel für e Pfoind! so lange, bis ein Jesuiter geholt wurde, der diesen Geist bannte, in einen Sack steckte und in den Flußberg trug. Der zweite das war ein Müller drunten in den Sauerbrunns-Grumbach bei Liebenstein, der hat die Leute beim Mahlen betrogen und gemetzt, daß ihnen die Augen übergingen, und hat auch Grenzsteine verrückt. Nachher hat er auch wandern müssen und hat in der Mühle herumgepolert und ist als feuriger Mann auf seinen Äckern und Wiesen herumgeschwebt, wo er die Grenzsteine verrückt hat. Da hat ihn auch ein Jesuiter bannen und hinter in das Flußloch tragen müssen. Nachher war noch einer in Schweina, der hat die Grenzsteine so geschickt verrückt, daß seine Äcker alle Jahre größer geworden sind; darauf hat er gar arg gespukt, daß sich die Leute, wenn es kaum anfing dunkel zu werden, nicht mehr auf den Weg von Schweina nach Steinbach trauten, denn dort lagen seine Äcker, und da wanderte er. Selbiger Mann ist ebenfalls durch einen Pöpelsträger hinauf in den Flußberg getragen worden. Und da sitzen nun die Drei, und zu ihrer Unterhaltung haben ihnen die Jesuiter ein eisernes Kartenspiel gegeben, und weil sie im Leben allzeit gern gekartet, karten sie nun auch fort und fort Solo und betrügen einander und werden uneins und wamsen sich eine Weile und machen einen Lärm und Spektakel wie das wütige Heer. Wer um Mitternacht am Flußloch vorübergeht, der kann sie drunten gellen, schreien und zanken hören, das geht durcheinander: Drei Kartel für e Kann! Drei Viertel für e Pfoind! Trumpf aus! Drei Metze für e Maß! Trumpf aus! und so immer fort, und prügeln sich, daß der ganze Flußstein wackelt. 748. Wer weiß ob’s wahr ist?Zwischen Liebenstein und Salzungen liegt ein Dörflein, daß heißt Ettmarshausen, früher hat es Ottmarshausen geheißen, dort war ein Garten, der wurde ummauert, und als die Mauer sammt der Eigangsthür fertig war, so schrieb der Maurermeister in den einen Thürpfeiler die Jahrzahl und seines Namens Anfangsbuchstaben also ein: A.D. 1584. M.A.L. Weil aber nicht derselbige Meister, sondern der Gesell die ganze Arbeit gemacht und vollbracht hatte, so grub der Geselle in den andern Pfeiler die Worte ein: wer weiss ob’s wahr ist? Darauf ist in der ganzen Gegend das Sprüchwort entstanden, wenn einer sich eines Dinges rühmt, das nicht er vollbracht hat, sondern ein anderer: wer weiß ob’s wahr ist, stand an der Ettmarshäuser Gartenthüre oder man sagte ihm wohl auch ins Gesicht: du denk’ an die Ettmarshäuser Gartenthüre. Und dieses Sprüchwort lebt noch, obschon Garten und Thür, Mauer und Schrift längst nicht mehr vorhanden. 749. Die Salzunger See'nDicht bei Salzungen liegt ein sehr schöner See, ihm ganz nahe war ein kleinerer, jetzt nur noch ein tiefel Tümpfel, der hieß dieTeufelskutte. In der Gegend liegen noch einige kleinere See’n; von allen gehen Nixensagen. Im großen See zu Salzungen hielt sich eine Wasserfrau auf, die kam häufig durch die See’spforte herein zu den Fleischbänken, die ganz nahe bei dieser Pforte standen, jetzt aber weggerissen sind deren Gewandsaum war immer naß, und ihr Haar war grünlich. Einst kam sie, brachte ein Kind mit, ließ es zurück und kam niemals wieder. Wie das Kind beschaffen war und was aus ihm geworden, weiß/ Niemand. Dicht am See steht eine alte Kemmnate, der hühnische (haunische) Hof genannt, dahinein kamen zwei Seejungfern zum Tanze, weilten zu lange, und als sie wieder in den See sich gestürzt, wurde er blutroth. Im Jahre 1670 ist es geschehen, daß einmal mitten im Winter der ganze See blutroth gefärbt erschien, und im Jahre 1755, am 1. November, zog das Wasser plötzlich strudelnd, wie in einen Trichter, in die Tiefe, und kam dann wieder, donnergleich brausend, und überschwoll schäumend den Uferrand. Es war der Tag, da Lissabon durch ein Erdbeben verheert ward (Sage Nr. 398). In die Teufelskutte oder Grube hat sich nach alten Nachrichten der fliegende Drache oft eingelassen. Einem Kutscher, der über ihr dahinfuhr, als sie noch fast den ganzen Erdfall ausfüllte, der jetzt die Grube heißt, wurden durch ein Gespenst die Rosse so geschreckt, daß sie mit Mann und Wagen sich in den Abgrund stürzten. Nicht weit von Salzungen, nach Wilprechtrode zu, liegt derBuchensee oder Büchensee; dort hat vor Zeiten gar ein stattliches Schloß gestanden, darinnen war immer Saus und Braus, und da ging es, wie bei dem Kloster bei Neuenkirchen im Odenwalde (Sage Nr. 59). Es kamen zwei müde hungrige Wanderer und baten flehendlich um Einlaß und um Trank und Speise und ein geringes Nachtlager. Es ward ihnen aber mit nichten aufgethan, und mit Hohn und übeln Scheltworten wurden sie zurückgewiesen. Da verwünschten sie das Schloß, und es versank auf der Stelle, und an seine Stelle trat der kleine unergründliche See, welcher der Buchensee heißt. Es waren aber, wie dort die eine gütige Nonne, hier drei Fräulein in Schlosse gewesen, die hätten gern die Armen eingelassen, und hatten keinen Theil an der Härte und dem Hohn, womit jene abgewiesen wurden, gleichwohl versanken auch sie zusammt dem Schloß, aber es blieb ihnen vergönnt, alle Jahre einmal zur Wildprechtroder Kirmsezeit den Tanz zu besuchen, mußten aber jedesmal pünktlich vor 12 Uhr des Nachts zurückeilen. Ein Jäger aus Wilprechtrode sah sie einst auf seinem Heimweg von der Schnepfenjagd in ihrem altmodischen Wagen fahren, und erstaunte über ihre jugendliche Schönheit und das uralte Gefährts, meinte aber, die fremde Herrschaft wolle seine Herrschaft besuchen, und setzte sich, um schneller fortzukommen, hinten auf den Kutschentritt. Mit einemmale aber hörte er es rauschen und Wasser spritzte über ihm zusammen; geschwinde sprang er herab, und rettete sich mit Mühe. Der Wagen war in den Buchensee hineingefahren, und der Schnepfenjäger kam naß wie ein Pudel nach Hause. Nachher hat auch die drei Fräulein das Nixenlos ereilt, sie verspäteten sich einmal, wurden von ihren Tänzern zum Buchensee begleitet, und diese sahen, wie jene in den See sich stürzten und Blutstrahlen aus dem Wasser stiegen. Niemals kamen die Fräulein wieder zum Tanze. Etwas weiter ab von Salzungen, nach Frauensee zu, liegt der kleine Döngessee, oder Hautsee, mit einer schwimmenden Insel. Fast die gleiche Sage geht von ihm; zwei Nixenfräulein entstiegen ihm, erlustigten sich auf dem Tanzboden des nächsten Dorfes, Dönges, öfters, bis ein Bursche einer derselben ihre Handschuhe raubte, und über dem ängstlichen Suchen danach die Mitternachts/stunde herbeikam, worauf folgte, was die Sage bei der Nixenverspätung stets erfolgen läßt. In den Döngessee ist auch einstens eine Wehmutter von einem Reiter mit Gewalt geführt worden, sah darin große Schätze, und ward reich beschenkt entlassen und wieder an ihren Ort gebracht, mußte aber heilig schwören, Niemandem davon ein Wort zu sagen. Als sie viele Jahre darauf erkrankte, konnte sie nicht sterben, bis sie dem Pfarrer ihren nächtlichen Ritt und Gang gebeichtet hatte. So liegt auch bei Wilhelmsthal ein See und fließt ein Flüßchen hindurch, die Elne, darin die Elnenymphe wohnt; ein junger Jäger sah sie, liebte sie, verlobte sich mit ihr, ward ihr aber treulos, und sie strafte ihn er mußte ihr folgen, bis sie ihn hinunter in die Tiefe zog, und ihn todt küßte, dann warf sie ihn wieder aus in Unkenrode wie schaurig klingt der Name dieses Dorfes liegt er begraben. |
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